»Papa, hilf mir«, schrie der zwölfjährige Ahmed Siyam, als etwa 50 schwerbewaffnete israelische Soldaten und Polizisten den Jungen mitten in der Nacht in Handschellen und mit verbundenen Augen aus seinem Elternhaus abführten. Agenten des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet hatten sich um vier Uhr morgens Zutritt zu Ahmeds Haus verschafft. Sie holten den Jungen aus dem Bett und brachten ihn zu einer Polizeistation im russischen Bezirk Westjerusalems. Dort warfen sie ihm vor, israelische Sicherheitskräfte bei Zusammenstößen mit palästinensischen Jugendlichen im Ostjerusalemer Stadtteil Silwan mit Steinen beworfen zu haben.
Auslöser der Unruhen ist die Vertreibung von Hunderten Palästinensern aus ihren Häusern in Ostjerusalem. Dutzende Gebäude wurden bereits zerstört, weitere sind vom Abriß bedroht. Dahinter steckt eine gezielte, nach internationalem Recht illegale Vertreibungspolitik der israelischen Behörden zugunsten israelischer Siedler.
Bei dem nächtlichen Überfall der israelischen Soldaten und Polizei im Mai hatte Ahmeds Vater vergeblich die Vorlage eines Haftbefehls verlangt. »Als ich wissen wollte, was gegen den Jungen vorliegt, verboten sie mir den Mund und schlugen mich«, berichtete Daoud Siyam von IPS. Danach drangen sie in Ahmeds Zimmer ein, holten den Zwölfjährigen aus dem Bett und zerrten ihn in ein vor dem Haus wartendes Polizeiauto. »Sie sagten uns nicht, wohin sie unseren Sohn bringen würden und verhinderten mit Gewalt, daß ich ihn begleitete«, erzählte der Vater.
Erst mit Hilfe eines Anwalts gelang es dem Vater am nächsten Tag, mit Ahmed zu sprechen. »Er war zutiefst traumatisiert und weinte«, erinnerte sich der Vater. »Ich hatte Angst und konnte nicht sehen, wohin wir fuhren. Meine Hände waren mit Handschellen fest hinter meinem Rücken zusammengebunden, und sie traten mich«, so Ahmed gegenüber IPS. »Stundenlang wurde ich ausgefragt und beschuldigt, Steine geworfen zu haben. Das stimmt aber nicht.« Ahmed stand nach seiner Freilassung einen Monat unter Hausarrest. Er durfte nicht zur Schule gehen. Im nächsten Monat wird er sich gerichtlich wegen des Vorwurfs verantworten, Steine auf Israels Sicherheitskräfte geworfen zu haben.
Der palästinensischen Sektion des internationalen Kinderhilfswerks »Defence International for Children« (DCI) zufolge leitete die israelische Polizei zwischen November 2009 und Oktober 2010 1267 strafrechtliche Verfahren gegen palästinensische Kinder ein, die in Ostjerusalem israelische Sicherheitskräfte und Siedler mit Steinen beworfen haben sollen. Die Hälfte der Kinder wurden in Abwesenheit ihrer Eltern oder eines Anwalts verhört. »Viele wurden angeschrieen, bedroht, mißhandelt und zu fragwürdigen Aussagen genötigt«, betonte der DCI-Rechtsanwalt Gerard Horton. Die meist nachts in Handschellen und mit verbundenen Augen aus ihren Häusern abgeführten Kinder seien zum Zeitpunkt der Verhöre bereits traumatisiert und nicht mehr fähig gewesen, dem auf sie ausgeübten Druck zu widerstehen.
Noch schlimmer ergeht es palästinensischen Kindern, die im Westjordanland ins Visier der israelischen Sicherheitskräfte geraten. Hier sind sie dem israelischen Militärrecht unterworfen und können bis zu acht Tagen in Haft gehalten werden, bis sie einem Militärrichter vorgeführt werden.
»Wir hatten einen Fall, in dem drei Kinder bei einem Verhör von israelischen Soldaten über eine der Siedlungen mit hinter dem Rücken gebundenen Händen mit Elektroschocks gefoltert wurden«, berichtete Horton im IPS-Gespräch. »Anderen drohte man damit, die Häuser ihrer Familien in die Luft zu sprengen oder mit Vergewaltigung.« Im Mai erschoß der Wächter einer israelischen Siedlung den 17jährigen Milad Ayyash mit der Begründung, der Jugendliche sei in Zusammenstöße verwickelt gewesen.
Quelle: www.jungeelt.de vom 22.06.11
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