Wolfgang Huste Polit- Blog

Sind wir nicht alle Dissidenten? Kleine Anmerkungen von Wolfgang Huste

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Zurzeit werden in den Medien die Einzelschicksale von – sagen wir einmal – drei bis vier chinesischen Dissidenten stärker herausgestellt. Ich bin nahezu „reflexhaft“ misstrauisch, wenn die bürgerlichen (konservativen, pro kapitalistischen) Medien über diesen oder jenen „Dissidenten“ ausführlichst berichten, denn das geschieht oftmals nicht ohne einen Eigennutz. Leider berichten sie kaum über die weit mehr als 1000 linken deutschen „Dissidenten“, die bei uns teilweise auch wegen ihrer Gesinnung in Gefängnissen sitzen oder berufliche Nachteile in Kauf nehmen müssen – eben wegen ihrer vom politischen und kulturellen Mainstream abweichenden Gesinnung. Ich denke da unter anderem an Antifaschisten und Antifaschistinnen, die man für ihr demokratisches Engagement teilweise „wegsperrte“. Ich denke auch an die Tausenden Jugendlichen, die nur wegen ihres privaten Konsums von Cannabisprodukten kriminalisiert wurden und teilweise sogar dafür in Gefängnissen „einsitzen“. Auch sie sind mit ihrer berechtigen Forderung, Cannabis ähnlich wie Alkohol und Tabak zu legalisieren, für „unseren“ Staat „Dissidenten“ = Abweichler, eine allgemeine „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“.

Haben damals, in der Hochphase der Berufsverbote in der damaligen BRD (Stichwort: „Radikalenerlass“), die bürgerlichen Medien genauso positiv und ausführlich von den deutschen „Dissidenten“ geredet und geschrieben, also über Sozialisten und Kommunisten, die engagiert für einen Staat kämpften und immer noch kämpfen, der sich nicht auf eine allgemeine Ausbeutung und Unterdrückung der „abhängig Beschäftigten“ und der Ausbeutung von Naturressourcen gründet? Setzten sich die bürgerlichen Medien damals, nach 1944, für die Kommunisten und Sozialisten ein, die die Alliierten aus den deutschen KZs befreiten und die 1956, als die KPD verboten wurde, teilweise – wegen ihrer politischen Gesinnung, ihres politischen Engagements – wiederum ins „Zuchthaus“ kamen, wie es damals noch hieß? Viele von ihnen waren aktive Widerständler gegen das Menschen verachtende, diktatorische Regime der Nationalsozialisten, setzten sich für eine allgemeine Humanitas ein, für eine Welt ohne Kriege, Ausbeutung und Unterdrückung. Nur der Antikommunismus und Antisozialismus wird von den herrschenden Eliten, den bürgerlichen Medien, täglich „befeuert“, Antifaschismus dagegen leider nicht! Eine allgemeine Forderung wie: „Mehr Demokratie und Reformen in China realisieren“ ist mir zu allgemein. Auch Sarrazin, Koch, Ackermann, Merkel usw. wünschen sich ebenfalls mehr Demokratie und „Reformen“.
Hartz IV ist für sie eine „Reform“, ebenso die Privatisierung des öffentlichen Eigentums, Ein-Euro-Jobs, der allgemeine Sozialabbau, die Erhöhung des Renteneintrittsalters, das militärische Engagement in Afghanistan und anders wo, das Herauszögern des Atomausstiegs, die Verweigerung, einen armutsfesten Mindestlohn in allen Branchen durchzusetzen, oder eine armutsfeste Rente. Unter „Reformen“ verstehen sie auch den teilweisen Abbau des Betriebsverfassungsgesetzes, der betrieblichen Mitbestimmung, die Aufweichung des Kündigungsschutzes, die Legalisierung von Massenentlassungen, Einschränkungen beim Demonstrationsrecht.
Das Demokratie- und Reformverständnis der „herrschenden Eliten“, der Kapitalisten und Militaristen, deckt sich nicht mit meinen Vorstellungen von einem demokratischen Staat. Auch ich bin in mehrfacher Hinsicht ein „Dissident“, ein „Abweichler“, weil ich zum Beispiel gewisse Staatsdoktrinen nicht teilen kann und auch niemals teilen werde. So lehne ich unter anderem folgende Doktrinen strikt für mich ab, weil sie unwissenschaftlich sind und auch von den herrschenden Eliten gegen freiheitsliebende, demokratisch gesinnte Bürgerinnen und Bürger regelrecht missbraucht werden – und zwar gegen unsere eigenen Interessen.

Zu den von mir abgelehnten Doktrinen gehört unter anderem die Totalitarismusdoktrin, die in erster Linie als Kampfbegriff gegen Linke eingesetzt wird, dazu gehört auch der Antisozialismus und Antikommunismus, die Doktrin (eher das Dogma), dass Wirtschaftswachstum, also die jährliche Erhöhung des Bruttoinlandproduktes, per se was Gutes und Erstrebenswertes sei). Auch die amerikanische oder deutsche Regierung wünscht sich mehr Demokratie, zum Beispiel in Afghanistan. Beide Regierungen versuchen, ihre Vorstellung von „Demokratie“ mit allen Mitteln zu erzwingen, auch mit Bomben – selbst auf das Risiko hin, dass dabei auch Kinder, Greise, Frauen und andere Zivilpersonen ihr Leben verlieren. Jeder, der sich aktiv und sehr engagiert einem solchen konservativen, ja sogar rückwärts gewandten Demokratieverständnis entgegenstellt, ist aus Sicht der herrschenden Eliten ein Dissident! Wir brauchen viel mehr Dissidenten, überall! Ja-SagerInnen, MitläuferInnen und AbnickerInnen haben wir schon viel zu viele!
Oder kürzer formuliert: Demokratisch gesinnte „Dissidenten“ sollten wir überall auf der Welt unterstützen- nicht nur in China. Alles andere werte ich als eine pure Heuchelei von interessierten Kreisen, die hier ihr eigenes Süppchen kochen wollen- auf Kosten der Betroffenen, der „abhängig Beschäftigten“!

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 30. Juni 2011 um 13:07 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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