Wolfgang Huste Polit- Blog

Vertreter gegen das Volk. Von Heike Schrader, Athen

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Mit dem zweiten Tag eines 48stündigen Generalstreiks, dem vierten seit Beginn des Jahres, haben sich auch am gestrigen Mittwoch Millionen Griechen gegen die Verabschiedung eines neuen Pakets von Steuererhöhungen, Einkommenskürzungen und den Ausverkauf sämtlicher öffentlicher Unternehmen protestiert. Dabei demonstrierten am Mittwoch wie bereits am Vortag auch Tausende Mitglieder der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME in Athen. Gleichzeitig scheiterte ein Versuch der viele tausend Menschen umfassenden Bewegung der »Empörten«, die Abgeordneten durch eine Umzingelung des Parlamentes von der Abstimmung fernzuhalten. Die Polizei sorgte durch weiträumige Absperrungen dafür, daß die Zugänge zum Gebäude für die »Volksvertreter« freigehalten wurden. In der Folge kam es auch gestern zu stundenlangen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen kleineren Gruppen vermummter Demonstranten und der Polizei, die flächendeckend Tränengas einsetzte und sowohl gewalttätige als auch friedliche Demonstranten vom Platz vertrieb. Straßenschlachten geringeren Ausmaßes hatte es bereits am Dienstag nachmittag und in den späten Abendstunden gegeben.

Die an Deutlichkeit nicht zu überbietende Botschaft der Bevölkerung wurde von den Regierenden ignoriert. Mit den Stimmen von 154 der 155 Parlamentarier der sozialdemokratischen Regierungspartei PASOK sowie einer Abweichlerin aus den Reihen der konservativen Nea Dimokratia verabschiedete man am Nachmittag einen weiteren Baustein jener Politik, die Griechenlands Binnenwirtschaft bereits ruiniert, die Arbeitslosigkeit auf 16 Prozent getrieben und die Staatsschulden weiter erhöht hat. Aus den Reihen der PASOK verweigerte lediglich der Abgeordnete Panagiotis Kouroumplis den Kürzungen seine Zustimmung. Er wurde daraufhin sofort aus der Fraktion ausgeschlossen, bleibt aber als unabhängiger Abgeordneter im Parlament. Alle anderen als »Abweichler« geltenden Abgeordneten der Regierungspartei hatten sich dem teilweise in persönlichen Gesprächen mit führenden Regierungsmitgliedern bis zur letzten Minute ausgeübten Druck gebeugt und stimmten dem Kürzungspaket zu.

Die Parlamentarier der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und der Linksallianz stimmten dagegen, ebenso die Abgeordneten der rechtspopulistischen Partei LAOS. Die Abgeordneten der von Nea-Dimokratia-Aussteigerin Dora Bakogianni gegründeten Demokratischen Allianz enthielten sich der Stimme.

Gewinner dieses neuen Deals zwischen griechischer Regierung, EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind die Finanzmärkte, deren Kurse bereits vor der Abstimmung in Erwartung der parlamentarischen Verabschiedung angezogen hatten. EU und IWF hatten die Verabschiedung des Pakets zur Bedingung sowohl für die Auszahlung der fünften Rate bereits gewährter Kredite als auch für die Bereitstellung neuer Milliardendarlehen gemacht. Das Geld braucht Ministerpräsident Papandreou dringend, um alte Schulden bei eben jenen Gläubigern begleichen zu können. Die durch diese Politik in massenhafte Verarmung getriebene Bevölkerung wird davon keinen Cent sehen. Daß die Proteste abflauen, ist deswegen kaum zu erwarten. Daß sie aufgrund der totalen Ignoranz »der da oben« an Stärke, aber auch an Gewalttätigkeit zunehmen werden, eher.

Quelle: www.jungewelt.de vom 30.06.11

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 30. Juni 2011 um 10:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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