Kaum stellen die Grünen in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten, schon gehen die Bauarbeiten am Stuttgarter Hauptbahnhof weiter. Die Landesregierung habe darauf verzichtet, einen Antrag auf Baustopp zu stellen, erklärte Volker Kefer, Technik-Vorstand der Bahn AG, am Freitag nach einer Sitzung des Lenkungsausschusses von Bahn und Landesregierung. Die Bauarbeiten würden am kommenden Dienstag wieder aufgenommen, teilte das Unternehmen später mit. Die Arbeiten sollten zunächst für das geplante Technikgebäude am Nordflügel fortgesetzt werden. Weitere Schritte würden am Mittwoch bekanntgegeben.
An der Sitzung des Lenkungsausschusses hatten nach Agenturberichten u.a. Bahn-Chef Rüdiger Grube, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) und Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) teilgenommen.
Grube hatte vor wenigen Tagen angeboten, den Baustopp bis zu dem für Mitte Juli vorgesehenen Ende des »Streßtests« zu verlängern – allerdings unter der Bedingung, daß die Landesregierung die aufgrund dieser Verzögerung entstehenden Kosten übernimmt. Das wären nach Angaben der Bahn AG zwischen 50 und 60 Millionen Euro. Für einen Baustopp bis zu dem für Oktober zu erwartenden Volksentscheid, den die Grünen im Wahlkampf versprochen hatten, würden Kosten von etwa 410 Millionen Euro auflaufen. Noch zu Wochenbeginn hatten Insider der Verhandlungen davon gesprochen, daß sich beide Seiten die bis Mitte Juli auflaufenden Kosten teilen könnten.
Am Freitag jedoch erklärte ein Sprecher der Landesregierung, sie habe im Lenkungsausschuß lediglich die Erwartung ausgeprochen, daß der Baustopp bis Ende des »Streßtests« verlängert wird. »Ein Antrag hätte bedeutet, daß sich das Land an den Kosten hätte beteiligen müssen.« Es liege jetzt in den Händen der Bahn, ob weitergebaut wird. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte noch am Donnerstag verlangt, die Bahn AG müsse ihre Berechnungen und Forderungen schriftlich untermauern.
Das allerdings hatte die Bahn AG offenbar nicht für nötig gehalten. Verkehrsminister Hermann warf dem Unternehmen nach der Sitzung vor, auch am Freitag keinerlei Belege für ihre Forderungen vorgelegt zu haben. »Wir als Landesregierung haben keinen Baustopp beantragt, weil wir als Voraussetzung dafür erst mal eine Kostenrechnung haben müssen, die glaubwürdig ist, die nachvollziehbar ist, die man auch akzeptieren kann.«
Noch im Wahlkampf hätten die Grünen gegen das Projekt »Stuttgart 21« als Zehn-Milliarden-Grab gewettert, kritisierte in Berlin der stellvertretende Fraktionschef der Linken, Ulrich Maurer. Die Grünen hätten bereits kurz nach der Regierungsübernahme ihre Wähler verraten.
Die Stuttgarter »Parkschützer« hingegen begrüßten, daß die Landesregierung nicht auf die Erpressungs- und Ablenkungsmanöver der Bahn hereingefallen sei. Matthias von Herrmann, Sprecher der Protestgruppe, erklärte: »Die Bahn baut seit Wochen überall da weiter, wo es geht und wo sie Auftragnehmer findet. Alle Bauabschnitte, die keine Baufirma übernehmen will, bezeichnet die Bahn hingegen als ›Baustopp‹. Für dieses Planungschaos auch noch Millionen Steuergelder kassieren zu wollen, ist einfach nur dreist.« Nun sei es Aufgabe der Bundesregierung, Bahn-Chef Grube zur Vernunft zu bringen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.06.11
Die geplanten Massenblockaden am Atomkraftwerk Brokdorf finden nicht an Pfingsten statt. Weil der AKW-Betreiber E.on den Beginn der zunächst für dieses Wochenende angekündigten Revisionsarbeiten auf den 15. Juni verlegte, verschob auch die Initiative »X-tausendmal quer« ihre Blockadeaktion um eine Woche nach hinten. Sie beginnt nun am 18. Juni. Die Kampagne »Block Brokdorf«, die ebenfalls an diesem Wochenende mit einer Blockade beginnen wollte, sagte die Aktion ganz ab. Eine für Sonntag (12. Juni) angekündigte Demonstration in Brokdorf soll aber stattfinden.
Nach dem ursprünglichen Plan von E.on sollte das AKW Brokdorf ab Pfingstsamstag für die Jahresrevision vom Netz gehen. Am Mittwoch teilte der Konzern mit, die Arbeiten am Kraftwerk würden erst am 15. Juni beginnen. Offiziell wurden dafür »organisatorische und energiewirtschaftliche« Gründe angegeben.
Das mögen die Atomkraftgegner nicht glauben. »Die angekündigten Blockaden haben den Atomkonzern unter Druck gesetzt«, erklärte am Mittwoch »X-tausendmal quer«-Sprecherin Luise Neumann-Cosel. Offenbar scheue E.on den öffentlichen Konflikt um die Atomenergie und versuche, die gewaltfreie Blockade des AKW zu verhindern. Deswegen sollen die Blockaden nun am 18. Juni beginnen.
»Block Brokdorf“ ruft nun zur Beteiligung an der Demo auf, die am Pfingstsonntag um 12 Uhr in der Nähe des AKW beginnt und in eine Umzingelung des Kraftwerksgeländes münden soll. Im vorbereiteten Blockade-Camp könne zudem mit Gleichgesinnten über die weiteren Perspektiven des Widerstandes diskutiert werden, hieß es. Als Alternative für Pfingsten wird zudem eine Fahrt ins Wendland empfohlen. Dort laufen ab dem Wochenende allerlei Protestaktionen rund um die Atomanlagen
Quellen: www.gorleben-versalzen.de und www.jungewelt.de vom 10.06.11
Von einer plötzlichen und gravierenden Eskalation der NATO-Luftangriffe auf Libyen sprach am Mittwoch die New York Times. Die Attacken begannen am Dienstag und dauerten bis in die Morgendämmerung am Mittwoch. Dabei ist die NATO mit 80 Bombenabwürfen zu einer Art Flächenbombardement übergegangen. Mitten in der 2,5 Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Tripolis wurde u.a. ein großes Areal mit angeblich »legitimen militärische Zielen«, nämlich etlichen Regierungsgebäuden und einem VIP-Gästehaus, in Schutt und Asche gelegt. Nach libyschen Angaben sind bei den Angriffen mindestens 31 Menschen getötet worden, darunter eine noch unbekannte Zahl von Zivilisten. Militärisch waren die Angriffe sinnlos, und auch politisch. Denn noch während die NATO-Bomben fielen, versprach Revolutionsführer Muammar Al-Ghaddafi in einer Radioübertragung, die westlichen Angreifer bis zu seinem Tod zu bekämpfen.
Derweil trafen sich ab Mittwoch in Brüssel die Kriegsminister der »größten und erfolgreichsten Friedensorganisation der Welt« – so das NATO-Selbstlob – zu ihrer Frühjahrstagung. Neben dem strittigen US-Raketenabwehrprogramm in Europa und der sich abzeichnenden Niederlage in Afghanistan haben sich die Minister mit dem jüngsten Krieg beschäftigt, den sie in Nordafrika vom Zaun gebrochen haben. Derweil berichten US-amerikanische (z.B. Washington Post) und europäische Medien (z.B. ARD-Tagesschau), wegen des Libyen-Kriegs gebe es zunehmende »Ermüdungserscheinungen im Bündnis«, insbesondere in Großbritannien, Frankreich und Italien, wo sie sich in verstärkten Protesten äußern.
Ursprünglich hatte die NATO geglaubt, mit ein paar Bombardements die unterschiedlichen Kräfte in Libyen hinreichend aufzurütteln, um Ghaddafi zu stürzen. Der aber scheint sich im Westen des Landes, insbesondere in Tripolis, immer noch beachtlicher Unterstützung zu erfreuen. Daran haben auch die bisher 4000 NATO-Angriffe nichts geändert. Bei den Attacken sollen nach Angaben von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen 1800 angeblich »legitime militärische Ziele« zerstört worden sein.
Die nächste Stufe der Eskalation durch die USA ist der Einsatz unbemannter Killer-Drohnen gegen libysche Ziele. Großbritannien und Frankreich werfen Kampfhubschrauber in die Schlacht, die den Rebellen beim Vorrücken gegen die Regierungstruppen bessere Luftunterstützung geben sollen. Aber auch das hat die erhoffte Frontverschiebung in Richtung Tripolis bisher nicht gebracht, denn die Aufständischen lassen lieber die NATO bomben, als daß sie ihr eigenes Leben im Kampf riskieren. Im Bodenkrieg ist somit eine Pattsituation entstanden.
Um eben dieses Patt zu überwinden, hat die NATO die Bombardierungen intensiviert. »Bombenexplosionen ohne Ende«, titelte die Los Angeles Times. Dieser verbrecherische Rundumschlag ist zwar militärisch sinnlos, denn die wichtigen Ziele sind längst zerstört, aber er dient der psychologischen Kriegführung. Das Ziel bleibt, die immer noch loyale Bevölkerung von Tripolis derart zu terrorisieren, daß sie Ghaddafi endlich davonjagt. So tötet die NATO inzwischen täglich mehr Zivilisten, als vorher im Kreuzfeuer der verfeindeten Bürgerkriegsparteien gestorben sind. Erfahrungen aus vergangenen Kriegen zeigen jedoch, daß unter dem Bombenhagel fremder Mächte die Bevölkerung sich eher enger um die eigene Führung schart.
Die Optionen der NATO werden geringer. Zwar hat der britische Außenminister am Mittwoch erklärt, die Allianz könnte bis Weihnachten und länger weiterbomben, aber die militärischen Ziele gehen aus. Daher besteht die Gefahr, daß als nächstes die zivile Infrastruktur, also Brücken, Elektrizitäts- und Wasserwerke, etc. zu »legitimen militärischen Zielen« erklärt werden. So wie 1999 in Belgrad und davor im Irak. Für die NATO wäre es jedoch eine politische Katastrophe, wenn sie den Westen Libyens gänzlich zerstören würde, um ihn für die Rebellen zu »befreien«. Große internationale Proteste würden nicht ausbleiben.
Könnten daher die aktuellen Bemühungen Rußlands, zwischen den Aufständischen in Bengasi und der Regierung in Tripolis einen Waffenstillstand herbeizuführen, der NATO aus der Sackgasse helfen? Wohl kaum, denn für die Kriegsherren in Brüssel, die von Anfang an statt auf Verhandlungen auf Gewalt gesetzt haben, wäre ein russischer Erfolg eine riesige Blamage (siehe unten). Als rettender Ausweg für die Allianz bleibt daher nur noch eine Bodeninvasion, weshalb Moskau die NATO immer nachdrücklicher genau davor warnt.
Der Gedanke, mit in Irak und Afghanistan erprobten Soldaten die eher dilettantisch wirkenden Kräfte Ghaddafis schnell zu besiegen und auf diese Weise das Gesicht des Westens zu wahren und vom eigentlichen Versagen der NATO abzulenken, dürfte den Kriegsherren in Brüssel sehr verlockend erscheinen. Andererseits: Auch die Kämpfe in Afghanistan und in Irak sollten ja ganz schnell vorbei sein.
Quelle: www.jungewelt.de vom 10.06.11
Der geplante Ausstieg aus der Atomkraft bis 2022 wird nach Auffassung von Klimaforschern und Ökonomen weder den Ausstoß von Treibhausgasen erhöhen noch die Strompreise. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung und der Uni Leipzig. So werde es preislich kaum einen Unterschied machen, ob zusätzlich neue Kohle- oder Gaskraftwerke gebaut werden. „Der Ersatz der Kernkraftwerke durch Gas- statt durch Kohlekraftwerke wirkt sich annähernd gleichwertig auf die Strompreise aus“, heißt es in der Studie, die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung gefertigt wurde, wie die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitagausgabe) berichtet.
Tokio. Der japanische AKW-Betreiber Tepco will radioaktiv verseuchtes Wasser aus dem Atomkraftwerk Fukushima 2 ins Meer leiten. Es gehe um rund 3000 Tonnen »leicht verstrahlten Wassers«, das bei dem Tsunami Mitte März in die Atomanlage geschwappt war, wie ein Unternehmenssprecher am Mittwoch sagte. Fukushima 2 liegt rund zehn Kilometer vom Unglückskraftwerk Fukushima 1 entfernt am Pazifik. Es war bei der Naturkatastrophe am 11. März teilweise überflutet worden. In den Gebäuden sammelte sich Meerwasser an. Das Wasser werde vor der Einleitung ins Meer größtenteils dekontaminiert, so der Sprecher.
Quelle: (AFP/jW) www.jungewelt.de vom 09.06.11
Anmerkung von Wolfgang Huste: „Es ist unverantwortlich und aus meiner Sicht ein krimineller Akt, wenn die Firma Tepco das radioaktiv verseuchte Wasser ins Meer abfließen läßt. Nun gelangen diese radioaktiv strahlenden Teilchen in die Nahrungskette. Durch die Meeresströmungen werden diese Teilchen auch in den Atlantik gelangen und dann in Form von Fischen auf unseren Teller. Jede zusätzliche Strahlung erhöht das Risiko an Krebs zu erkranken um ein Mehrfache. Eine Verdünnung dieser Teilchen im Meerwasser ist nicht möglich, auch, wenn willfährige PolitikerInnen anderes behaupten.“
„Es ist ungeheuerlich, dass Daniel Bahr sich in seinem Ministersessel zurücklehnt und die überfällige Reform der Pflegeversicherung unter dem fadenscheinigen Vorwand gut gefüllter Kassen verschleppt. Pflegende, Pflegebedürftige und deren Angehörige enttäuscht er damit auf ganzer Linie. Sie interessiert vor allem, ob die vielen Probleme in der Pflege endlich angegangen werden“, kommentiert Kathrin Senger-Schäfer die Äußerungen des Bundesgesundheitsministers zur geplanten Verschiebung der Pflegereform auf 2012. Die pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:
„Spätestens seit den von seinem Amtsvorgänger Philipp Rösler medienwirksam inszenierten Pflegedialogen müsste eigentlich auch dem neuen Gesundheitsminister klar sein, was zur Verbesserung der Pflege notwendig ist: Der neue Pflegebegriff muss endlich umgesetzt, die Pflegeleistungen verbessert und ausreichend finanziert werden. Um den Pflegnotstand anzugehen braucht es eine Attraktivitätssteigerung der Pflegeberufe. Zudem müssen berufstätige Angehörige ohne erhebliche finanzielle Einbußen die Pflege für ihre Nächsten organisieren können. Einen Ombudsmann für Bürokratieabbau in der Pflege zu berufen, wie Bahr es jetzt vorhat, wird da nicht ausreichen. Mit Bürokratieabbau allein lassen sich die Herausforderungen der Pflege nicht meistern, zumal sich solche Ombudsleute nur allzu oft als zahnlose Tiger erweisen.
Grundlage für die dringend notwendigen Verbesserungen muss eine stabile, gerechte und solidarische Finanzierung der Pflegeversicherung sein. Die aber will Bahr nicht. Die FDP setzt knallhart auf Kapitaldeckung und schließt Beitragserhöhungen bei der gesetzlichen Pflegeversicherung kategorisch aus. Die Union ist zwar ebenfalls eine Verfechterin der Kapitaldeckungsidee, versucht aber, den marktradikalen Ansatz des Koalitionspartners zu kaschieren – wohl wissend, dass es in der Bevölkerung keine Mehrheit dafür gibt, dass Pflege immer mehr vom eigenen Geldbeutel abhängig wird. Dieser Zwist scheint der wahre Grund dafür zu sein, dass die Koalition die Reform auf die lange Bank schiebt.“
Quelle: Büro Senger-Schäfer
Die Abschaltung von acht Alt-AKWs ist ein großartiger Erfolg der Anti-Atom-Bewegung. Es ist angesichts der erst im Oktober 2010 von Schwarz-Gelb beschlossenen Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke bis in die Mitte des Jahrhunderts durchaus ein großer Schritt der Koalition, dass sie jetzt einen Ausstieg bis 2022 ins Auge fasst. Doch weder werden damit die realen Möglichkeiten ausgenutzt noch wirklich die Weichen für eine Energiewende gestellt, die alle Bürgerinnen und Bürger mitnimmt. Die Atomkehrtwende von Union und FDP wird dem Willen der Bevölkerung nach einem schnellstmöglichen Ausstieg aus der Risikotechnologie nicht gerecht.(Gregor Gysi: http://www.linksfraktion.de/nachrichten/atomkehrtwende-kein-ausstieg/)
Darum muss der Kampf, gemeinsam mit der Anti-Atom-Bewegung, für eine ökologische und soziale Energiewende weitergehen – im Parlament und auf der Straße!
DIE LINKE ruft auf zur Großdemonstration in Brokdorf am 12. Juni 2011 ab 12 Uhr (zum Aufruf: http://www.die-linke.de/politik/themen/schlussmitatomkraft/). Die Demonstration und anschließende Kundgebung am Tschernobyl-Gedenkstein mit Umzingelung des AKWs Brokdorf bilden den Auftakt zu den Aktionstagen gegen Atomkraft. Nach der Demonstration am Sonntag wird es weiterhin am Atomkraftwerk Brokdorf Proteste und Blockaden geben, um ein kraftvolles Zeichen für den sofortigen Ausstieg zu setzen.
DIE LINKE / Linksfraktion im Bundestag sammelt sich zum eigenen Demo-Block (erkennbar an Fahnen, Luftballons und dem Bus) an der Bundestraße 431/Ecke Großwisch am 12. Juni um „6 vor 12.00 Uhr“ (25599 Wewelsfleth, Henneke-Wulf-Str./Ecke Groß- und Kleinwisch sowie B 431) – gemeinsam wollen wir uns mit den Bundestagsabgeordneten Cornelia Möhring und Dorothée Menzner sowie Abgeordneten der LINKEN aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrheinwestfalen an der Demonstration und Umzingelung beteiligen. Bitte bringt Fahnen und Transparente mit, damit wir wieder als LINKE erkennbar sind.
Ein Anlaufpunkt für DIE LINKE und die Linksfraktion ist von Samstag bis mindestens Dienstag auf dem Protest-Camp in St. Margareten eingerichtet. Dort gib es Informationen sowie kalte und warme Getränke. Durchgängig besetzt ist der Stand von Samstag bis zum Beginn der Demonstration und an den folgenden Tagen immer bis 11 Uhr morgens, danach kann es sein, dass unser Info-Team mobil unterwegs ist. Wir sind aber immer erreichbar unter: 0176 62890775.
Am Samstag, dem 11.6. um 20 Uhr wird es am Infostand ein Treffen der LINKEN geben, um sich mit Material und Informationen für die folgenden Tage zu versorgen und mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Weitere Informationsveranstaltungen über das LINKE Atomausstiegskonzept, Diskussionen über linke Perspektiven der Anti-AKW Kämpfe werden an den Folgetagen stattfinden – abhängig von den Protestaktivitäten werden wir diese vom Camp an die Orte des Protestes legen. Informationen über Zeitpunkt und Ort gibt es am Infopoint.
Es werden auch noch Genossinnen und Genossen gesucht, die am Infopunkt aushelfen wollen. Meldet Euch bitte direkt am Infopunkt oder unter unserer Infonummer: 0176 62890775
Anreise: Informationen zur Anreise mit Bus (Baden-Württemberg, Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen) und Bahn findet ihr unter: http://block-brokdorf.org/index.php/anreise oder unter https://www.x-tausendmalquer.de/index.php?id=110 .
Zudem wird es vor Ort noch verschiedene Shuttle zur Demonstration geben; wem es möglich ist, wird die Mitnahme eines Fahrrades empfohlen, da es von den Bahnhöfen zur Demonstration doch weit sein kann und je nach Andrang die Transportkapazitäten begrenzt sind.
Bei Nachfragen zum Wochenende wendet Euch an Corinna Genschel 0176 62890775 oder Christoph Kröpl 030 24009345
Weitere Informationen zum Thema Atomkraft zur Arbeit vor Ort.
– „Strahlenproletariat in deutschen Atomkraftwerken“ nach einer Anfrage von den Mdb´s Krellman/Menzner http://www.linksfraktion.de/nachrichten/strahlenproletariat-deutschen-atomkraftwerken/
– Aktuelles Argument unser Bundestagfraktion zum Thema: http://dokumente.linksfraktion.de/110531-atom.pdf
– Unser Konzept zum Atomausstieg http://www.linksfraktion.de/positionspapiere/sieben-schritte-unverzueglichen-unumkehrbaren-atomausstieg/
Dieses kann nun ab dem 9. Juni auch als Folder bei der Bundestagfraktion bestellt werden wie immer über das Versandportal http://versand.linksfraktion.net, Benutzer/in: Material, Kennwort: DieLinke2007
– Aufruf zur Demonstration in Brokdorf: http://www.die-linke.de/fileadmin/download/druckvorlagen/110612__kopiervorlage_brokdorf_anti_atomkraft.pdf
– Druckvorlage „Atomkraftwerke abschalten – die ökologisch soziale Energiewende einleiten!“ http://www.die-linke.de/fileadmin/download/druckvorlagen/110519_kopiervorlage_anti_atomkraft.pdf
– Gesine Lötzsch zu den Forderungen der Atomkonzerne http://www.die-linke.de/fileadmin/download/audio/pressekonferenzen/110601_loetzsch_statement_klhaus.mp3
„Die Legende vom Menschenrechtsexport nach Saudi-Arabien hat sich zerschlagen:
Der Einsatz der Bundespolizei in der feudalen Diktatur umfasst auch die Ausbildung an Kriegswaffen“, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, zur Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 17/5846). Jelpke weiter:
„Allein in der Nordregion Saudi-Arabiens bildet die Bundespolizei 2.800 Grenzschützer im Umgang mit dem Sturmgewehr G 3 aus. Das ,Modul Waffenhandhabung‘ umfasst Kurse von 15 Unterrichtseinheiten zu je 40 Minuten und soll die Grenzschützer befähigen, die Waffen ,auch in körperlich und geistig anspruchsvollen Situationen handlungssicher zu handhaben‘, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Die Kurse werden von Saudis geleitet, die von der Bundespolizei zu Multiplikatoren ausgebildet wurden.
Die Ausbildungstätigkeit der Bundespolizei erweist sich mithin keineswegs als harmlose Vermittlung moderner und rechtsstaatlicher Führungsgrundsätze, wie bisher von offizieller Seite dargestellt. Es handelt sich vielmehr um direkte Unterstützung für die Sicherheitskräfte eines Feudalclans, der mit Waffengewalt sowohl gegen demokratische Proteste in den Nachbarländern – wie Bahrein – als auch im eigenen Land vorgeht. Aus der Antwort der Bundesregierung geht eindeutig hervor, dass sie keinerlei Einfluss darauf hat, ob die mit deutscher Hilfe an der Waffe ausgebildeten Grenzschützer auch im Inneren des Landes eingesetzt werden.
Skandalös ist auch, wie sehr die Bundespolizei dazu missbraucht wird, ein Exportgeschäft des EADS-Konzerns durchzusetzen. Bei dem Milliardenprojekt des Rüstungskonzerns und dem Einsatz deutscher Polizisten handelt es sich um zwei Seiten der gleichen Medaille. Anders als bisher dargestellt werden keineswegs sämtliche, auslandsbedingten Mehrkosten‘ von Saudi-Arabien übernommen. Für die Mietkosten des Projektbüros in Riad, für Fahrzeuge und technische Ausstattung hat die Bundespolizei bislang knapp 900.000 Euro ausgegeben, die sie weder von Saudi-Arabien noch von EADS zurückbekommt. Das ist eine schlecht kaschierte Subventionierung eines Multikonzerns.
Das Projekt wurde bereits im Frühjahr 2007 geplant, also noch zur Zeit der großen Koalition.
Ein Schulungsangebot der Bundespolizei ging Ende 2007 an das saudische Innenministerium. Der ganze Vorgang zeigt, dass Auslandseinsätze der Bundespolizei unter ein Parlamentsmandat gestellt werden müssen.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll das deutsche Polizeiengagement in der Nordregion Saudi-Arabiens noch bis Juni 2012 dauern. In anderen Regionen ist eine Projektlaufzeit von fünf Jahren angestrebt. Aus Sicht der LINKEN ist der Einsatz der Bundespolizei ein Verrat an den Menschenrechten und ein Affront gegen die arabischen Demokratiebewegungen. Er ist schnellstens zu beenden.“
Die Antwort der Bundesregierung kann auf meiner Homepage heruntergeladen werden.
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Ulla Jelpke, MdB
Innenpolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE.
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel:(030) 227-71253
Fax:(030) 227-76751
Mail:ulla.jelpke@bundestag.de
Web: http://www.ulla-jelpke.de
http://www.linksfraktion.de
Der Aachener Karlspreis, traditionell an Himmelfahrt übergeben, geht 2011 an den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. In der Begründung des Direktoriums der Gesellschaft für die Verleihung der nach Karl dem Großen benannten Auszeichnung heißt es, Trichet habe »herausragende Verdienste um den Zusammenhalt der Währungsunion und den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes als Grundstein unseres Wohlstands und sozialer Sicherheit« vorzuweisen. Wir veröffentlichen, leicht gekürzt, eine Rede von Lucas Zeise auf der vom Aachener Antikriegsbündnis organisierten Gegenveranstaltung zwei Tage vor der Preisverleihung.
Es gibt viele Gründe, warum wir sagen können, daß Jean-Claude Trichet den Karlspreis verdient hat, den er übermorgen in dieser Stadt in Empfang nehmen wird. Diesen Preis erhalten Jahr für Jahr Personen – manchmal auch Institutionen –, die an der Schaffung eines reaktionären und unsozialen Europa mitgewirkt haben. Den Preis gibt es schon lange. Schon viele Karlspreisträger haben aktiv an der Schaffung eines solchen EU-Europa mitgewirkt, das man vielleicht am besten vergleichen kann mit dem Europa nach dem Wiener Kongreß, das von der katholisch-reaktionären Allianz von Kaiser, Königen und Fürsten unter Führung des Österreichers Metternich gegen die Völker Europas errichtet wurde. Man kann den Karlspreisträgern gratulieren. Sie sind schon ganz schön weit mit der Errichtung eines undemokratischen Metternich-Europas gekommen.
Ohne Zweifel reiht sich der diesjährige Preisträger, der Präsident der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet, würdig in die Liste dieser Reaktionäre ein. Er hat diese Ehrung in zwiefacher Weise verdient. Erstens ad personam. Die Konservativen schmücken ihre Reden gern mit lateinischen Ausdrücken, um den Plebs – also das Volk – zu verwirren und zugleich zu beeindrucken. Ein bißchen wollen wir es auch so halten. Also erstens ad personam – das soll hier heißen Herr Trichet hat den Preis auch ganz persönlich verdient. Er war und ist mit vollem Engagement »konservativer Zentralbanker«. Dieser Ausdruck ist nicht, wie man vermuten könnte, nur eine politische Charakterisierung. Es ist sozusagen ein Fachausdruck und zugleich ein Wort der Anerkennung unter Gleichen, die ebenfalls aus diesem harten konservativen Holz geschnitzt sind.
In deutscher Tradition
Der konservative Zentralbanker ist einer, der im Zweifelsfall lieber restriktiv handelt, der lieber die Zinsen anhebt als senkt, der lieber eine Rezession in Kauf nimmt, als auch nur ein Fitzelchen Inflation zuzulassen, der höhere Löhne prinzipiell für verwerflich hält und für den Staatsausgaben, gar solche für Soziales, immer zu hoch sind. Die Figur des konservativen Zentralbankers bedeutet allerdings auch, daß ein solcher aufrechter Mann nicht weiß, was er tut. Er nimmt die oben skizzierten Haltungen ein, weil er keine vernünftige ökonomische Theorie zur Verfügung hat, anhand der sich beurteilen ließe, welche Geldpolitik er betreiben soll. Der konservative Zentralbanker ist also zutiefst ignorant – lateinisch für ahnungslos–, nimmt aber gerade deshalb eine entschlossene, ja stramme Haltung ein.
Trichet hat sich persönlich zu dieser Haltung bekannt. Und zwar zur härtesten Tradition des konservativen Notenbankertums, der deutschen Tradition. Vor bekennendem konservativen Publikum zeigt er kalkuliert Rührung, wenn er erzählt, wie die Herren Helmut Schlesinger (Chefvolkswirt der Bundesbank bis 1991, danach ihr Präsident) und Hans Tietmeyer (Präsident der Deutschen Bundesbank von 1993 bis zur Währungsunion 1999) ihn, den Weichwährungsfranzosen, in Schlesingers hübscher Villa am Tegernsee in den Bund der Hardliner aufgenommen und sozusagen adoptiert hatten. Nur noch ein Wort über diese beiden: Schlesinger hat 1992, im selben Jahr, als die Währungsunion in Maastricht beschlossen wurde, keine Hemmungen gezeigt, durch extrem hohe Zinsen und scharfe Worte die italienische Lira und das britische Pfund aus dem damaligen Wechselkurssystem in Europa herauszukatapultieren. Tietmeyer war 1982 der böse Geist hinter dem Lambsdorff-Papier, das mit seinem neoliberalen Programm die sozialliberale Regierung sprengte und die schwarz-gelbe Koalition unter Helmut Kohl installierte. Heute ist der Mann Kuratoriumsvorsitzender bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, der Propagandamaschine der Metallunternehmer.
Jean-Claude Trichet bekennt sich zu dieser deutschen Tradition, derzufolge die Löhne und Sozialleistungen nicht niedrig genug, die Gewinne der Unternehmen aber nicht hoch genug sein können. Ohne ein solches Bekenntnis hätte er nicht Chef der Europäischen Zentralbank werden können. Um zu zeigen, daß Trichets Bekenntnis zu dieser Tradition keine hohle Phrase, sondern bitterer Ernst ist, hier eine Episode aus der Anfangsphase der Finanzkrise:
Frühjahr 2008. Die Finanzkrise ist etwa neun Monate alt. Der Geldmarkt streikt. Die Banken werden, damit sie nicht umkippen, von der Europäischen Zentralbank direkt mit soviel Geld versorgt, wie sie es brauchen. Die amerikanische Notenbank Fed hat die Zinsen mehrfach gesenkt. Großbanken wie die amerikanische Citibank (damals die größte Bank der Welt) oder die Schweizer UBS (damals und auch heute wieder der größte Vermögensverwalter der Welt) sind dem Untergang nahe. Die Fed verschenkt die New Yorker Investmentbank Bear Stearns, die praktisch pleite ist, samt einer erheblichen Mitgift aus Garantien. Die IKB falliert und wird vom deutschen Staat aufgefangen. Die USA haben schon ein Rezessionsquartal hinter sich. Zugleich aber steigen die Rohstoffpreise. Die Preise für Energie schieben die Inflation in Deutschland über drei Prozent. Die Lage ist der jetzigen nicht unähnlich. Da ergreift der damalige Präsident der Bundesbank, Axel Weber, die Initiative. Er warnt, er trommelt, er raunt. Auch Weber weiß, daß die Sprünge der Rohstoffpreise zu einem Gutteil von spekulativem Fluchtgeld aus Subprime-Krediten verursacht werden. Er weiß, daß steigende Ölpreise nicht mit höheren Zinsen in Europa bekämpft werden können. Er weiß auch und hat das schon in vielen Reden selber gesagt, daß die Inflation, wenn überhaupt, nur im Vorfeld von einer vorausschauenden Notenbank effektiv bekämpft werden kann, nie jedoch hinterher. Dennoch kämpft Weber im EZB-Rat und außerhalb für eine Leitzinserhöhung. Was macht Trichet? Er folgt, wie er es versprochen hat, den Forderungen des Deutschen. Im Juli hat Weber sein Ziel erreicht: Die Länder der Währungsunion starten im Sommer 2008 in die tiefste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten dank Webers Einsatz und Trichets Folgsamkeit mit einer geldpolitischen Bremsmaßnahme. Eine Verrücktheit. (…)
Heiliger Kapitalverkehr
Nun wird Herr Trichet diesen ehrenvollen Karlspreis nicht nur persönlich erhalten, weil er – wie die Italiener sagen – eine »bella figura« macht, wenn er den EU-Parlamentariern, den Presseleuten und den Bankern die weisen Entschlüsse des Rates der Europäischen Zentralbank verkündet. Nein, Trichet erhält den Preis auch stellvertretend für die Institution, der er vorsteht. Wir sind sicher, daß wir die ehrenwerte Jury richtig interpretieren, wenn wir feststellen: Sie gratuliert sich selbst und allen standhaften Konservativen und zugleich Neoliberalen für die grandiose Einrichtung Europäische Zentralbank und die brillante Erfindung und Einrichtung des Euro. Der Euro hatte diesen Preis ja schon einmal – im Jahr 2002 – erhalten. Damals war die Währung noch jung und frisch. Sie war nach drei Jahren Probelauf im Geschäft unter Banken und an den Börsen auch den Bürgern als druckfrisches Erzeugnis ausgehändigt worden.
Quasi in Klammern dazu die Anmerkung, daß auch 2002 die Länder der Währungsunion in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Der Aktienmarkt war im Frühjahr 2000 eingebrochen. Die Talfahrt der Börsenkurse hielt bis ins Frühjahr 2003 an. Von 2001 bis 2005 dauerte die wirtschaftliche Stagnationsphase. Die EZB unter der Präsidentschaft Wim Duisenbergs und unter Anleitung ihres damaligen Chefvolkswirts Otmar Issing war schon am damaligen Finanzcrash und an der vorausgegangenen ungeheuerlichsten Aktienspekulation der kapitalistischen Geschichte natürlich vollkommen unschuldig. Die Herren und ganz wenigen Damen im EZB-Rat – unter ihnen der diesjahrige Karlspreisträger als Chef der Banque de France – weigerten sich, diese ungeheure Spekulationswelle überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Professor Issing verbrämte diese Haltung mit akademisch-skeptischer Attitüde: Es sei überhaupt unmöglich, eine Spekulationsblase als solche zu diagnostizieren. Noch frecher war die Untätigkeit der EZB-Führung mit Blick auf die Bekämpfung der Stagnation. Obwohl die USA vom Spekulationsboom samt nachfolgendem Aktiencrash mindestens ebenso betroffen waren wie Europa, kamen sie schneller aus der Rezession, weil die US-Notenbank eine nicht ganz so verbohrt konservative Zinspolitik betrieb wie die europäisch-deutsche.
Mit der Finanzkrise ab 2007, mit der wir es immer noch zu tun haben, ist die Notenbank auf noch intimere, eine geradezu innige Weise verbunden. Denn es ist eine Krise der Banken und des Bankenkredits. Und es ist eine Krise, die direkt der Deregulierung und der völligen Freizügigkeit des Kapitalverkehrs entspringt. Wir ahnten schon seit der gescheiterten Verfassung der EU; seit dem sie ersetzenden, inhaltsgleichen Lissabon-Vertrag aber wissen wir, daß das allerheiligste der Grundrechte dieser Staaten- und Wertegemeinschaft die Freiheit des Kapitalverkehrs ist. Das Wort Kapitalverkehr klingt ja so freundlich, es erinnert ein wenig an den Straßenverkehr, besser noch an den emotional freundlich besetzten Geschlechtsverkehr. Die Freiheit des Kapitalverkehrs ist aber ein gefährlich Ding. Sie erlaubt es dem Kapital, noch beweglicher zu sein als ohnehin. Sie hat viel dazu beigetragen, daß der Finanzmarkt in Europa und auf dem gesamten Globus die führende Rolle in der Wirtschaft übernommen hat, so daß wir mit Recht im Gefolge des Ende 2009 gestorbenen klugen marxistischen Ökonomen Jörg Huffschmid vom »finanzmarktgesteuerten« Kapitalismus sprechen.
Am Finanzmarkt nun spielen die Notenbanken schon rein praktisch eine wichtige Rolle. Denn sie geben das Geld heraus, sie »emittieren« es, um mal wieder mit einem lateinischen Fremdwort zu sprechen. Das Kapital, das sich so frei auf den Finanzmärkten bewegt, tritt dort ja in Form des Geldes auf. Um beweglich zu sein, um jeden spekulativen, potentiellen Gewinn auch mitnehmen zu können, um sich aus Märkten mit fallenden Preisen schnell verabschieden zu können, bleibt es möglichst in Form des Geldes, des Wertpapiers. Da wird dann eben wenig in Fabriken, Maschinen und Arbeitskräfte real investiert. So kümmert im realen Neoliberalismus die Realwirtschaft über längere Perioden stagnativ dahin. Der Finanzmarkt aber bläht sich auf – so lange, bis er platzt.
Die Notenbanken – also nicht speziell die EZB –, sondern alle Notenbanken in allen derzeit existierenden kapitalistischen Ländern haben nun zwei Eigenheiten entwickelt, die die Aufblähung des Finanzmarktes systematisch begünstigt. Erstens reden und handeln sie so, als sei die Stabilität des Geldes und des Finanzsektors nur von der gemeinen Teuerung oder Inflation bedroht, nicht jedoch von der überbordenden Finanzspekulation oder, anders ausgedrückt, von zu stark steigenden Preisen von Finanz- und Eigentumstiteln. Um ihren Feind Inflation zu bekämpfen, würgen sie dann, wenn die Preise und vor allem die Löhne ihrer Auffassung nach zu stark steigen, von Zeit zu Zeit mittels hoher Zinsen die Konjunktur ab. Die steigende Arbeitslosigkeit sorgt dann dafür, daß der Lohnanstieg gebremst wird. Da die breite Masse der Menschen damit weniger Geld zur Verfügung hat, bleibt die Nachfrage nach Gebrauchsgütern schwächlich, was den Preisauftrieb dämpft. Eine erfolgreiche Methode der Zentralbanker, sollte man meinen. Wenn auf der anderen Seite die Preise für Finanztitel kräftig steigen, sehen sich die Zentralbanken nicht veranlaßt, dagegen etwas zu unternehmen. Sie lassen im Gegenteil die Spekulation gern zu und zeigen sich immer wieder extrem sensibel, um die Investoren am Aktien-, Renten- und Devisenmarkt nur ja nicht zu erschrecken. Die Politik der Notenbanken ist also von einer systematischen Asymmetrie gekennzeichnet. Sie ist deshalb ein wichtiger Motor der Umverteilung von unten nach oben.
Auf der Kippe
Als wäre das noch nicht genug, haben die Zentralbanken die Geldschöpfung, die eigentlich ihr Privileg ist, den gemeinen Geschäftsbanken überlassen. Jedes Mal, wenn eine Geschäftsbank einen Kredit gewährt, wird Geld, das bei uns übliche Kreditgeld, geschaffen. Das funktioniert allerdings nur deshalb, weil die Bank, wenn sie zum Beispiel nicht genug Kundeneinlagen zur Verfügung hat, um den Kredit auch auszubezahlen, sich Geld jederzeit von anderen Banken auf dem sogenannten Geldmarkt besorgen kann. Und dieser Markt funktioniert nur deshalb in der Regel, das heißt in Zeiten, wenn es gerade keine Finanzkrise gibt, so geräuschlos und gut, weil die Zentralbanken alle fehlenden Beträge zur Verfügung stellen. Dabei gelten zwei Randbedingungen. Erstens, die Banken müssen für die Kredite, die sie von der Notenbank erhalten, selbstverständlich Sicherheiten stellen. Sie verlangen das in der Regel ja auch von ihren Kunden. Zweitens setzt die Zentralbank die Zinsen fest, zu denen die Banken diese Kredite erhalten. Dieser Zins setzt sich auf dem Bankenmarkt in der Regel durch und bestimmt so das Zinsniveau in der gesamten Volkswirtschaft. Mit dem Zins beeinflußt die Zentralbank nur indirekt das Ausmaß der Kreditvergabe in der Gesamtwirtschaft.
Es ist ja wahrscheinlich ganz geschickt, die Entscheidung, welcher Bürger und Kapitalist in welcher Höhe Kredit erhält, dezentral von großen und kleinen Kreditinstituten treffen zu lassen. Das Ausmaß der Kreditvergabe aber insgesamt nicht zu kontrollieren, hat sich als schwerer Fehler erwiesen. Die Zentralbanken haben in den vergangenen Jahrzehnten die Kreditvergabe der Banken praktisch nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Schlimmer noch, sie haben es abgelehnt, die Kontrolle zu übernehmen, obwohl sie genau beobachtet haben, daß das Kredit- und Geldvolumen und damit der Finanzsektor jedes Jahr um ein Mehrfaches so schnell wuchs wie die reale übrige Wirtschaft. Man kann das auch weniger feinsinnig ausdrücken: Die Zentralbanker vertreten systematisch die Interessen der großen Geschäfts- und Investmentbanken. Sie stecken mit ihnen unter einer Decke. Sie gehören zu den Hauptschuldigen an dieser Finanzkrise. Deshalb haben sie auch allesamt – nicht nur Herr Trichet – den reaktionären Karlspreis ehrlich verdient.
Schließlich dürfen bei der Würdigung des Preisträgers einige Sätze zum Zustand Europas, zur europäischen Einigung und zur Währungsunion nicht fehlen. Dabei von einer schweren Krise zu reden, ist noch untertrieben. Konjunkturell befinden sich einige Randländer der EU wie beispielsweise Großbritannien, Griechenland, Portugal, Spanien und Irland in einer Abwärtsphase. In anderen Ländern wie Frankreich, Deutschland und den Niederlanden geht mit der Verlangsamung der Weltkonjunktur ein Zwischenhoch allmählich zu Ende. Die politischen Institutionen der EU und der Währungsunion durchleben schwere Turbulenzen. Diese Währungsunion steht auf der Kippe. Es könnte sein, daß sich der Karlspreis für Herrn Trichet als Abschiedsmemento herausstellt. Er wenigstens dürfte seine Amtszeit als EZB-Präsident bis zum offiziellen Ende Oktober dieses Jahres noch aussitzen. Ob sein wahrscheinlicher Nachfolger im Amt, der Italiener Mario Draghi, volle acht Jahre amtieren wird, ist eher unwahrscheinlich.
So eine einheitliche Währung ist eigentlich eine feine Sache. Die vom Devisenmarkt produzierten, oft irrationalen Preisschwankungen der Wechselkurse werden vermieden. Seit Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts das System der festen Wechselkurse mit dem Dollar als Leitwährung auseinandergebrochen war, haben die europäischen Staaten immer neue Versuche gestartet, ein stabiles Währungssystem wenigstens der wichtigsten Währungen auf diesem Kontinent herzustellen. Die deutschen Regierungen seit damals haben das Ziel des einheitlichen Währungsraumes mit großer Beharrlichkeit verfolgt. Das ist auch einsichtig, denn gerade die deutschen Unternehmen haben das größte Interesse an einem gemeinsamen heimischen Binnenmarkt direkt vor der Haustür. Wenn die Exporteure von Autos oder Maschinen jederzeit mit einer Abwertung der Währung des Abnehmerlandes, also zum Beispiel der italienischen Lira, rechnen müssen, können sie die Preise, den Absatz, den erzielten Gewinn und Investitionen schlecht planen. Ein großer Währungsraum ist volkswirtschaftlich zunächst ein Segen.
Allerdings gilt auch, daß die Aufgabe nationaler Währungen Schutzschranken einreißt. In einer Währungsunion setzt sich das kapitalistische Gesetz besser durch, wonach die Starken stärker, die Schwachen dagegen immer schwächer werden. Durch gelegentliche Abwertungen der Lira oder der Pesete konnten sich die zum Teil eher schwächlichen Unternehmen in beispielsweise Italien oder Spanien vor der hereindrängenden relativ starken Konkurrenz aus aller Welt schützen. Dem hat die gemeinsame Währung Euro planvoll ein Ende bereitet. Man sollte sich also nicht wundern, daß nach zwölf Jahren Währungsunion eine immer stärker divergierende Entwicklung zu beobachten ist. Die starken, mächtigen Konzerne, die ihren Sitz meist in Westdeutschland, Frankreich und den Niederlanden haben, verdrängen die schwächeren auf den heimischen Märkten Italiens, Spaniens, Portugals und Griechenlands.
Transferunion …
Als die Währungsunion entworfen wurde, wußte man oder hätte wissen können, daß sie auf Dauer nur funktionieren kann, wenn ein Ausgleichsmechanismus die Wirkung des marktwirtschaftlichen Wolfsgesetzes mildert. Das funktioniert ja mehr oder weniger gut auf nationaler Ebene. Die Umverteilungsfunktion des Staates sorgt dafür, daß die schwächeren Regionen eines Landes nicht komplett ausbluten. Wir haben es bei normalen Staaten mit einer Transferunion zu tun.
Eine Transferunion auf europäischer Ebene aber sollte gerade vermieden werden. Die deutschen Unternehmen, damit auch die deutsche Regierung und, nicht zu vergessen, die deutschen Bundesbanker wollten keine Währungsunion, in der der stärkste Partner auch am meisten zahlen müßte. Sie wollten eine billige Währungsunion, die möglichst gar nichts kostet. Sie erfanden deshalb eine karge Union, die nur eine zusätzliche Institution, die hier geehrte Europäische Zentralbank, aufwies. Der Währungsraum erhielt keine gemeinsamen Steuern, kein gemeinsames Budget, keine gemeinsame Wirtschaftspolitik und schon gar keine Ausgleichsmechanismen, die dem Ausbluten der schwachen Regionen und Länder hätten entgegenwirken können.
Wahrscheinlich wäre alles noch eine Weile so weitergegangen, hätte es nicht die Finanzkrise gegeben. Sie veranlaßte die Staaten, ihre jeweils nationalen Banken zu stützen und die Schulden des wuchernden Finanzsektors selbst zu übernehmen. Zugleich aber wurde es für die schwächeren unter den Staaten innerhalb und außerhalb des Euro schwer, die Defizite ihrer Staatshaushalte zu finanzieren. Die ganz gewöhnlichen Finanzinvestoren, die Banken und Versicherungen begannen, die Möglichkeit einzukalkulieren, daß einer dieser Staaten, beispielsweise Griechenland, die aufgenommenen Kredite nicht oder nicht in voller Höhe würde bedienen können, deutlicher gesagt, pleite gehen könnte.
Sie werden sich alle daran erinnern, welches Geschrei darüber angestimmt wurde, daß nun die Währungsunion doch teurer wurde als gedacht. Sie werden sich auch daran erinnern, als die Griechenland-Krise vor einem Jahr ihrem ersten Höhepunkt zustrebte, wie Kanzlerin Merkel zunächst jede Finanzierungshilfe für Griechenland unter Hinweis auf die europäischen Verträge rundweg ablehnte. Sie und unser hochgeehrter Herr Trichet überboten sich vielmehr in Forderungen an die Griechen, möglichst rigorose Budgetkürzungen und antisoziale Sparprogramme durchzusetzen. Herr Trichet lehnte damals den naheliegenden Vorschlag ab, daß seine EZB die Staatsanleihen der Griechen kaufen sollte, um der Pleiteangst des Finanzmarktes etwas entgegenzusetzen und Defizite wenigstens teilweise zwischenzufinanzieren. Frau Merkel und Herrn Trichet, beide hat die Realität ein klein wenig gelehrt. Erstere hat riesigen Rettungsfonds für Euro-Problemländer zugestimmt und ist gerade dabei, die unwilligen konservativen Parteimitglieder von der Notwendigkeit zu überzeugen, den Kredit an Griechenland noch aufzustocken. Herr Trichet läßt seine Bank nun doch griechische und auch andere Staatsanleihen kaufen. Ein wenig spät kommt diese Einsicht. Zu spät, um noch viel zu nutzen. Immerhin gerieten die beiden zu Recht in panische Angst, die Währungsunion könne zerplatzen.
Diese Gefahr ist höchst real. Wenn eines der Euro-Länder sich entschließt, seine Staatsschulden nicht mehr zu bedienen, werden die anderen Wackelkandidaten keine Schulden mehr aufnehmen können. Das wenigstens haben Trichet und seine Kollegen im Rat der EZB gut erkannt. Das gegenwärtige System, wonach jedes Euro-Land einzeln um Kredit an den Finanzmärkten nachsucht, wird sich dann als das erweisen, was es in Wirklichkeit schon jetzt ist. Es ist nicht durchzuhalten.
… und Umschuldung
In dieser Krise der Währungsunion sind die Neoliberalen und Konservativen, die ja die Politik in den Ländern der EU maßgeblich bestimmen und deshalb gern die in Aachen vergebenen Karlspreise abgreifen, tief gespalten. Sie wirken ein wenig ratlos. Wir wollen den Tag nicht verstreichen lassen, ohne ihnen wenigstens ein paar Tips gegeben zu haben, wie sie aus der schwierigen Lage kommen können.
Fangen wir mit dem wichtigsten an: Die Währungsunion kann nur weiterbestehen, wenn sie durch eine gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik der Euro-Länder eingerahmt wird. Anders gesagt, die Euro-Zone müßte zu einer wirklichen Transferunion ausgebaut werden. Wer da einwendet, die deutschen (sowie niederländischen und finnischen) Wähler würden einen solchen Kurs nicht tolerieren, sollte es einmal mit einem Programm für höhere Löhne und bessere Sozialleistungen, bezahlt durch höhere Unternehmens- und Vermögenssteuern versuchen. Der Ausgleich innerhalb der EU würde also nicht dadurch geschaffen, daß bei den griechischen und portugiesischen Beschäftigten, Rentnern und Arbeitslosen gekürzt wird, sondern daß hierzulande die Kosten der Unternehmen steigen. Das wäre beim breiten Publikum durchaus populär.
Zweitens: Die akute Finanzierungskrise der Staaten wird sich ohne eine Umschuldung nicht lösen lassen. Dabei haben Trichet und seine Kollegen ausnahmsweise recht, wenn sie darauf hinweisen, daß der Bankensektor eines umschuldenden Landes umkippt, daß zugleich die Banken und Versicherungen in den Gläubigerländern in Gefahr geraten und daß, drittens, die Umschuldung in einem Land das Mißtrauen der Finanzinvestoren in alle anderen Euro-Länder verstärkt. Der weltweite Finanzmarkt würde damit vermutlich stärker erschüttert als durch die Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008. Die Konsequenz aus dem gemalten düsteren Bild kann allerdings nicht lauten, die Umschuldung einfach zu vermeiden. Das wird nicht gehen. Die bisherige Taktik, sie zu verschieben, verlagert die drohenden Verluste nur von den Privaten zu den anderen Staatshaushalten. Es bleibt nur eine große Lösung: Ein Schuldenschnitt für alle europäischen Staaten.
Wer sollte ein solches Programm politisch durchziehen? Wer kann es? Wer will es? Der Blick wird leer. So ökonomisch nützlich eine gemeinsame Währung auch sein mag, wir müssen Jean-Claude Trichet anläßlich seiner Ehrung zurufen: Dein Wirken wird umsonst gewesen sein. Die Währungsunion wird scheitern. Und, lieber Jean-Claude, sie wird an der verrückten verfehlten Politik von Leuten Deines Schlages scheitern.
Lucas Zeise ist Finanzkolumnist der Financial Times Deutschland. Zuletzt erschien von ihm »Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus«, 192 Seiten, brosch., 12,90 Euro, PapyRossa Verlag, Köln 2010 (auch im jW-Shop erhältlich)
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(c) Junge Welt 2011
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Geht es nach den Plänen von Premierministerin Julia Gillard und dem für Immigration zuständigen Minister Chris Bowen von der regierenden Labor Party, werden künftig nicht nur erwachsene Bootsflüchtlinge und Familien, sondern auch Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitpersonen in Australien stranden, nach Malaysia überstellt. In dem südostasiatischen Staat soll das erste sogenannte regionale Bearbeitungszentrum für Bootsflüchtlinge entstehen. Die Regierung in Canberra erklärte sich im Gegenzug bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die schon seit längerer Zeit in Malaysia anwesend sind.
Bowen pries bei der Präsentation der Regierungsvereinbarung Ende vergangener Woche die Verschärfung der Abschottungspolitik als effektiven Abschreckungsmechanismus. Der Minister versuchte zudem, die Maßnahme als humanistisch motiviert zu präsentieren. Er wolle nicht, daß noch einmal Kinder oder sogar Babys bei der Überfahrt gefährdet würden oder ums Leben kämen, erklärte er in der Parlamentsdebatte mit Verweis auf ein 2010 an der Küste von Christmas Island zerschelltes Flüchtlingsboot.
Während sich die konservative Opposition wohlwollend die Hände reibt, hat die Entscheidung der sozialdemokratischen Minderheitsregierung Australiens auf der linken Seite des politischen Spektrums, bei Menschenrechtsorganisationen sowie in höchsten Kreisen der UNO Unverständnis und Kritik ausgelöst.
Die Grünen, welche die Minderheitsregierung stützen, zeigten sich schockiert. »Der Minister vergißt, daß er gemäß Rechtslage der Beschützer unbegleiteter Minderjähriger ist«, hielt ihm Senatorin Sarah Hanson-Young vor. Auch Norman Gillespie, der Regionaldirektor des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF, machte aus seinem Entsetzen in ersten Verlautbarungen keinen Hehl. Dabei will Canberra angeblich das Vorgehen mit den zuständigen Stellen bei den Vereinten Nationen abgestimmt haben, beeilte sich Außenminister Kevin Rudd, Vorgänger Gillards im Premiersamt, zu versichern. Der Sprecher des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), Adrian Edwards, dementierte aber ausdrücklich, im Vorfeld von der australischen Entscheidung Kenntnis erhalten zu haben: »Nach dem gegenwärtigen Stand ist dies nichts, wozu wir unsere Unterstützung erklären können.«
Ob Australiens nationaler Menschenrechtsrat oder Amnesty International – von allen Seiten hagelt es heftige Kritik an dem Plan. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, kritisierte vor allem rassistische Untertöne in der Debatte und die Instrumentalisierung des Flüchtlingsthemas für innenpolitische Ziele.
Nach den starken Reaktionen gab Bowen am Montag bekannt, daß bei der Abschiebung von Kindern nun »von Fall zu Fall« entschieden würde. Eine grundlegende Änderung der Pläne kündigte der Minister allerdings nicht an.
Das UNHCR hatte am Konzept der »regionalen Bearbeitungszentren« grundsätzlich Kritik geübt, weil völlig unklar sei, wie international fixierte Schutzstandards im Asylprozeß dort gewährleistet werden sollen. Australiens Regierung indes sieht sich unter Zugzwang: Mit 6535 Ankömmlingen hatte die Zahl der Bootsflüchtlinge im Vorjahr einen neuen Rekordwert erreicht. Dieses Jahr wurden bis April 16 Boote mit 921 Insassen gezählt. Der Großteil der Flüchtlinge kommt aus Ländern Südasiens sowie dem Irak und Iran.
Quelle: www.jungewelt.de vom 08.06.11