Wolfgang Huste Polit- Blog

Bundeswehr läßt Kinder an Gewehre. Von Frank Brendle

Mittwoch, 08. Juni 2011 von Huste

Berlin. Die Bundeswehr hat bei ihrem Tag der offenen Tür in Bad Reichenhall Ende Mai nicht nur Kinder mit vermeintlichen Waffenattrappen auf »Klein-Mitrovica« schießen lassen (siehe jW vom 3. Juni), sondern ließ sie auch an echtes Kriegsgerät heran: Auf der Internetplattform Youtube ist ein Video zu sehen, das zeigt, wie Minderjährige mit Handfeuerwaffen, Granatwerfern und anderen Waffen posieren – unter der fachkundigen Anleitung von Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23.

Das Heeresführungskommando läßt mittlerweile prüfen, ob gegen bundeswehreigene Richtlinien verstoßen wurde.

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.06.11

USA sind Spitze. Von Rainer Rupp

Mittwoch, 08. Juni 2011 von Huste

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI hat am Dienstag in Stockholm seinen Jahresbericht 2011 über die weltweiten Militärausgaben vorgelegt. Es wartete dabei mit der längst bekannten Erkenntnis auf, daß die USA einsam an der Spitze liegen, angeblich direkt gefolgt von China. Demnach soll das Reich der Mitte 2010 insgesamt 119 Milliarden Dollar, also etwa ein Sechstel der US-Summe, fürs Militärische ausgegeben haben. Für die US-Militärausgaben gibt SIPRI 698 Milliarden Dollar an, womit der Anteil der USA an den weltweit auf 1,6 Billionen Dollar geschätzten Ausgaben bei lediglich 43 Prozent liegt. Es fällt auf, mit welcher Leichtigkeit SIPRI die US-Militärausgaben kleinrechnet und die Ausgaben der dem Westen nicht zugehörigen Länder wie z.B. China aufbläht, ohne daß es der Öffentlichkeit auffällt. Das geschieht auf der Basis fiktiver Kostenansätze, welche die CIA schon während des Kalten Krieges benutzte, um darzulegen, daß die Sowjetunion – in Dollar ausgedrückt – mehr Geld fürs Militär ausgab als die USA und NATO-Europa zusammen. Damals sollte das die NATO-Politiker anspornen, mehr für die Rüstung zu tun.

Tatsächlich lagen die US-Militärausgaben 2010 weit über den SIPRI-Angaben, denn die 698 Milliarden Dollar machen lediglich das offizielle Pentagon-Budget aus. Viele militärische Ausgaben sind jedoch in anderen Haushalten versteckt, so z.B. die Nuklearwaffenforschung und –produktion im Energieministerium. Addiert man all die anderen Posten, so die für die CIA oder für die Folgekosten der Kriege, dann steigen die US-Militärausgaben auf über eine Billion Dollar. Damit beträgt der tatsächliche Anteil der USA an den Weltmilitärausgaben 65 Prozent. Offiziell beliefen sich die chinesischen Militärausgaben für 2010 nur auf 532115 Milliarden Yuan, etwa 78 Milliarden Dollar zu damaligen Wechselkursen. Nach alter Kalter-Krieg-Manier schätzt das Pentagon die chinesischen Ausgaben jedoch weitaus höher ein und SIPRI beeilt sich, diese mit 119 Milliarden Dollar anzusetzen.

Die einst neutrale Stockholmer Denkfabrik, die sich unter dem Nahmen SIPRI im Kalten Krieg wegen ihrer Unabhängigkeit als Friedensforschungsinstitut einen Namen gemacht hatte, ist längst fest in der Hand der neoliberalen neuen Weltordnung und operiert nur noch unter falscher Flagge. Das Institut ist heute weder neutral noch unabhängig. So ist der derzeitige SIPRI-Direktor Bates Gill ein wichtiger Mann aus dem sicherheitspolitischen Establishment der USA und seine Vorgängerin, die Britin im Botschafterrang Alyson Bailes, hatte vor ihrer Zeit bei SIPRI u.a. ihr Land bei der NATO vertreten und andere wichtige Ämter im britischen Militärapparat inne.

Die von dem angeblichen Friedens­institut veröffentlichten Zahlen und »Fakten« sind daher mit Vorsicht zu genießende politische Aussagen der kriegführenden westlichen Militärmächte. Im vorliegenden Bericht meldet SIPRI, daß die nukleare Abrüstung der Atomwaffenstaaten nur »moderat« vorangehe und eine erkennbare Abrüstung auch in Zukunft unwahrscheinlich sei, da die Atomstaaten ihre Arsenale modernisierten. Kritik von SIPRI gibt es daran nicht. Vielmehr soll die Öffentlichkeit auf eine Zukunft ohne Abrüstung vorbereitet werden.

Quelle: www.jungeelt.de vom 08.06.11

LINKE Birkenfeld bei Anti-Atom-Demo in Mainz

Mittwoch, 08. Juni 2011 von Huste

Am Samstag, 28. Mai 2011 demonstrierten allein in Mainz über 4000 Menschen für einen sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft.
Auch der Kreisverband DIE LINKE Birkenfeld beteiligte sich an der Anti-Atom-Demo.

Nach der Auftaktveranstaltung mit mehreren Redebeiträgen auf dem Bahnhofvorplatz sowie einer Zwischenkundgebung am Schillerplatz bewegte sich der unter dem Motto „Atomkraft: Schluss! Alle AKW abschalten – sofort und endgültig! “ stehende Demonstrationszug zur Abschlußkundgebung auf den Gutenberg-Platz vor dem Staatstheater, der sich schnell füllte. Hier war eine weitere Bühne aufgebaut.

Verschiedene Redner wiesen ausdrücklich darauf hin, dass die ehemalige Regierung von SPD und Grünen vor der Atomlobby eingeknickt wäre und die Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke durch CDU und FDP erst ermöglicht hätten.
Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass gegenwärtig nur vier Atomkraftwerke am Netz wären und es bei der Stromversorgung keinerlei Engpässe geben würde. Entgegen der von der Atomlobby aufgebauten Horrorszenarien wären auch im Winter keine Beeinträchtigungen zu erwarten.

Rainer Böß, der stellvertretende Vorsitzende der LINKEN im Kreis Birkenfeld und Kreistags-Mitglied:“Ich bin davon überzeugt, dass wir die Atomkraft kurzfristig durch erneuerbare Energien ersetzten können. Gerade der Kreis Birkenfeld ist hierbei auf einem guten Weg. Auf vielen öffentlichen Gebäuden werden derzeit Fotovoltaik-Anlagen installiert. DIE LINKE spricht sich auch eindeutig für Windkraftanlagen aus. Ich begrüße grundsätzlich das Engagement vieler Kommunalpolitiker und Bürgermeister, kritisiere aber Alleingänge von Kommunen und Verbandsgemeinden. Für die Akzeptanz in der Bevölkerung ist eine kreisweite Koordinierung und Planung der Standorte in enger Absprache mit den Anwohnern und auch den Naturschutzverbänden notwendig.“
Um ein Konkurrenzdenken zu unterbinden, wäre nach Auffassung der Kreistags-Fraktion DIE LINKE das in einer Kreistags-Sitzung vorgestellte „Modell Rheinböllen“, in dem alle Ortsgemeinden nach einem bestimmten Schlüssel die Erträge aus der Windkraft solidarisch untereinander aufteilen, gut geeignet. Damit muss nicht jeder Ort eigene Anlagen aufstellen um von den Gewinnen profitieren zu können.

Quelle: www.scharf-links.de vom 07.06.11

Werbefeldzug der Bundeswehr in den Schulen stoppen!

Mittwoch, 08. Juni 2011 von Huste

Die Kampagne „Schulfrei für die Bundeswehr – Friedensbildung statt Militarisierung“ soll in Rheinland-Pfalz fortgeführt werden. Dazu erklärt Tanja Krauth, Mitglied des Landesvorstands der LINKEN Rheinland-Pfalz: Rot-Grün in Mainz hat sich nicht dazu durchringen können, die Kooperationsvereinbarung zwischen Kultusministerium und Bundeswehr aufzukündigen. Das bedeutet, dass Soldaten weiterhin ungehinderten Zugang zu Schülern und zur Ausbildung von Lehrern haben und um Akzeptanz für umstrittene Kriegseinsätze der Armee werben können. DIE LINKE wird im Schulterschluss mit den Friedensorganisationen auch künftig die Forderung „Kein Werben fürs Sterben“ aufrechterhalten.
Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass die Schule kein Ort für Rekrutierungsversuche sein darf. Wir werden aufmerksam beobachten, ob auch wirklich keine Anwerbungsversuche mehr stattfinden und die Einhaltung dieses Regierungsversprechens gegebenenfalls einfordern. Schulen sind Orte, an denen Friedensbildung statt Militarisierung stattfinden muss. DIE LINKE als einzige Friedenspartei setzt sich konsequent dafür ein, dass die rheinland-pfälzischen Schulen militärfrei werden. Das Festhalten von Rot-Grün am weiteren Werbefeldzug der Bundeswehr in Bildungseinrichtungen und die Sympathiewerbung der Armee bei Minderjährigen lässt als Schluss nur zu, dass diese Parteien die deutschen Kriegseinsätze gutheißen und unterstützen.

Quelle: www.scharf-links.de vom 07.06.11

PGD zu den Antisemitismusvorwürfen gegen die Bundestagsabgeordnete Inge Höger

Mittwoch, 08. Juni 2011 von Huste

Die Palästinensische Gemeinde Deutschland ist entrüstet und empört über die Vorwürfe der Israel-Lobby gegen die Bundestagsabgeordnete Inge Höger.

Der Vorwurf und die Bezichtigung des Antisemitismus ist nicht nur absurd, sondern auch eine nicht zu akzeptierende Verharmlosung des Antisemitismus und dessen Gräueltaten. Die selbst ernannten Schützer des jüdischen Staates haben es sich zur Aufgabe gemacht, jeden einen Maulkorb zu verpassen, der auch annähernd eine Kritik an der Politik Israels übt.

Inge Höger hat sich wie tausende Bundesbürger und Persönlichkeiten zu den Gräueltaten der israelischen Besatzungsmacht in Gaza kritisch geäußert und die anhaltende Blockade verurteilt. Sie hat sich über die seit Jahrzehnten anhaltende Menschenrechtsverletzung im besetzten Palästina öffentlich beschwert.
Nicht nur, dass dies ihr demokratisches Recht ist, sondern es ist sogar ihre Pflicht als Vertreterin im Bundestag eines demokratischen Staates, der internationale Rechte und Konventionen achtet und respektiert.
Die Maulkorbpolitik der Israel-Lobby unterhöhlt langsam aber sicher die demokratischen Pfeiler der Bundesrepublik Deutschland.

Ein Gut, worauf die deutsche Bevölkerung nicht wegen der Kritik an einer rassistischen Regierung und ihrer menschenverachtenden Politik ganz einfach aufgeben sollte. Kritik an der Politik des Staates Israel ist keinesfalls einhergehend mit antisemitischen Gedanken. Mit einer Gleichsetzung – ein durchaus häufiges Phänomen dieser Zeit – wird der Begriff seiner historischen Grundlage beraubt, verwässert und vor allem verharmlost.

Die Solidarität Inge Högers mit dem palästinensischen Volk und seiner Sehnsucht nach Freiheit, Ende der Besatzung und Errichtung eines palästinensischen Staates neben dem Staat Israel in den Grenzen vom 04. Juni 1967 ist ehrenwert.

Sie ist die Stimme vieler Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, die das Stillschweigen der Bundesregierungen gegenüber der Politik des Staates Israel und der Arroganz der israelischen Besatzungsmacht, die seit Jahrzehnten den Weltfrieden aufs Spiel setzt, nicht mehr hinnehmen wollen.

Wir vom Vorstand der Palästinensischen Gemeinde Deutschland stehen auf der Seite Inge Högers, wir stehen für die freie demokratische Meinung und wir stellen uns gegen die Maulkorbpolitik der selbsternannten Schützer des Staates Israel.

Wir appellieren an Inge Höger und die Tausende von Menschen, die das Gleiche denken und sagen: Kämpft weiter um Freiheit und Menschenrechte. Denn der Kampf um Freiheit und Menschenrechte ist ein ehrenwerter Kampf. So hat uns Hannah Ahrendt gelehrt, und das sollte Eckpfeiler der deutschen Gesellschaft sein und bleiben.

Quelle: www.scharf-links.de vom 07.06.11

TERMIN 02. Juli 2011: Vorbereitungskreis für ein Tribunal gegen den Machtmissbrauch der vier großen Energiemonopolisten. Von Peter Schüren

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

E I N L A D U N G

zum Vorbereitungskreis für ein Tribunal gegen den

Machtmissbrauch der vier großen Energiemonopolisten

RWE, E.ON, Vattenfall und EnBW

Termin: Samstag, 02. Juli 2011, 13:00 – 16:00 Uhr

Ort: (altes) Café Egoist. Oststr. 21, 59065 Hamm.

An alle Interessentinnen und Interessenten aus Initiativen, Vereinen, Organisationen und Verbänden, die an der Durchführung eines Tribunals gegen die Energiemonopolisten mitwirken möchten. Diese Einladung erfolgt nach Beschluss der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Attac – Workshops Tribunal gegen den Machtmißbrauch durch die vier Energieriesen RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall; Attac – Kongress JENSEITS DES WACHSTUMS !?, TU Berlin 20. – 22. Mai 2011. Einladerin für den Vorbereitungstermin am 02. Juli 2011 ist die Bildungsgemeinschaft Soziales, Arbeit, Leben & Zukunft (SALZ) e.V., Arbeitskreis für Ökologie & Sozialismus.
Teilnahmebestätigung (aus organisatorischen Gründen) erwünscht an: Bildungsgemeinschaft Soziales, Arbeit, Leben & Zukunft (SALZ) e.V., eMail: salzkreis@yahoo.de, Tel. 02381.3733497, Fax 02381.3733498, www

1. Ausgangslage

Die Bedingungen für eine systematische Delegitimierung der vier Energieriesen sind günstig. Die enormen Extraprofite, die die vier Oligopolisten seit der Liberalisierung des Strommarktes einstrichen (Vgl. hierzu die empirischen Berechnungen von Bontrup/Marquard 2010) führten schon im Jahr 2008 – also vor der schwarz-gelben Laufzeitverlängerung und vor Fukushima – zu einer für bundesdeutsche Verhältnisse bemerkenswerten Ablehnung der privatkapitalistischen Stromwirtschaft. Nach einer damaligen Forsa-Umfrage votierten 77 Prozent der Bevölkerung für eine Teilverstaatlichung der Strom- und Gaskonzerne.

Seit 2008 ist viel geschehen. Knapp 40 neue Stadtwerke wurden gegründet und 100 Konzessionsverträge für die Netze sind von Stadtwerken übernommen worden. Mittlerweile kann von einem Revival der kommunalen Stromerzeugung gesprochen werden. Es spricht vieles dafür, dass dieser Trend anhält. Gleichwohl versuchen die Big Four mit aller Macht, diese zaghaften Ansätze für mehr Dezentralisierung sowie kommunalen Einfluss zu behindern und zu verhindern.

Die Attac-Kampagne Power to the People! popularisierte zur richtigen Zeit die simple Tatsache, dass die Macht der Konzerne ein zentrales Hindernis darstellt für den Umbau hin zu einer dezentralen und demokratischen Stromwirtschaft. Nicht erst seit Hermann Scheer wissen wir: Erneuerbare Energien können nicht ohne weiteres zentral in Großkraftwerken erzeugt werden. Mit der potenziellen Dezentralität schwindet auch die Macht der großen Konzerne.

Daher versuchen die Big Four die Atomkraftwerke so lange wie möglich laufen zu lassen, neue Atomkraftwerke im Ausland zu bauen (und nach Möglichkeit den Atomstrom nach Deutschland zu importieren), Kohlekraftwerke als vermeintliche Brückentechnologie durchzusetzen und die Erzeugung von Wind- und Solarstrom mittels Offshore-Anlagen und des neokolonialen Wüstenprojekts Desertec zu zentralisieren.
Die angedrohten Klagen gegen die Stillegung und die Brennelementesteuer sind daher nur die Spitze des Eisbergs. Die Konzerne pokern um viele Milliarden Euro, während das Gemeinwesen für die Folgekosten tausende Jahre aufkommen wird.

Die Konzernherren als Sachwalter der Aktionärsinteressen handeln gegen die Interessen der Menschen und der kommenden Generationen. Sie versuchen mit aller Macht zu verhindern, dass die Energieproduktion schnellstmöglich auf 100% erneuerbare Energien umgestellt, dezentral und kommunal organisiert und demokratisisch kontrolliert wird!

2. Die Idee eines Tribunals

Ein Tribunal gegen den Machtmissbrauch der Energieoligopolisten in der Tradition der Russell-Tribunale (und damit auch des Bankentribunals) soll möglichst öffentlichkeitswirksam zeigen, dass die wirtschaftliche Machtzusammenballung der Energieriesen und der Missbrauch dieser Macht zu Lasten der Nutzerinnen und Nutzer dem Gemeinwohl entgegensteht und die Wende zu einer Demokratisierung der Energiewirtschaft behindert.

Das Tribunal wird zum Ergebnis kommen, dass die Macht der Energieriesen gebrochen werden muss. Die Artikel 14 und 15 des Grundgesetzes über die Sozialbindung des Eigentums und die Möglichkeit der Vergesellschaftung sollen herangezogen werden, um diese Argumentation zu unterstreichen. In der Verfassung von NRW gebietet der Artikel 27 sogar die Vergesellschaftung monopolartiger Unternehmen und ihr Verbot, wenn sie ihre Macht missbrauchen. Ähnliches gilt für die hessische Landesverfassung.

Vorbereitung und Durchführung des Tribunals sollten von Attac und von den Umweltschutzverbänden und weiteren außerparlamentarischen Bewegungen und Vereinigungen bis hin zu jenen Teilen der Gewerkschaftsbewegung, die dazu bereit sind, getragen werden. Auch wenn es sich um eine bundesweite Initiative handelt, könnte ein operativer Stab mit regionalem Schwerpunkt in NRW und Hessen eingerichtet werden, wo die Bedingungen dafür günstig zu sein scheinen.

Das Tribunal knüpft inhaltlich an die Attac-Kampagne Power to the People! sowie an das Hamburger Volksbegehren Unser Hamburg- Unser Netz an.

Für die Öffentlichkeitswirkung kommt es sehr darauf an, ein ansprechendes Personaltableau für die folgenden Rollen erstellen zu können: öffentlicher Ankläger, Richter, Pflichtverteidiger (die Konzerne werden kaum das Angebot annehmen, sich mit einem Verteidiger ihrer Wahl am Tribunal zu beteiligen), Jury, Zeugen (von Strahlenopfern bis hin zu Vertreterinnen und Vertretern von Stadtwerken, die die Macht der Konzerne zu spüren bekommen haben) sowie Expertinnen und Experten.

Natürlich soll das Tribunal Aufmerksamkeit bis in die großen Medien hinein wecken und die Aktionen der außerparlamentarischen Bewegungen beflügeln und ihnen mit Argumenten weiteren Schub verleihen. Zugleich sollte aber auch versucht werden, das Ergebnis des Tribunals für parlamentarische Initiativen im Sinne seiner Ergebnisse zu nutzen. Entsprechende Sondierungen bei politischen Parteien (insbesondere bei den Grünen und LINKEN, aber auch bei der SPD), die in Landesparlamenten und im Bundestag vertreten sind, sollten schon in der Vorbereitungsphase beginnen.

3. Erster öffentlicher Ratschlag

Auf dem Kongress „Postwachstum!?“ fand ein erster öffentlicher Ratschlag statt. Trotz des frühen Beginns am Sonntag um 10 Uhr haben über 40 Personen am Workshop teilgenommen. Die meisten waren Aktive in örtlichen Attac-Gruppen, Umweltschutzinitiativen usw. Mit Ulrike Paschek (Ko-Kreis) und Thomas Eberhard-Köster (Rat) waren auch die Attac-Arbeitsstrukturen vertreten.
Die Diskussion war ausgesprochen lebhaft und engagiert. Grundsätzliche Einwände gegen die Idee eines Tribunals wurden nicht vorgetragen. Die Idee wurde als richtig, zeitgemäß und mobilisierungsfähig empfunden. Gleichwohl wurden der hohe organisatorische Aufwand und die Notwendigkeit einer langfristigen Planung von vielen Teilnehmern hervorgehoben. Eine Verwirklichung in 2011 wurde – wie eine Reduzierung auf ein NRW-Tribunal gegen E.on und RWE – eher skeptisch gesehen.

Mehrfach wurde betont, dass der Startschuss für ein Tribunal im Herbst gesetzt werden muss. Zudem wurde von Attac-Mitglieder wie von Vertretern der Basisgruppen (bspw. BBU) die nötige Verantwortung von attac für das Gelingen eines solchen Tribunals betont.

Ein Meinungsbild zeigte: Ein großer Teil der Anwesenden möchte sich am weiteren Prozess der Organisierung eines Tribunals beteiligen!

4. Weiteres Vorgehen

Die Hauptgefahr in solchen Prozessen ist, dass nichts Konkretes vereinbart wird.
Diese Gefahr wurde glücklich dadurch umschifft, dass erste Vereinbarungen getroffen wurden:
Ulrike informiert den Ko-Kreis am 10. Juni über die Tribunal-Idee (dieses Papier wird den Mitgliedern des Ko-Kreises vorab als Tischvorlage zugestellt. Parallel wird es an die Mitglieder der Projektgruppe Energie, Klima, Umwelt versandt.)

– Der Vorschlag eines Tribunals wird auf dem Attac-Rat am 18. Juni im TOP Energie vertieft diskutiert.

Verfahrensvorschlag: Ziel sollte sein, die Initiatoren gemeinsam mit Vertretern des Rates mit einer Projektskizze bzw. Machbarkeitsstudie zu beauftragen, damit der Attac-Rat im Herbst entscheiden kann, in welcher Form und Intensität attac die Kampagne unterstützt.

– Am Samstag, 2. Juli findet im Hamm/Westf. ein erstes bundesweites Vorbereitungstreffen und Vernetzungstreffen für die Organisierung des Tribunals statt. Einlader ist die Bildungsgemeinschaft SALZ e.V. Für attac hat Thomas Eberhard-Köster (Düsseldorf) seine Teilnahme zugesichert. Für das Treffen sollen gezielt weitere Akteure und relevante außerparlamentarische Kräfte angesprochen und gewonnen werden.

Dr. Manuel Kellner, pädagogischer Leiter von SALZ e.V.

Peter Schüren, Bildungsgemeinschaft SALZ) e.V.,
Geschäftsführer

Quelle: Freies Bildungswerk SALZ (= Soziales, Arbeit, Leben, Zukunft).

Euratom abschalten. Deutschland muß sein Engagement bei der Europäischen Atomgemeinschaft beenden. Das wäre ein Signal, daß der AKW-Ausstieg unumkehrbar und international wirksam wird. Von Alexander Ulrich

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

Seit der Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (­Euratom) in den 50er Jahren zahlen Bürgerinnen und Bürger aller Mitgliedstaaten über den EU-Haushalt Milliardensummen, angeblich um die Sicherheit von AKW zu verbessern. Denn eines der großen Ziele des 1957 gegründeten ­Euratom-Vertrages ist es, der Bevölkerung der EU ein hohes Maß an technischer Sicherheit und Strahlenschutz zu gewährleisten.

Trotz dieses kostspieligen Vertrages ist es in der Geschichte der Atomkraftnutzung in Europa immer wieder zu Stör- und Unfällen gekommen. Ein potentielles Strahlungsrisiko kann nach wie vor, auch im Normalbetrieb eines AKW, nie ausgeschlossen werden. Die nicht etwa regelmäßig, sondern erst nach der Katastrophe in Fukushima angesetzten Streßtests für Kernkraftwerke zeigen, wie wenig es bei der Atomkraftnutzung bisher tatsächlich um Sicherheit ging. Während EU-Energiekommissar Günther Oettinger um europaweit härtere Streßtests gegen eine schwer zu bändigende Atomlobby kämpfte, bestand keines der deutschen AKW die Sicherheitschecks der Reaktorsicherheitskommission. So ist keines bei einem Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs sicher. In anderen europäischen Staaten würden die Tests gewiß nicht besser ausfallen, nicht umsonst wehrten sich Großbritannien oder auch Frankreich, das mit seinen 58 Meilern der größte Atomenergieerzeuger Europas ist, gegen eine Verschärfung der Streßtest.
Weltweiter Ausbau
Mit den ­Euratom-Forschungsrahmenprogrammen gibt die EU jährlich Milliarden für die Nuklearenergieforschung aus. So sind für den Zeitraum 2007 bis 2013 allein 5,25 Milliarden Euro für die Nuklearforschung veranschlagt. Die Finanzierung für diesen Bereich ist seit Bestehen von ­Euratom stetig angewachsen. Entlarvend ist hierbei, daß die EU seit Jahrzehnten die größten Summen nicht etwa in den Strahlenschutz oder in die Verbesserung der Sicherheitsstandards investiert, sondern den Schwerpunkt auf die Erforschung von Kernspaltung und besonders der Kernfusion legt. Ein Großteil der ­Euratom-Gelder fließt in den Bau des internationalen Fusions­versuchsreaktors ­ITER in Frankreich. Damit wird eine Energieform gefördert, die mit enormen Sicherheitsrisiken verbunden ist.

Zusätzlich stellte die EU seit 1995 im Rahmen der Kreditvergabe zum Neubau und zur Modernisierung von Atomkraftwerken vier Milliarden Euro bereit. Diese Kredite sollen angeblich die Sicherheitsvorkehrungen von AKW in bestimmten Nicht-EU-Ländern gewährleisten. Bisher genehmigte Kredite zeigen aber deutlich, daß hier weniger Sicherheitsstandards als viel mehr die Bauten neuer Reaktoren finanziert wurden. Offensichtlich entdeckte die Atomindustrie Mitte der 90er Jahre Staaten Ost- und Mitteleuropas als potentielle neue Kunden, um damit die zu jener Zeit stagnierende Kreditvergabe neu anzukurbeln.

Die Verheißung eines hohen Maßes an technischer Sicherheit durch ­Euratom hat sich als trügerisch erwiesen. Während bei den Staats- und Regierungschefs darüber Einigkeit besteht, immense Summen für die Förderung und den Ausbau der Nukleartechnologie auszugeben, haben es dieselben Akteure bis heute nicht geschafft, verbindliche europäische Sicherheitsnormen für den Betrieb von Atomkraftwerken festzulegen. Fukushima hat nun aber die Weltbevölkerung aufgerüttelt. Auch hochindustrialisierte Länder werden in Sachen Atomkraft nicht mehr als sicher bewertet. Der daraus entstandene öffentliche Druck führte schließlich zu neuen politischen Entscheidungen. Sicherheit scheint nun oberste Priorität zu haben.

Aber: Würde es die Bundesregierung mit dem Ausstieg aus der Atomkraft ernst meinen, müßte sie sich auch auf europäischer und internationaler Ebene konsequent dagegen aussprechen. Tatsächlich aber fördert sie über die Vergabe von Hermes-Bürgschaften für Projektstandorte in Brasilien und China sowie mit der Unterstützung von ­Euratom den weltweiten Ausbau der Atomkraft. Offensichtlich scheint die Bundesregierung zu glauben, daß das atomare Risiko bei steigender Entfernung sinkt.
Entflechtung, Entmachtung
Will die Bundesregierung mit ihrer neuesten Antiatompolitik glaubwürdig sein, muß sie eine energiepolitische Wende hin zu einer umwelt- und sozialverträglichen sowie arbeitsmarktorientierten Energieversorgung herstellen. Das kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Förderung und der weitere Ausbau der Nukleartechnologie endlich gestoppt und ­Euratom abgeschafft wird. Deutschland muß mit einem Ende des Engagements bei ­Euratom ein Signal geben, damit der Atomausstieg unumkehrbar und international wirksam wird.

Die Bundesregierung sollte in ihren Forderungen auf europäischer Ebene aber noch weiter gehen und sich mit aller Kraft für die Gründung einer europäischen Gemeinschaft für die Förderung von erneuerbarer Energien und Energieeinsparung einsetzen. Dies kann die Basis für ein sozialökologisches Energiesystem sein. Dabei müssen die Gelder, die für ­Euratom vorgesehen sind, in die sinnvolle Erforschung und den Ausbau von erneuerbaren Energien und ihren Infrastrukturen gesteckt werden. Diese Gemeinschaft muß Anreize für den europaweiten Aufbau von regenerativen Kombikraftwerken geben, in denen das Zusammenschalten verschiedener erneuerbarer Erzeugungsanlagen mit Stromspeichern möglich ist, sowie die Etablierung effizienter Speichertechnologien fördern. Sie muß auf demokratischem Wege eine dezentrale Energieerzeugung voranbringen, die stärker auf regionale Möglichkeiten und Interessen abgestimmt werden kann. Dies hat die Entflechtung und Entmachtung der großen Energiekonzerne zur Voraussetzung. Diese Entmachtung ist auch Voraussetzung für ein neues Energiesystem, das Arbeitsplätze schafft. Einschlägige Studien zeigen, daß der Ausbau von erneuerbaren Energien deutlich positive Auswirkungen auf die Beschäftigungsbilanz haben wird. Stadtwerke, neue Stromanbieter und die Bürger werden zu den neuen Akteuren der Energiewende. Energie darf nicht zu einem Luxusgut werden, das für einkommensschwache Haushalte kaum noch bezahlbar ist. Aus diesem Grund muß ­Euratom einer europäischen Gemeinschaft weichen, die ein sozialökologisches Energiesystem in Europa subventioniert und fördert.

Der Autor ist Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke im Bundestag

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.06.11

Alternative Möglichkeiten. Eine Buchvorstellung

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

„Der Kapitalismus ist alt, krank und unproduktiv geworden. Wir sollten unsere Intelligenz und Phantasie nicht länger mit der Frage verschwenden, wie wir ihn wieder jung, gesund und produktiv machen können.“

Vorwort

Wer möchte eigentlich noch im Kapitalismus leben? Wenn wir aktuellen Umfragen glauben, allenfalls noch eine Minderheit. So gaben bei einer repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts emnid vom August 2010 88 Prozent der Bundesbürger an, dass sie sich eine »neue Wirtschaftsordnung« wünschen, da der Kapitalismus weder für »sozialen Ausgleich in der Gesellschaft« noch für den »Schutz der Umwelt« oder einen »sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen« sorge. In die gleiche Richtung weist eine Umfrage der Uni Jena vom Herbst 2010, nach der 45 Prozent aller Befragten und 52 Prozent aller unter Dreißigjährigen die Aussage unterstützen: »Der Kapitalismus richtet die Welt zugrunde.«

Tatsächlich gibt es für viele Menschen heute immer weniger Grund, das bestehende Wirtschaftsmodell für attraktiv oder auch nur für annehmbar zu halten. Kein Arbeitsplatz ist mehr sicher, nicht einmal im Wirtschaftsboom, seit es als normal angesehen wird, dass Firmen auch bei bester Gewinnlage tausende Stellen streichen und die Dividenden im Gleichschritt mit der Zahl der Leiharbeiter steigen. Der Unterschied zwischen Aufschwung und Krise reduziert sich heute für einen nicht geringen Teil der Bevölkerung auf den Wechsel zwischen Hartz-IV-Aufstockerleistungen und Hartz IV pur. Noch nie gab es in Deutschland so viele Millionäre und noch nie so viele Tafeln und Suppenküchen, vor denen sich in immer größerer Zahl die Ausgestoßenen und Fallengelassenen drängen. Darunter viele Kinder, denen diese Gesellschaft keine Chance geben wird. Noch nie war der Reichtum weniger so groß, aber auch noch nie die Zukunftsangst und Unsicherheit vieler.

Der heutige Kapitalismus lässt nicht allein Oben und Unten in einer Weise auseinander klaffen, die jeden Menschen mit normal entwickeltem Sozialgefühl entsetzen muss. Er zerstört – systematisch, hartnäckig und brutal – auch die Mitte der Gesellschaft. Das reguläre Normalarbeitsverhältnis, das Planungssicherheit und Perspektive gibt, existiert für junge Leute, die heute ins Arbeitsleben einsteigen, fast nicht mehr. Über die Hälfte aller neuen Jobs sind befristet, immer mehr werden so jämmerlich bezahlt, dass man von ihnen nicht leben kann. Wer ein kleines Unternehmen gründet oder führt, wird immer öfter vom Kreditgeiz der Banken in die Pleite getrieben. Egal, ob die Geschäftsidee ihn hätte tragen können oder nicht.

Vergessen sind die Ansprüche, mit denen die bundesdeutsche Gesellschaft einst – nach den schlimmen Erfahrungen von Weltwirtschaftskrise, Nazidiktatur und Krieg – in die Nachkriegszeit gestartet ist. »Wohlstand für alle« war das große Versprechen Ludwig Erhards und der sozialen Marktwirtschaft. Jeder Mensch sollte sein Leben mit annähernd gleichen Chancen beginnen und bei Krankheit und im Alter sozial abgesichert sein. Das privatwirtschaftliche Eigentum sollte, durch Markt und Wettbewerb gelenkt und durch den Sozialstaat gezähmt, Wachstum und steigende Produktivität garantieren sowie eine anpassungsfähige, am realen Bedarf ausgerichtete Wirtschaft. Nie wieder sollte Wirtschaftsmacht so groß werden, dass sie Märkte beherrschen und die Fundamente der Demokratie untergraben kann.

Nichts davon ist übrig. Die Sozialsysteme wurden unter dem Druck mächtiger Wirtschaftslobbys politisch zerschlagen. Gute Versorgung bei Krankheit muss man sich in der Zwei-Klassen-Medizin leisten können. Und auch ein sorgenfreier Lebensabend ist nur noch für den gesichert, der reich genug ist, privat Vermögen anzusparen. Aber der Kapitalismus versagt nicht nur sozial. Er versagt vor allem vor seinen eigenen Ansprüchen. Im realen Wirtschaftsleben sind alle positiven Ideen der Marktwirtschaft tot. Wo gibt es denn noch wirklich offene Märkte und echten Wettbewerb? Stattdessen haben mächtige Global Player sich Märkte und die Politik unterworfen, diktieren ihren Lieferanten die Konditionen und scheren sich kaum noch um die Zufriedenheit ihrer Kunden.

Keine Branche ist in den vergangenen Jahrzehnten weltweit so stark gewachsen wie der Finanzsektor. Aber statt sich um die Kreditversorgung der Wirtschaft zu kümmern, spielen die Zockerbanken mit dem Wohlstand von Millionen Menschen russisches Roulette. Sie tun das ganz unbekümmert, weil sie wissen, dass sie weich fallen werden, wenn es einmal wieder schiefgeht, so wie sie im letzten Crash weich gefallen sind. Die Rechnung dafür wird noch auf Jahre der Normalbürger zahlen, während die Bankster längst die nächste Partie im globalen Casino eröffnet haben. Krude Finanzpapiere, Staatsanleihen, Öl und Mais – alles taugt als Spielgeld für ihre Risikowetten. Die großen Versprechen der Politik zu Beginn der Finanzkrise: vergessen und verdrängt! Alle neuen Regeln: weichgespült von der Finanzlobby bis zur Wirkungslosigkeit. Unverdrossen wird weitergezockt, weitergewettet, weitergetanzt auf dem verdächtig grollenden Finanzvulkan, von dem jeder weiß, dass er irgendwann wieder ausbrechen und das wirtschaftliche Leben mit seiner giftigen Lava ersticken wird.

Aber nicht nur die großen Banken sind ein mahnendes Beispiel wirtschaftlicher Agonie. Auch viele große Konzerne folgen heute einer investitions- und kundenfeindlichen Firmenphilosophie. Anstelle überlegener Qualität werden Größe und Marktmacht angestrebt, statt zu investieren Unternehmensmonopoly gespielt. Die Rendite steigt, indem wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kleingespart wird. Mit sicheren Arbeitsplätzen verschwinden auch Fachwissen, Professionalität und Service. Gelder, die das Unternehmen für Forschung und Entwicklung bräuchte, werden im Shareholder-Value-Wahn ausgeschüttet und verbraten. Warum auch Gewinne ansparen, wenn man sich Subventionen vom Staat holen kann: für Forschung und Investitionen oder auch für Kurzarbeit, wenn das wirtschaftliche Umfeld einmal trüber wird.

Der Kapitalismus ist unter diesen Bedingungen keine Wirtschaftsordnung mehr, die Produktivität, Kreativität, Innovation und technologischen Fortschritt befördert. Heute verlangsamt er Innovation, behindert Investitionen und blockiert den ökologisch dringend notwendigen Wandel. Er verschleudert wirtschaftliche Ressourcen und lenkt menschliche Kreativität und Erfindungsgabe auf die unsinnigsten Betätigungen im Finanzbereich, die gleichwohl am höchsten bezahlt werden.

Persönliche Haftung, das Grundprinzip einer funktionierenden Wirtschaft, ist weiträumig außer Kraft gesetzt. Eine reiche Minderheit hat den Nutzen, den Schaden tragen die anderen. Wenn private Vermögen in einem Krisenjahr wie 2009 schneller wachsen als je, während Millionen Beschäftigte Lohneinbußen hinnehmen und Kommunen unter der Schuldenlast verzweifeln, ist nicht nur etwas, sondern sehr viel faul im Staate.

Der Klimawandel drängt, aber außer pompösen Konferenzen mit vagen Versprechungen passiert wenig. Statt die Umstellung auf erneuerbare Energien voranzutreiben, steuert die deutsche Regierung beherzt in die Atomsackgasse zurück. Ebenso unverdrossen werden neue Autos mit altem Antrieb produziert und in alle Welt verkauft. Steuern zu zahlen ist inzwischen zu einem »Privileg« von Normal- und Geringverdienern geworden. Die Vermögenden und die Konzerne haben sich aus der Finanzierung der Gemeinwesen verabschiedet. Entsprechend unfähig wurde die öffentliche Hand, ihre elementaren Aufgaben zu erfüllen. Das Bildungssystem, das die Basis unseres künftigen Wohlstands sein sollte, ist krank und chronisch unterfinanziert. Die Zahl derer, die die Schule verlassen, ohne je richtig lesen und schreiben gelernt zu haben, und die bei Goethes »Faust« eher an die geballte Rechte eines Boxers denken, wächst. Dazu passt, dass Theater, Bibliotheken und Schulen zu den ersten Sparopfern finanziell ausgepowerter Gemeinden gehören.

Der Privatisierungs- und Liberalisierungsirrsinn hat die Grundversorgung deutlich verschlechtert und teilweise außer Kraft gesetzt. Private-Equity-Haie kaufen Wohnungen und lassen anschließend die Häuser verrotten. Die auf Rendite getrimmte Bahn wartet Gleise und Züge so schlampig, dass bei den geringsten Witterungsunbilden ein Verkehrschaos droht. Bei der zum Bahnkonzern gehörenden S-Bahn der deutschen Hauptstadt ist Chaos seit zwei Jahren der Normalzustand, und daran wird sich so bald auch nichts ändern. Der Weg zum nächsten Postamt ist lang geworden, seit es kein Amt mehr ist. Überlastete und mies bezahlte Zusteller haben keine Zeit mehr, größere Pakete auch in die dritte Etage zu tragen.

Die weltwirtschaftliche Krise schleppt sich hin. Unbewältigt. Ungelöst. Die Regierungen haben kein Konzept außer dem, mit sehr viel Geld Zeit zu kaufen. Zeit wurde gekauft, als die Staaten den Banken für Billionen Euro und Dollar Giftpapiere und faule Kredite abgenommen haben, deren finanzielle Lasten ihnen heute wie Mühlsteine am Hals hängen. Zeit wurde gekauft, als die Wirtschaft mit kreditfinanzierten Antikrisen-Programmen gefüttert, aber an dem wichtigsten den Binnenmarkt strangulierenden Problem – der Einkommenskonzentration bei den Reichen – nicht gerüttelt wurde. Zeit wird gekauft, wenn in der Eurozone die wirtschaftlich stärkeren Staaten für die Schulden der schwächeren bürgen.

Aber die Zahl der Staaten, die die Politik der letzten Jahre an den Rand des Staatsbankrotts bringt, wächst. Auch die USA oder Deutschland sind heute so hoch verschuldet, dass ihre Zahlungsfähigkeit allein auf der Möglichkeit beruht, immer neue Schulden aufzunehmen. Würde der Kreditstrom versiegen, gingen auch hier die Lichter aus. Die aktuellen Sparprogramme bringen keine Besserung, sondern verschlimmern die Situation, indem sie die wirtschaftliche Erholung im Keim ersticken.

Die Regierenden haben keine Ideen mehr, ebenso wenig wie die Ex-Regierenden, die heute mühsam Opposition spielen, obwohl sie sich mit der Regierung in allen wesentlichen Fragen einig sind. Wie oft in niedergehenden Systemen besteht der letzte Ausweg überforderter Politiker in clownesker Realitätsverweigerung. So wird in Deutschland die Vernichtung von Millionen regulären Arbeitsplätzen und ihre Ersetzung durch immer mehr Billigjobs perfide als »Jobwunder« gefeiert. Wenn die deutsche Wirtschaft im Jahr 2010 die Wirtschaftsleistung des Jahres 2007 knapp wieder erreicht, wird das zu einem der »größten Wirtschaftsaufschwünge in der Geschichte der Bundesrepublik« hochgelobt.

Soll es so wirklich immer weitergehen? Wo jede Lebensregung sich rechnen muss, bleiben Freiheit und Menschenwürde auf der Strecke. Demokratie stirbt, wenn Banken und Wirtschaftskonzerne ganze Staaten erpressen und sich die Politik kaufen können, die ihnen nützt. Der Kapitalismus ist alt, krank und unproduktiv geworden. Wir sollten unsere Intelligenz und Phantasie nicht länger mit der Frage verschwenden, wie wir ihn wieder jung, gesund und produktiv machen können. Viel dringender ist eine gesellschaftliche Debatte darüber, wie wir eine Zukunft jenseits des Kapitalismus gestalten können. Das klingt provokativ, ist auch so gemeint, ist aber zugleich eine Einladung zum Dialog zwischen echten, nämlich auch geistig liberalen Marktwirtschaftlern auf der einen und ebensolchen Sozialisten und Marxisten auf der anderen Seite. Nach meinem Buch zur Finanzkrise (»Wahnsinn mit Methode. Finanzcrash und Weltwirtschaft«, Berlin 2008) habe ich etliche positive Erfahrungen in der Diskussion mit solchen offenen und fairen Marktwirtschaftlern gemacht, mit einigen prominenten Professoren und Journalisten. Mit diesem Buch nun will ich die Diskussionsbasis verbreitern.

Ich weiß, für viele Pseudokonservative und Pseudoliberale bin ich der Gottseibeiuns, die finstere Kommunistin, die zurück will in die alte DDR. Ich habe auch deshalb zunehmend gespürt: Es wird Zeit, einen positiven Gegenentwurf zu schreiben, zumindest diesen Entwurf zu beginnen. Es wird Zeit, den typischen FDPlern, die von Ökonomie nicht mehr verstehen als die auswendig gelernten Sprüche aus ihren eigenen Wahlwerbungsprospekten, entgegenzuhalten, wie Marktwirtschaft tatsächlich funktioniert. Und es wird Zeit zu zeigen, wie man, wenn man die originären marktwirtschaftlichen Ideen zu Ende denkt, direkt in den Sozialismus gelangt, einen Sozialismus, der nicht Zentralismus, sondern Leistung und Wettbewerb hochhält.

»Wir müssen es schaffen, die philosophischen Grundlagen einer freien Gesellschaft erneut zu einer spannenden intellektuellen Angelegenheit zu machen, und wir müssen ihre Verwirklichung als Aufgabe benennen, von der sich die fähigsten und kreativsten Köpfe herausgefordert fühlen. Wenn wir diesen Glauben an die Macht der Ideen zurückgewinnen, der die Stärke des Liberalismus in seinen besten Zeiten war, dann ist der Kampf nicht verloren.« Diese Aufgabe, die der liberale österreichische Ökonom Friedrich von Hayek 1949 seinen Anhängern ins Stammbuch schrieb, hat nichts an Aktualität verloren. Allerdings kommt ihre Lösung heute nicht mehr dem falschen Liberalismus, sondern einem kreativen Sozialismus zu.

Sahra Wagenknecht, März 2011

Quelle: Wochenzeitung „Der Freitag“ vom 07.06.11

Diskriminierung weiter möglich. Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

Im Rahmen einer Kooperation mit der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb, die sich an Betriebsräte und Gewerkschafter richtet, berichten wir an dieser Stelle vorab über aktuelle Beiträge und Diskussionen zu Entwicklungen im Arbeitsrecht.

Mit den in diesem Jahr in Kraft tretenden Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beschäftigt sich ein Beitrag des IG-Metall-Juristen Jürgen Ulber in der Juni-Ausgabe der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb. Trotz des Untertitels »Verhinderung von Mißbrauch der Arbeitnehmerüberlassung« liegt der rote Faden der Gesetzesnovelle ihm zufolge darin, »die Möglichkeiten zur Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Leiharbeitnehmern aufrechtzuerhalten«. Dennoch enthalte sie wichtige Änderungen, die den Einsatz von Leiharbeit beschränken und die Rechte der betroffenen Beschäftigten stärken könnten.

So bleibt die Möglichkeit bestehen, den im AÜG enthaltenen Grundsatz gleicher Bezahlung von Leiharbeitern und Stammbeschäftigten per Tarifvertrag zu unterlaufen. Anders ist dies neuerdings, »wenn der Leiharbeitnehmer in den letzten sechs Monaten vor einer Überlassung aus einem früheren, unmittelbar mit dem Entleiher bestehenden Arbeitsverhältnis ausgeschieden war«. Diese Regelung bedeutet indes keine Verhinderung der durch Schlecker berühmt gewordenen Methode, Beschäftigte zu entlassen und als Leiharbeiter wieder in den Betrieb zu holen. Denn der Leiharbeitseinsatz bleibt, so hält es das Gesetz explizit fest, »auch in diesen Fällen weiterhin möglich«. Der Betroffene muß lediglich in den ersten sechs Monaten gleich entlohnt werden wie die Stammbeschäftigten. Positiv ist, daß Leiharbeiter ab Ende dieses Jahres »einen unmittelbaren Anspruch auf Nutzung von Sozialleistungen und -diensten des Entleihers« haben. Das gilt insbesondere für Kinderbetreuung, Kantinen und Beförderungsmittel. (jW)

Arbeitsrecht im Betrieb – Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder. Erscheinungsweise: monatlich. Bezug und Probeabo: www.aib-web.de

Proteste in Marokko

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

Casablanca. Tausende Demonstranten haben in Marokko erneut politische Reformen gefordert. Im Gegensatz zu vorherigen Sonntagskundgebungen schritten die Sicherheitskräfte nicht ein. Teilnehmer berichteten von friedlichen Protestzügen in Rabat, Casablanca und Tanger. An den drei Wochenenden zuvor war die Polizei gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. König Mohammed VI. hat mittlerweile Reformen versprochen und politische Gefangene freigelassen.

(AFP/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.06.11

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