Wolfgang Huste Polit- Blog

»Strahlenproletariat« in deutschen AKW. Betreiber stellen für Reparaturen und gefährliche Arbeiten Tausende Leiharbeiter ein. Von Reimar Paul

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

In seinem Buch »Ganz unten« berichtete der Schriftsteller Günter Wallraff schon 1985, daß die Atomkraftwerksbetreiber für Reparaturen an den Meilern gerne auf Leiharbeiter zurückgreifen. »Für die relativ gefährlichen Arbeiten heuern sie über Subunternehmer immer wieder kurzfristig neue Leute an, die dann oft in wenigen Stunden oder Tagen, manchmal sogar nur Sekunden die Jahreshöchstdosis an Strahlen … weghaben«, so Wallraff. »Ausländer, Türken vor allem, werden bevorzugt eingestellt. Ich nehme an, weil sie so mobil sind.«

Allzu viel geändert hat sich seither offenbar nicht. Wie die Süddeutsche Zeitung am Montag meldete, erledigen immer nochTausende Leiharbeiter viele Aufgaben vor allem bei der jährlichen Wartung der AKW. Das Blatt berief sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken.

Die Zahl der Leiharbeiter in Atomkraftwerken ergibt sich aus der Anzahl der sogenannten Strahlenpässe. In Deutschland haben fast 67000 Beschäftigte ein solches Dokument. Strahlenpässe sind für diejenigen Pflicht, die bei ihrer Arbeit radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind.

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Jahr 2009 in den 17 deutschen Atomkraftwerken knapp 6000 eigene Mitarbeiter der AKW-Betreiber auf Strahlungsbelastung hin überwacht. Für Fremdpersonal, also Leiharbeiter, seien in demselben Jahr 24000 Strahlenpässe ausgestellt worden.

Dem Zeitungsbericht zufolge werden zahlreiche Leiharbeiter für gefährliche Arbeiten eingesetzt. Sie bekämen fast 90 Prozent der gesamten Strahlendosen ab, die Stammbeschäftigten nur etwas mehr als ein Zehntel. Die Bundesregierung beziffert die Jahresdosis für das Eigenpersonal auf insgesamt 1,7 Sievert, für externe Arbeiter sind es zusammengerechnet 12,8 Sievert.

Nach Angaben der Linken-Abgeordneten Jutta Krellmann ist der Anteil der Leiharbeiter in den AKW in den vergangenen 30 Jahren deutlich gestiegen. Die Fremdbeschäftigten würden deshalb wohl »die besonders strahlenexponierten Arbeiten in den AKW übernehmen« müssen. Weil Fremdpersonal in AKW auch als schlechter bezahlt gilt als die Stammbelegschaft, spricht Krellmann vom »Strahlenproletariat in deutschen Atomkraftwerken«.

Ihre Fraktionskollegin Dorothée Menzner befürchtet, daß etliche Leiharbeiter in mehreren Ländern für Arbeiten in AKW angeheuert werden. Sie hätten womöglich mehrere Strahlenpässe und könnten deutlich höheren Strahlenbelastungen ausgesetzt sein. Die Bundesregierung hat darauf aber keine Hinweise.

Für seine Recherchen zu »Ganz unten« interviewte Wallraff mehrere Leiharbeiter, die im – inzwischen stillgelegten – AKW Würgassen beschäftigt waren. Einer sagte: »Du legst das Dosimeter einfach weg, in den Spind zum Beispiel, merkt doch keiner. Da kümmert sich keiner drum. Solange ich hier gearbeitet habe, hat mich keiner danach gefragt. Wo nichts ist, kann auch nichts aufgezeichnet werden mit dem Ding«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.06.11

Jagd auf Kriegsgegner. Von Claudia Wangerin

Dienstag, 07. Juni 2011 von Huste

Inge ­Viett ist wieder in den Schlagzeilen – und mit ihr die junge Welt: Wegen einer Meinungsäußerung über militante Antikriegsaktionen auf dem Podium der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz Anfang Januar hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage wegen Billigung von Straftaten gegen das ehemalige RAF-Mitglied erhoben. Das »ehemalig« sparte sich die Springer-Zeitung Die Welt in ihrer Überschrift, als sie am Montag über den Fall berichtete: »Staatsanwaltschaft klagt RAF-Terroristin ­Viett an«, schrieb das Blatt knapp 30 Jahre, nachdem Inge ­Viett aus der Untergrundorganisation Rote Armee Fraktion ausgestiegen war und in der DDR ein neues Leben angefangen hatte. »Im Gegensatz zu vielen ihrer früheren Weggefährten hat sich ­Viett nie erkennbar von der RAF distanziert«, heißt es in dem Artikel. Und: »Ihre Strafe von 13 Jahren mußte ­Viett nur zur Hälfte verbüßen«.

Die Äußerung, für die nun erneut Anklage gegen die 67jährige erhoben wurde, lautet: »Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion, wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken.« Die Anklageschrift nach Paragraph 140 listet der Staatsanwaltschaft zufolge neun Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge im Zeitraum von Juni 2009 bis Mai 2010 auf. »Frau ­Viett wird vorgeworfen, vor etwa 1200 Zuhörern, darunter den versammelten Journalisten aus Funk und Presse, unter anderem die genannten Taten gebilligt zu haben«, zitiert die Welt den Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Seither wird Inge ­Viett allerhand angelastet: Für einen Brandanschlag auf einen Kabelkanal am Berliner S-Bahnhof Ostkreuz vor zwei Wochen machte sie etwa der Innenausschußvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU) mitverantwortlich – obwohl ihre Aussage über Sachbeschädigungen sich auf Rüstungsgüter bezog. »Genau durch solche Sprüche« wird nach Bosbachs Meinung »Kriminellen eine politische Legitimation verliehen«.

Die Podiumsdiskussion zum Thema »Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« bei der von junge Welt veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz war schon im Vorfeld von Springer-Medien skandalisiert worden, die damit der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit und dem Spiegel folgten. Grundlage war ein Artikel, den Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch zur Vorbereitung der Konferenz in der jungen Welt veröffentlicht hatte. Die Spitzenpolitikerin hielt dem Druck so weit stand, daß sie zwar als Rednerin zu der Tagung erschien, jedoch nicht wie geplant an der Podiumsdiskussion mit Inge ­Viett, der DKP-Vorsitzenden Bettina Jürgensen und anderen teilnahm.

Welt-Autor Uwe Müller nutzte am Montag die Anklage gegen ­Viett, um genüßlich in Richtung Lötzsch und Linkspartei nachzutreten: Die Vorsitzende gelte seither »in den eigenen Reihen als angeschlagen«, eine Teilnahme an der Talkrunde wäre »einem politischen Harakiri gleichgekommen«. Und: Lötzsch hätte die nun inkriminierte Passage »frühzeitig kennen können«– stand sie doch vier Tage vor der Veranstaltung in ­Vietts Posi­tionsartikel in der jungen Welt.

Viett selbst will sich vor dem Prozeß mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhalten. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr bis zu drei Jahre Haft. Der zuständige Sprecher der Staatsanwaltschaft war am Montag trotz mehrmaliger Nachfrage für diese Zeitung nicht zu sprechen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.06.11

Anmerkungen von Wolfgang Huste:

„Was ist besser: Ein Panzer, der „versehentlich“ Zivilisten tötet, oder ein Panzer, der erst gar nicht zum Einsatz kam? Was ist besser? Eine Tellermine, die das Bein eines Kindes abriß- oder eine Tellermine, die erst gar nicht gebaut worden ist? Kriege werden nicht in unserem Interesse geführt, Kriege dienen nur imperialistischen Kräften, den jeweils herrschenden Eliten!“.

Grüne müssen nicht springen

Montag, 06. Juni 2011 von Huste

Der Sprecher der Antiatomorganisation »ausgestrahlt«, Jochen Stay, richtete am Sonntag einen offenen Brief an den Bundesvorstand der Grünen, in dem er die Partei aufforderte, der Atompolitik der Bundesregierung nicht zuzustimmen:

Am Montag wollt Ihr beraten, wie Ihr Euch gegenüber den atompolitischen Vorstellungen der Bundesregierung positioniert. Nach der neuesten Forsa-Umfrage wollen 56 Prozent der Bevölkerung einen vollständigen Atomausstieg bis 2016 oder früher. Die Mehrheit will also einen schnelleren Ausstieg, als ihn selbst die Grünen fordern (2017) – aber in keinem Fall den Weiterbetrieb der letzten AKW bis 2022.

Wir fordern Euch nachdrücklich auf, der Atompolitik der Bundesregierung nicht zuzustimmen – und zwar aus folgenden Gründen:

1. Nach dem aktuellen Plan der Regierung sollen bis 2017 – dem Jahr, in dem nach grüner Vorstellung das letzte AKW vom Netz gehen soll, nur zwei von neun verbleibenden Reaktoren stillgelegt werden. Sieben laufen weiter, sechs davon noch vier oder fünf Jahre länger. Keines davon ist nach dem Bericht der Reaktorsicherheitskommission gegen Flugzeugabstürze gesichert. In jedem einzelnen kann jeden Tag die Kernschmelze eintreten.

2. Sechs AKW sollen damit noch mehr als zehn Jahre – über drei Bundestagswahlen hinweg – am Netz bleiben. Damit ist der Ausstieg nicht unumkehrbar, sondern das öffnet Tür und Tor für eine spätere Revision der jetzigen Beschlüsse.

3. Die Kanzlerin hat auf ihrer Pressekonferenz nach dem Gespräch mit den MinisterpräsidentInnen am Freitag erklärt, daß sie an der Regellaufzeit von 32 Jahren festhalten will und nicht – wie von Renate Künast kolportiert – auf 30 Jahre runtergehen wird.

4. Die Bundesregierung hat beschlossen, den Bau des Atommüllendlagers im dafür völlig ungeeigneten Salzstock Gorleben weiter voranzutreiben. Damit werden Tatsachen geschaffen, die es in Zukunft immer schwerer machen werden, Gorleben zu verhindern.

5. Es soll dabei bleiben, daß eines der besonders unsicheren AKW als sogenannte »Kaltreserve« in den nächsten beiden Wintern hochgefahren werden kann.

6. Die Senkung der Sicherheitsstandards in der Atomgesetznovelle wird nicht zurückgenommen. Eine Verbesserung des Sicherheitsstandards durch die Übernahme des neuen Kerntechnischen Regelwerks wird nach wie vor nicht verwirklicht.

7. Die Bundesregierung hat sich Konsensgesprächen sowohl mit den Grünen als auch mit den Umweltverbänden verweigert.

All dies zeigt, daß die Kriterien für eine Zustimmung, die Ihr vor wenigen Tagen selbst aufgestellt habt, nicht erfüllt werden. Damit kann es kein grünes »Ja« geben. Es würde die Glaubwürdigkeit der Grünen extrem beschädigen, wenn sie all dies mittragen. Ihr sagt von Euch, Ihr seid die Antiatompartei. Doch bei einer Zustimmung droht den Grünen das Schicksal einer bekannten Steuersenkungspartei, die die Erwartungen ihrer WählerInnen nicht erfüllen konnte.

Die Grünen müssen nicht springen, nur weil Rainer Brüderle ein Stöckchen hinhält.

Die Auseinandersetzung um die Atomenergie wird weitergehen, alleine schon deshalb, weil die großen Stromkonzerne in den nächsten Jahren alles dafür tun werden, daß ihre Gelddruckmaschinen doch noch länger in Betrieb bleiben können. Wir werden deshalb weiter auf der Straße gegen den Weiterbetrieb der AKW demonstrieren, auch weil die Risiken bis 2022 nicht kleiner werden, sondern in alternden Anlagen immer größer. Auf welcher Seite werdet Ihr dann stehen? (…)

Quelle: www.ausgestrahlt.de

Merkels Sprüche statistisch widerlegt

Montag, 06. Juni 2011 von Huste

Paris. Eine Studie einer französischen Bank über die Arbeitszeiten in Europa widerlegt die Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Arbeitsmoral in den krisengeschüttelten südlichen Euro-Ländern. Laut der Studie der Natixis-Bank, die sich in erster Linie auf Zahlen des Statistik­amts Eurostat und der OECD bezieht, beträgt die jährliche Arbeitszeit eines Deutschen im Durchschnitt 1390 Stunden. Ein Grieche arbeitet demnach durchschnittlich 2119 Stunden im Jahr, ein Italiener 1773 Stunden, ein Portugiese 1719, ein Spanier 1654 und ein Franzose 1554 Stunden.

(AFP/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.06.11

Tausende Israelis demonstrieren für einen Palästinenserstaat

Montag, 06. Juni 2011 von Huste

Tel Aviv. Tausende Israelis haben am Samstag abend an einer Friedensdemonstration teilgenommen, mit der sie die Regierung aufforderten, einen Vorschlag Obamas zu akzeptieren, wonach Friedensverhandlungen mit den Palästinensern auf der israelischen Grenzziehung vor dem Krieg von 1967 aufbauen sollten. Einige der Teilnehmer bezogen sich auf die Rebellionen in der arabischen Welt: »Wir kämpfen wie die Ägypter gegen eine rassistische Regierung!« Auf Schildern hieß es »Yes We KEN«, was wiederum »Ja« auf Hebräisch heißt (Foto). Mit Blick auf die Standing Ovations, mit denen Parlamentarier in Washington die jüngste Rede von Israels Staatschef Benjamin Netanjahu feierten, kritisierte der israelische Dramatiker und Schriftsteller Joschua Sobol: »Mitglieder des US-Kongresses werden nicht diejenigen sein, die den Preis für den nächsten Krieg zahlen werden. Als Netanjahu Nein zu den Grenzen von 1967 gesagt hat, hat er Nein zum Frieden gesagt.«

An der Aktion, zu der linke Parteien und Bewegungen aufgerufen hatten, beteiligten sich zwischen 5000 und 9000 Menschen.

(dapd/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.06.11

Klagen gegen Ein-Euro-Jobs. Bundessozialgericht stärkt Hartz-IV-Kritiker und Gegner von »Arbeitsgelegenheiten«. Die IG BAU hat ihre Mitglieder zu rechtlichen Schritten aufgerufen. Von Johannes Birk

Montag, 06. Juni 2011 von Huste

Wenn ein Hartz-IV-Empfänger dazu gedrängt wird, einen unzulässigen Ein-Euro-Job anzunehmen, dann stehen seine Chancen sehr gut, den branchenüblichen Tariflohn zu bekommen. Wehrt er sich, kann er sich künftig auf zwei richtungsweisende aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts berufen (Az: B 14 AS 98/10 R; B 14 AS 101/10 R).

Nach den kürzlich veröffentlichten Entscheidungen steht Ein-Euro-Jobbern der Tariflohn zu, wenn ihre Arbeit dazu geeignet ist, eine reguläre Stelle zu verdrängen. Denn Langzeiterwerbslose dürfen laut Sozialgesetzbuch nur in eine zusätzliche Stelle vermittelt werden, die im öffentlichen Interesse liegt – eine »Arbeitsgelegenheit« also, die es sonst in dieser Form nicht geben würde. Das Gericht hatte über die Klage eines Betroffenen aus Mannheim zu entscheiden, der in seinem Ein-Euro-Job als Umzugshelfer eingesetzt worden war. Es habe sich hier nicht um zusätzliche Arbeiten gehandelt, stellten die Richter fest. Der Mann bekommt jetzt den einem Umzugshelfer zustehenden Tariflohn erstattet.

Nach Ansicht der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) haben die Richter damit ins Schwarze getroffen. Nun empfiehlt die Gewerkschaft ihren Mitgliedern, Massenklagen für Tariflohnnachzahlungen auf den Weg zu bringen. Sie könnten dafür den Rechtsschutz der DGB-Gewerkschaften in Anspruch nehmen, teilen in diesen Tagen zahlreiche örtliche IG-BAU-Bezirksverbände ihren Mitgliedern mit.

Im Kasseler Urteil und in der schon zuvor vom Bundesrechnungshof getroffenen Feststellung, daß bei etwa der Hälfte aller Ein-Euro-Jobs bundesweit die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung fehle, sehen nun Kritiker von Ein-Euro-Jobs neue Bestätigung. »Bisher sind dadurch bundesweit rund 150000 reguläre Arbeitsplätze weggefallen«, monierte ein IG-BAU-Sprecher.

In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden fehlen nach Recherchen der Gewerkschaft gar bei drei Viertel aller örtlichen Ein-Euro-Jobs die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung. Die Kommune hatte in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Ein-Euro-Jobs mehrfach Schlagzeilen gemacht. CDU und SPD, die jetzt für die kommenden fünf Jahren eine Rathauskoalition vereinbart haben, wollen den bisherigen Kurs fortsetzen.

Kritiker weisen seit langem darauf hin, daß die Wiesbadener Stadtverwaltung zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch Ein-Euro-Jobs ersetzt habe, und beklagen dies als einen mit Bundesmitteln öffentlich subventionierten Abbau von regulären, versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. So seien seit der Umsetzung der Hartz-Gesetze in der direkten Verantwortung der Stadt mindestens 100 versicherungspflichtige Arbeitsplätze direkt oder indirekt abgebaut, verdrängt oder nicht wieder besetzt worden, erklärt die örtliche IG BAU. Dies betreffe insbesondere Arbeiten in Grünanlagen, Hausmeistertätigkeiten in Schulen und Bürgerhäusern sowie Küchenarbeiten und andere Aushilfs­tätigkeiten in Kindertagesstätten. Dazu kämen ähnliche Effekte durch weitere 650 vernichtete Jobs bei anderen Trägern vor Ort etwa im Sozial- und Pflegebereich. Auch der örtliche ver.di-Bezirk teilt die Ansicht, »daß Ein-Euro-Jobs arbeitsrechtlich und tarifrechtlich gestaltete Beschäftigung aushöhlen und zu einer Verdrängung regulärer Beschäftigung führen« und fordert deren Umwandlung in reguläre Arbeitsverhältnisse. Während allein in Parks und Friedhöfen Dutzende Ein-Euro-Jobber eingesetzt seien, müßten Auszubildende um ihre Übernahme bangen, so ein ver.di-Aktivist.

Der Fall eines Ein-Euro-Jobbers, der im dichtbesiedelten innenstadtnahen Wiesbadener Rheingauviertel als Spielplatzwärter eingesetzt wird und dabei für reguläre Arbeiten wie Auf- und Zuschließen sowie Reinigung des Toilettenhäuschens, Aufsammeln von Müll und Unrat, Grünschnitt und Platzaufsicht zuständig ist, wird jetzt den Ortsbeirat befassen. Ein vom Vertreter der Linken im Gremium eingereichter Antrag verlangt die Ersetzung des Ein-Euro-Jobs durch eine Festanstellung bei der Stadtverwaltung.

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.06.11

Marschbefehl für Merkel. Von André Scheer

Montag, 06. Juni 2011 von Huste

In Libyen steht eine Bodenoffensive der NATO-Truppen offenbar kurz bevor. Das erklärte der stellvertretende russische Ministerpräsident Sergej Iwanow am Sonntag am Rande einer regionalen Sicherheitskonferenz in Singapur. Der am Sonnabend begonnene Einsatz von NATO-Kampfhubschraubern sei der letzte Schritt vor dem Eingreifen von Bodentruppen gewesen. Erstmals hatten Großbritannien und Frankreich am Wochenende »Apache«-Maschinen gegen die libysche Hauptstadt Tripolis eingesetzt. Zugleich flogen Kampfjets am Sonntag wieder Angriffe, nur Stunden nachdem der britische Außenminister William Hague die Rebellenhochburg Bengasi besucht hatte. Auch die Aufständischen setzten einem Bericht der kubanischen Agentur Prensa Latina zufolge ihre Offensive gegen die Regierungstruppen fort und übernahmen die Kontrolle über die kleine Siedlung Bir Ayad an der Grenze zur Gebirgsregion Nafussa.

Gegenüber dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel (Montagausgabe) forderte US-Präsident Barack Obama die deutsche Bundesregierung zu einem stärkeren Einsatz für den Sturz des Regimes von Muammar Al-Ghaddafi auf. Deutschland unterstütze bereits indirekt die ­NATO-Operationen gegen Tripolis, lobte der nordamerikanische Staatschef. Er freue sich auf die Diskus­sion mit der Kanzlerin, »wie wir gemeinsam noch mehr tun können, um effektiver auf die Veränderungen in der Region zu reagieren«, zitierte die Zeitung vorab aus dem schriftlich geführten Interview. Merkel wird am heutigen Montag in Washington erwartet, wo sie am Dienstag mit der »Presiden­tial Medal of Freedom« ausgezeichnet werden soll. Widerspruch zur Kriegspolitik des Friedensnobelpreisträgers kommt aus der mitreisenden deutschen Delegation. »Ich fliege mit, um Obama und Außenministerin Hillary Clinton zu verstehen zu geben, daß die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung keine weitere Kriegsbeteiligung will«, unterstrich die linke Außenpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen gegenüber junge Welt. »Ob in Afghanistan, Libyen oder anderswo.«

Die UN-Sicherheitsratsresolution 1973, mit der die NATO ihren Luftkrieg gegen Libyen begründet, spielt unterdessen kaum noch eine Rolle. Ziel der militärischen Aktionen sollten dem Beschluß zufolge die »Durchsetzung einer Flugverbotszone« und der »Schutz der Zivilbevölkerung« sein. Der Einsatz von »Besatzungstruppen« wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Nur unter dieser Maßgabe hatten Rußland und China auf ihr Vetorecht verzichtet. Peking und Moskau haben seither wiederholt einen sofortigen Waffenstillstand in dem nordafrikanischen Staat verlangt. Entsprechende Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union scheiterten bislang jedoch an Vorbedingungen der Rebellen und der NATO.

»Wir haben der Resolution des UN-Sicherheitsrates zugestimmt und sind dabei davon ausgegangen, daß dieses Dokument auf die Festigung des Friedens und die Verhinderung einer Konfliktausweitung und des Todes von Zivilisten ausgerichtet ist. Aber die Handlungen der ­NATO können nicht anders als Einmischung in den Bürgerkrieg auf der Seite einer der sich bekämpfenden Gruppierungen bewertet werden«, beklagte Iwanow deshalb in Singapur. Rußland sei über »die zunehmende nichtproportionale Anwendung der militärischen Gewalt besorgt«, zitierte die Nachrichtenagentur Ria-Nowosti den russischen Spitzenpolitiker.

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.06.11

O Grusel der Seligkeit. Lustig oder lästig? Dresden hat Kirchentag. Von Wiglaf Droste

Samstag, 04. Juni 2011 von Huste

Wann immer ich von Christen angesprochen wurde in meinem Leben, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Die sind schon freundlich, dachte ich, aber nicht einfach nur so – die wollen etwas von dir. Irgend etwas stimmt mit denen nicht; die sehen so bieder aus und kommen so pseudosanft rüber, aber dann werden sie übergriffig und besitzergreifend. Gibst du ihnen den kleinen Finger, nageln sie dir irgendwann beide Hände ans Kreuz. Warum wollen Christen so vieles wissen, das man allenfalls privat und absolut freiwillig erzählt? Und dann sind sie auch noch so seltsam gesellig, als müßten sie sich wechselseitig ihrer Existenz versichern. Ständig lächeln sie dich an und sagen: Komm zu uns, wir beißen nicht. Für Piranhas mit den dritten Zähnen mag das zutreffen. Ich möchte mir trotzdem ein Leben ohne öffentliche Ausstellung von Glauben erlauben, also eines ohne zudringliche Gläubische.

Dresden, ein Ort vielfältiger Heimsuchungen und Schrecken, wird in diesen Tagen von Alliierten Christenverbänden angegriffen. Die Stadt hat Kirchentag, Hilfe ist nicht in Sicht. Die Evangelischen finden sich ein, mit Brotschuh oder Sandale am Fuß zelebrieren sie Bibelkreistanz und Abendmahlssalat. Haben die kein Zuhause? Muß jeder Privatwahn an die Öffentlichkeit? Ist das Leben eine Talkshow? Ist Christentum nur ein anderes Wort für Exhibitionismus? Und kommen dann wenigstens auch die Löwen? Im Verhältnis eins zu eins?

Die Frage ist nicht abwegig; Christen meinen es gut mit Tieren: Eine Veranstaltung auf dem Dresdner Kirchentag heißt »Bruder Bulle – Schwester Huhn. Eine theologische Reflexion von Dr. Rainer Hagencord, Leiter des Instituts für Theologische Zoologie, Münster«. Theologische Zoologie? Gibt es das wirklich? Kann man so etwas studieren? Und lernen die Tiere in der Wald-, Wiesen- und Savannenuniversität im Gegenzug zoologische Theologie? Müssen sich Cousine Eichhörnlein und Schwager Springbock kreuzigen lassen? Ohne ein verschärftes Bedürfnis nach Kitsch und Irrsinn gäbe es keine Religion.

Kitsch ist ein anderes Wort für fromme oder schöne Lügen, und die werden reichlich erzählt, wenn ein Kirchentag sich breitmacht. Es handelt sich ja nicht um ein Treffen komasäuferischer Radaubrüder im Fußballwahn; im Namen des Herrn geht alles nicht mit den, sondern mit dem Rechten zu. Der Kirchentag ist biodynamisch durchorganisiert, nicht einmal Deutschlands ehemalige Superchristin Margot Käßmann reist mit dem Auto an. Gott allerdings konnte wegen ökologischer Bedenken nicht eingeladen werden; der ältere Herr fährt einen rasanten Fiat Lux – oder, wenn man ihn wieder einmal für tot erklärt hat, wenigstens einen Tempi Passati.

Sein Fehlen wird auf dem Dresdner Kirchentag nicht bemerkt werden; die Guten haben genug mit ihrem eigenen Gutsein zu tun, und wo Energiesparfunzeln angebetet werden, ist kein Licht. Davon profitieren als Kirchentagsteilnehmlinge auch die Grünen Cem Özdemir und Renate Künast, die Theodor Adorno Lügen strafen wollen und tapfer behaupten: Doch, es gibt ein richtiges Leben im falschen. Seht uns nur an, wir machen das jeden Tag! Die meisten erkennen den Hörfehler erst später: Es gibt ein richtiges Leben mit Flaschen. Ob man für Grüne auch Pfand bekommt?

Grüne und Christen liegen ohnehin nah beieinander, nicht nur in der Kleiderunordnung, sondern vor allem beim Heucheln. Ausbeutung heißt »Fair Trade«, und Kriege werden gut: Was nicht gerecht ist, wird eben gerecht gemacht. Der Kreuzfahrer light heißt Glaubetrotter. Drückt und zwackt ihn das Gewissen, wird er ein kritischer Christ – eine ganz besonders fatale Erscheinung mit Hang zum christlichen Kabarett. Für Bedürfnisse dieser Art stehen ein Dresden ein »Prof. Dr. Okko Herlyn, Duisburg« ebenso zur Verfügung wie die »Avantgardinen, Nürnberg«, der »Klüngelbeutel, Köln« und der unvermeidliche Überallmitschnacker Dr. Hirschhausen, der auch die Organisation »Humor hilft heilen« gründete. Läge ich im Spital und ein Heilclown juxte mich an, ich stürbe direkt am Hirnschlag.

Christenaufmärsche sind nicht nur sprachlich und kopfmäßig eine Tortur, sondern auch politisch. »Demokratie lernen nach dem Kommunismus« darf man in Dresden auch, mit »Dr. h.c. Lothar de Maizière, Ministerpräsident DDR 1990, Berlin« und »Dr. Dr. h.c. Reinhard Höppner, Magdeburg«. Möchte man sich von solchen Ehrendoktoren verkunstfehlern lassen? Oder ist das Gnadenbrot?

Der Christentag stellt sogar noch drängendere Fragen: »Darf man Nazis konfirmieren?« Wer will das wissen und warum? Wüßte Bomber Harris eine Antwort darauf? Oder Wladimir Kaminer, der mit seiner »Russendisco« selbstverständlich auch dabei ist, unter dem Titel »Tanzen bis zum Ende«. Möge bitte wenigstens das keine leere Versprechung sein.

Warum Religion? Wer, außer Sektenangehörigen, braucht Sekten? Martin Luther war der Mann, der die Menschheit in das Elend des Protestantismus stürzte, als diese gerade das grausame Joch des Katholizismus abwarf. Alle Welt hätte sich von der Knechtschaft befreien können, doch dann kam ein gläubischer Extremist und verkündete: Religion zurück auf Los, marsch, marsch, jetzt machen wir wieder ernst mit der Quälerei. Luther war ein Vorgänger Bin Ladens, die Zahl seiner Opfer ging schon zu seinen Lebzeiten in die Hunderttausende.

Am 14. Mai starb Michael John, der die Erfurter Herbstlese erfand und dann auch noch die Erfurter Frühlingslese organisierte. Ich freute mich immer, von ihm eingeladen zu werden, und ich weiß noch genau, was er bei unserer letzten Begegnung am 27.März zu mir sagte: »Man kann gegen die DDR eine Menge sagen, aber diese penetranten Christen hat sie gut in Schach gehalten und zurückgedrängt. Und aus Rache dafür sitzt hier seit 1989/90 auf jedem zweiten Stuhl ein Christ, hat von nichts eine Ahnung, redet aber überall mit, will bestimmen und nervt.«

Kann man es treffender sagen? Daß Frauen ihre Tage haben, ist nicht zu ändern. Mit Kirchentagen verhält es sich anders, die sind organisiert. Wo kriegt man auf die Schnelle 500000 Löwen her?

Quelle: www.jungewelt.de vom 03.06.11

Oskar Lafontaine befaßte sich beim Marx21-Kongreß mit der öffentlichen Diskussion zu drei Reizvokabeln: Kommunismus, Antisemitismus, Trotzkismus.

Samstag, 04. Juni 2011 von Huste

Der Kongreß »Marx is Muss« befaßt sich seit Donnerstag bis zum Sonntag in Berlin mit dem Thema: »Die Systemfrage stellen – welches Programm braucht Die Linke?« Auf dem Eröffnungspodium hielt der frühere Parteichef und heutige Vorsitzende der Linksfraktion im saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, eine Grundsatzrede, die wir basierend auf einer Tonaufzeichung auszugsweise dokumentieren.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

ich bedanke mich herzlich für die Einladung. Ich begrüße natürlich auch unsere Gegner – ich weiß, daß einige hier sind und schon darauf lauern, uns wieder einen ’reinwürgen zu können. Besonders begrüße ich auch die Damen und Herren des Verfassungsschutzes – was wäre eine solche Veranstaltung ohne sie? Sie sind sicher auch gekommen, um zu sehen, ob jemand den Kommunismus wieder einführen will oder ob jemand Antisemitismus vertritt oder den Trotzkismus.

Also, wenn ich diese drei Reizvokabeln, die endlos gegen uns ins Feld geführt werden, schon genannt habe, will ich erst etwas zur Kommunismusdiskussion sagen. Die ist nirgendwo so beschränkt wie in der Bundesrepublik Deutschland. Ich sage das als jemand, der an der französischen Grenze wohnt und weiß, wie man in Frankreich über Kommunismus diskutiert. Dort wird der Kommunismus verbunden mit der Résistance. Das hat eine ganz andere Dimension und daher auch eine andere Diskussion zur Folge. Und ich war oft in Spanien, da wird der Kommunismus verbunden mit dem Bürgerkrieg. Da würde niemand auf die Idee kommen, eine solche Diskussion zu führen, wie wir sie hier führen. Oder in Italien, da ist der Kommunismus verbunden mit den Partisanen.
Und hier in Deutschland geht das Ganze ja nur, weil sofort die Klappe runterfällt – Kommunismus ist also Mauer, Stacheldraht und Stalin/Mao – das war’s dann. Nicht zuletzt auch, weil es ja gelungen ist, hier im Westen der Republik den kommunistischen Widerstand dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Das war ja ganz bewußt so, daß man die Männer und Frauen vergessen hat, die den Widerstand gegen den Faschismus geleistet und die ins KZ gegangen sind. ( …)

Wir haben als Schüler gelernt: Widerstand, das waren die Männer des 20. Juli. Nein, Widerstand, das waren zunächst mal viele Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Arbeiter, die also Widerstand geleistet haben gegen den Faschismus. Das ist eine Verfälschung der deutschen Geschichte gewesen, was wir als Jugendliche gelernt haben.

Zum Antisemitismus möchte ich nur feststellen – natürlich gibt es einen latenten Antisemitismus in der Bevölkerung. Jeder weiß das, quer durch alle Schichten der Bevölkerung. Wer etwas anderes glaubt, irrt sich oder nimmt Tatsachen nicht zur Kenntnis. Es gab ihn immer, es gibt ihn auch auf der Linken, und deshalb müssen wir wachsam bleiben. Aber daß in der Linken Antisemitismus nichts verloren hat, das muß nicht erst ausgesprochen werden, wenn man die Geschichte der Linken kennt. Ihr Antisemitismus anzudichten, ist doch das Beschränkteste, was man überhaupt tun kann. Ich möchte darauf hinweisen: Wenn eine Partei, die Globke und Filbinger als Mitglieder hatte, den Antisemitismus zum Vorwurf an die Linke umfunktioniert, dann ist das eine Dreistigkeit ohnegleichen.

Dasselbe gilt für die Partei Jürgen Möllemanns oder Eriche Mendes (beide FDP) oder für welche Partei auch immer. Also wenn irgendjemand Aufarbeitungsbedarf hat, dann sind es die Parteien, die nach dem Kriege so viele Nazis in ihren Reihen hatten, daß jetzt– Gott sei Dank – einzelne Fraktionen dazu übergegangen sind, die Landtage danach zu untersuchen, wieviele NSDAP-Mitglieder in den einzelnen Fraktionen nach dem Kriege waren.
Ist Gabriel ein verkappter Trotzkist?
Nun habt ihr mir ein Problem bereitet, jetzt bin ich nämlich bei den Trotzkisten gelandet, also muß ich mich wieder mit dem Trotzkismus beschäftigen. Das große Problem bei den »Ismen« ist, daß keiner bereit zu sagen, was er denn darunter versteht. Zunächst verbindet man mit dem Trotzkismus den Begriff »Entrismus«– gemeint sind damit Gruppen, die in Parteien eintreten, um dort Einfluß zu nehmen und in irgendeiner Form auf Programmatik und Politik dieser Partei einzuwirken. Ich selbst bin auch in Parteien eingetreten, um Einfluß zu nehmen, bin also ebenfalls, wenn man so will, des Trotzkismus verdächtig. Dann habe ich an den guten SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel gedacht, der hat jetzt die Reformer der Linken zum »Entrismus« in die SPD aufgerufen, der ist gewissermaßen auch ein verkappter Trotzkist. Um das ganze abzurunden: Da der Verfassungschutz sich ja nicht nur in der Mitgliedschaft der NPD herumtreibt, sondern sicherlich auch versucht, bei der Linken Fuß zu fassen, ist er eben auch eine trotzkistische Einheit.

Das nächste, was im Lexikon steht, ist dann die permanente Revolution, das hat mich ebenfalls in Schwierigkeiten gebracht, weil ich jetzt ja weiß, was in den arabischen Ländern los ist. Quer durch die Parteien wird diese Revolution unterstützt, beispielsweise durch Guido Westerwelle, der immer dort hinreist. Der wäre dann auch ein Trotzkist – das hat mich in Verwirrung gestürzt, weil ich nicht weiß, wie ich das alles jetzt behandeln soll.

Und dann kommt noch der »Sozialismus von unten«. Das kann man ja nun wirklich niemanden vorwerfen, denn wenn wir etwas nicht wollen, dann ist es der »Sozialismus von oben«. Das haben unsere Gegner dann richtig erkannt, daß wir tatsächlich keinen verordneten Sozialismus, von wem auch immer, wollen.

Dennoch möchte ich sagen, weil ich jetzt gerade bei Entrismus, Trotzkismus, Kommunismus, Sozialismus bin, daß ich eine Empfehlung geben möchte, damit komme ich dann zum Programm. Ich empfehle, daß wir als Linke lernen, Fremdwörter zu übersetzen. Denn das macht uns angreifbar, wenn immer wieder Fremdwörter in der Debatte sind; wenn man sie nicht übersetzt, dann kann mit diesen Wörtern geschrieben werden, was man will. Und das große Problem der deutschen Debatte ist ja, daß zu viele Fremdwörter benutzt werden, und daß diejenigen, die sie gebrauchen – ob schreibende oder redende Zunft –, zu denkfaul sind, um sie zu definieren.

Ich habe gesagt, die Linke sei eine demokratische Erneuerungsbewegung – ich will das mal als Überschrift nehmen. Wenn man das sagt, muß man auch wissen, was man unter Demokratie versteht. Kennt Ihr irgendein Programm, in dem das steht? Guckt mal die Programme der anderen Parteien an! Ich habe dort noch nichts gefunden, und deswegen möchte ich die klassische Definition vortragen, weil sie unser Programm bündelt. Wir, Die Linke, verstehen unter Demokratie eine Gesellschaftsordnung, in der sich die Interessen der Mehrheiten durchsetzen. Das ist eine ganz einfache Definition, aber sie hat es in sich. Sie definiert nämlich Demokratie vom Ergebnis her, nicht vom Formalen her.

Wir sind in Deutschland leider gewohnt, Demokratie vom Formalen her zu definieren – also, daß wir dann und dann zur Wahl gehen und was weiß ich. Nein, sie muß vom Ergebnis her definiert werden. In einer Gesellschaft, in der die Reallöhne seit Jahren fallen, in der die Renten seit Jahren fallen, in der soziale Leistungen seit Jahren gekürzt werden, dort herrscht keine Demokratie nach unserer Definition, weil sie vom Ergebnis her zu definieren ist und nicht nur vom Formalen.
Noch ein »Ismus« bitte
Es gab denselben Zirkus, als über Terrorismus diskutiert worden ist. Ist ja hochaktuell. Ich habe in Bundestagsdebatten immer gesagt; : »Ach noch ein Ismus, bitte, Frau Bundeskanzlerin, sie bekämpfen den Terrorismus – erklären sie uns bitte mal, was das ist.« Zwei Jahre lang habe ich diese Frage gestellt, keine Antwort – weil die Regierung nicht in der Lage dazu war, bis zum heutigen Tage. Aber ein Beamter hat die Frage beantwortet: Er hat nämlich ins Gesetz geschrieben »Terrorismus ist die rechtswidrige Anwendung von Gewalt, um politische Belange durchzusetzen. So haben Sie es im Bundestag vorgetragen, das haben wir alle beschlossen«, habe ich gesagt. »Also haben wir jetzt beschlossen: Bush und Blair und viele andere sind Terroristen. Ist ja wunderbar, daß Ihr zu dieser Einsicht gekommen seid.« Es ist keiner aufgestanden, weder die CDU noch die FDP – keine Empörung, denn sie konnten gegen die Macht der Worte in diesem Moment gar nichts sagen.

So, und nun kommen wir zu dem linken Programm, das ja antikapitalistisch sein muß, das muß man jetzt noch mal übersetzen: Wir finden uns nicht ab mit einer Wirtschaftsordnung, in der man dadurch reich wird, daß man andere für sich arbeiten läßt. Das ist zunächst mal eine wunderbare Beschreibung des Kapitalismus, und wir sind der Meinung, daß man die Kernfrage jeder Gesellschaft diskutieren muß: Was gehört aus welchen Gründen wem?

Diese Frage findet sich nicht in den Programmen anderer Parteien. Aber man muß sie beantworten, man muß sie zumindest mal stellen. Da kann man anknüpfen bei der liberalen Gesellschaftstheorie, die einmal zu der Erkenntnis kam: Eigentum entsteht durch Arbeit. Dann hat jemand mal vorgeschlagen, das Wort Eigentum zu streichen und abzulösen durch »Selbsterarbeitetes«. Wir wollen also, daß das »Selbsterarbeitete« in der Gesellschaft denen zukommt, die es selbst erarbeitet haben. Mit anderen Worten, wir finden eine Gesellschaft ungerecht, in der diejenigen, die etwas erarbeiten, mit der Tatsache konfrontiert sind, daß man vieles von dem, was sie sich erarbeitet haben, wegnimmt und irgendwelchen Leuten zuweist, die überhaupt keinen Finger krümmen. Eine solche Gesellschaftsordnung finden wir, Die Linke, als ungerecht. Und die wollen wir ändern.

Und deshalb ist nicht nur im Zentrum unseres Programms die Frage zu behandeln: Was ist eigentlich Eigentum? Wenn wir sagen, daß Eigentum durch Arbeit entsteht, dann ist das klassische liberale Tradition. Was aber ist Arbeit? Auch da gibt es ja die unterschiedlichsten Antworten. Und ich glaube, daß wir hier, gerade auf diesem Kongreß, Veranlassung haben, noch einmal an die Anfangsdiskussion innerhalb der Linken, der europäischen Linken zurückzukehren.

Arbeit ist nach Marx Stoffwechsel mit der Natur. In seiner berühmten Kritik des Gothaer Programms hat er darauf hingewiesen, daß es nicht zulässig für die Linke ist zu sagen: Aller Reichtum entsteht aus der Arbeit. Und er hat darauf hingewiesen, daß man sagen muß: Aller Reichtum entsteht auch aus der Natur. Mit anderen Worten: Ein Arbeitsbegriff, der sich verselbständigt und die Tatsache ausklammert, daß Arbeit immer Stoffwechsel mit der Natur ist, führt zu falschen Schlußfolgerungen.

Deshalb würde ich Euch gerne vorschlagen, auf die Kritik des Gothaer Programms von Marx zurückzukommen. Darauf, daß in dem Ursprung der Arbeiterbewegung der Gedanke des Naturschutzes oder der Auseinandersetzung mit der Natur am Anfang stand und daß wir aus unserem Arbeitsbegriff heraus eine andere Herangehensweise an das Thema des Umweltschutzes haben müssen, als beispielsweise die Partei der Grünen, die für mich eine gewaltige Mogelpackung ist. Das sind für mich nämlich in Wirklichkeit keine Umweltschützer. Ich will nur einen Beweis geben: Wer die Umwelt schützen will, der muß zuerst mal lernen, die Menschen zu schützen, das menschliche Leben zu schützen. Und wer Kriege mit uranverseuchten Streubomben befürwortet, kann niemals Umweltschützer sein. (…)

Quelle: marxismuss2011.wordpress.com und www.jungewelt.de vom 04.06.11

Experten für Drogen-Entkriminalisierung

Samstag, 04. Juni 2011 von Huste

New York – Ein hochkarätig besetztes Gremium aus ehemaligen Politikern, Geschäftsleuten und Schriftstellern hält den weltweiten Kampf gegen Drogen für gescheitert.

«Der jahrzehntelange Krieg gegen die Drogen ist verloren und hat verheerende Folgen für Menschen rund um die Welt», heisst es in einem Bericht, den die Global Commission on Drug Policy veröffentlicht. Dem 19-köpfigen Gremium gehören unter anderen der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der ehemalige US-Notenbankchef Paul Volcker, der britische Unternehmer Richard Branson und der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa an.

„Die Drogenabhängige sollten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Politischen Führer sollten den Mut haben, öffentlich zu äussern, was viele von ihnen sich privat längst eingestanden haben: Repressive Strategien werden das Drogenproblem nicht lösen und der Krieg gegen die Drogen kann nicht gewonnen werden», heisst es in dem Bericht der Kommission.

Statt Drogenabhängige strafrechtlich zu verfolgen, sollten Regierungen den Drogenmissbrauch entkriminalisieren, legale Modellversuche starten und die Behandlungsangebote für Süchtige verbessern, rät das Gremium.

Quelle: www.nachrichten.ch vom 02.06.11

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