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Back to the Roots. Berlin: Zehn Jahre nach der Implosion der großen Koalition im Zuge des Bankenskandals streben SPD und CDU wieder ein klassisches Beton-Bündnis an. Von Rainer Balcerowiak

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In Berlin begannen am Mittwoch die Verhandlungen zwischen der SPD und der CDU über eine Koalition zur Bildung einer neuen Landesregierung. In der vergangenen Woche war das von der SPD ursprünglich angestrebte Bündnis mit den Grünen endgültig geplatzt, da der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auf einem Bekenntnis zum Weiterbau der innerstädtischen Autobahn A100 bestand, was von den Grünen abgelehnt wurde. Zuletzt hatten diese angeboten, rund ein Viertel der geplanten 3,2 Kilometer langen Trasse zu realisieren, was der SPD aber nicht ausreichte. Zudem war Wowereit die knappe Mehrheit von nur einer Stimme, die eine rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus haben würde, offenbar ein zu großes Risiko für eine Regierungsbildung.

In der CDU hatte nach der Wahl am 18. September wohl kaum jemand damit gerechnet, von der SPD als Juniorpartner auserkoren zu werden. Im Zuge des Berliner Bankenskandals war die zuvor mit Abstand stärkste Partei der Hauptstadt 2001 regelrecht aus dem Rathaus gefegt worden. Die alte Führungsriege um den langjährigen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und den Multifunktionär Klaus-Rüdiger Landowsky mußte abtreten, und die Partei zerlegte sich gründlich in konkurrierende Bezirksklüngel. Statt der gewohnten 40 Prozent plus x dümpelt die Partei bei Wahlen seitdem rund um die 20-Prozent-Marke. Dem seit Herbst 2008 amtierenden Fraktions- und Landesvorsitzenden Frank Henkel ist es allerdings gelungen, die Bezirksfürsten weitgehend zu entmachten und die Partei wieder handlungsfähig zu machen, nachdem zuvor Frank Steffel und Friedbert Pflüger als Frontfiguren genüßlich demontiert worden waren. Zudem wurde mit Thomas Heilmann als seinem Stellvertreter ein Werbeprofi für die Berliner CDU-Spitze gewonnen, der die Partei mit klaren wirtschaftspolitischen Aussagen, z.B. zur Zukunft der Berliner S-Bahn, wieder stärker profilierte. Dagegen ist die SPD der Hauptstadt mittlerweile eine One-Man-Show. Funktionäre und Basis haben nichts zu melden und werden von Wowereit permanent vor die Alternative gestellt, ihm entweder blind zu folgen oder seinen Abgang in Kauf zu nehmen. Entsprechend reibungslos verlief auch der Koalitionsverhandlungsschwenk in Richtung CDU.

Zu Beginn der Gespräche erläuterte der mit SPD-Ticket amtierende parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum am Mittwoch den finanziellen Rahmen künftigen Regierungshandelns. Berlin sitzt auf einem Schuldenberg von 63 Milliarden Euro und ist zudem durch die sogenannte Schuldenbremse dazu verpflichtet, die Nettokreditaufnahme bis zum Jahr 2020 auf Null zurückzufahren. Ein ausgeglichener Haushalt wird für 2016 angepeilt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen 800 Millionen Euro Minderausgaben gegenüber bisherigen Ansätzen realisiert werden. »Gespart« werden soll sowohl bei den Investitionen als auch bei den Personal- und Sozialausgaben. Allein bei der Beschäftigungsförderung für Erwerbslose will Nußbaum 38 Millionen streichen. Der CDU wird man wohl zur Gesichtswahrung eine eher symbolische Personalaufstockung bei der Polizei und der Justiz zugestehen. Mehreinnahmen könnte u.a. eine sogenannte City-Tax bringen, die Berlin-Touristen pro Besuchstag entrichten. Dies lehnt die CDU bislang ab.

Andere Streitpunkte in den Verhandlungen könnten ferner die von der SPD angestrebte Rekommunalisierung der Wasserbetriebe und der Stromnetze sowie der Erhalt von Landesbetrieben wie der Verkehrsgesellschaft BVG und der Stadtreinigung sein. Die CDU setzt dagegen auf weitere Privatisierungen. Einig ist man sich dagegen bei den großen Infrastrukturprojekten wie dem Ausbau der A100 und des Flughafens in Berlin-Schönefeld. Und auch auf dem traditionellen Schlachtfeld Schulpolitik wird es wohl recht ruhig zugehen. Die CDU hat sich längst mit der Abschaffung der Hauptschule arrangiert, die SPD will die Gymnasien nicht antasten. Kleinere Scharmützel könnte es um das jahrgangsübergreifende Lernen und die Förderung von Privatschulen geben. Beide Seiten betonen jedoch nahezu stündlich, daß es keine »unüberwindlichen Hindernisse« für ein Regierungsbündnis gebe. Die Verhandlungen werden jetzt in Arbeitsgruppen fortgesetzt und sollen Mitte November abgeschlossen sein.

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.10.11.

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 13. Oktober 2011 um 13:46 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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