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Freispruch im Remagen-Verfahren gefordert. Zu 18 Monaten Haft verurteilter Antifaschist in Berufung. Soligruppe bittet um Prozeßbeobachtung. Von Mario Tal

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Am heutigen Mittwoch beginnt vor dem Landgericht Koblenz ein Berufungsverfahren gegen einen 23jährigen Antifaschisten. Der junge Mann ist am 12. Mai vom Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler unter skandalösen Umständen zu einer Haftstrafe von 18 Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung, verurteilt worden. Zudem wurden gegen ihn eine Reihe schikanöser Auflagen verhängt, darunter 150 Sozialstunden und die Zahlung von 1500 Euro Schmerzensgeld. Bei dem sogenannten Remagen-Verfahren sind insgesamt sieben Personen unter dem Vorwurf von Landfriedensbruch und schwerer Körperverletzung angeklagt.

Die Betroffenen hatten sich am 20. Oktober 2010 an Protesten gegen einen Neonaziaufmarsch beteiligt. An dem Tag marschierten Rechte mit einem »Trauerzug« durch Remagen zu den Rheinwiesen, auf denen 1945 alliierte Truppen das Gefangenenlager »Goldene Meile« eingerichtet hatten. Dort hielten sie auf dem ehemaligen Lagergelände eine Kundgebung ab. Um das Treiben zu schützen, hielten rund 800 Polizisten eine Gegendemonstration mit Hilfe von Pfefferspray, Tränengas und Schlagstöcken in Schach. Insgesamt wurden 15 Antifaschisten festgenommen.

Der 23jährige, dessen Berufungsverfahren heute beginnt, wurde erst im Krankenhaus verhaftet, wo er nach dem Pfeffersprayeinsatz an den Augen behandelt werden mußte. Dort will ihn ein am Kopf verletzter Polizist identifiziert haben. Später konnte der Beamte zwar nicht mehr sagen, daß es der Angeklagte war, der ihn geschlagen hat. Er habe ihn aber »wiedererkannt«, weil er sich sicher sei, ihm als Reaktion auf den Schlag Pfefferspray ins Gesicht gesprüht zu haben. Das sollte zu einer Verurteilung zu anderthalb Jahren auf Bewährung reichen. Da half es auch nichts, daß alle anderen Zeugen, darunter eine Polizistin, den Angeklagten entlasteten.

Skandalös in dem Verfahren war vor allem das Auftreten von Oberstaatsanwalt Johannes-Walter Schmengler. Er hatte bereits bei der Haftprüfung des Angeklagten erklärt, er werde ihn und seine »Freunde allesamt in den Knast« bringen. Beim Prozeß selbst beschimpfte er den Angeklagten und seinen Verteidiger. Beobachtern im Publikum wurden Schreibblöcke und Stifte abgenommen. Schließlich wurde auf Antrag Schmenglers ein Zeuge der Verteidigung wegen vermeintlicher uneidlicher Falschaussage im Gerichtssaal verhaftet und in Handschellen abgeführt. Dabei deckten sich die Angaben des Entlastungszeugen mit der aktenkundigen Aussage einer geladenen Polizistin, die nicht belangt wurde.

Der Anwalt des betroffenen Zeugen, Tom Siebert, stellte daraufhin im Juli Anzeige gegen Schmengler wegen Freiheitsberaubung. Der Oberstaatsanwalt habe »grob rechtsstaatswidrig« gehandelt. Sein Vorgehen habe »allein dazu gedient, den Angeklagten und den Zeugen einzuschüchtern«.

Auch eine Sprecherin der Bonner Ortsgruppe der Roten Hilfe wertete das Vorgehen von Staatanwaltschaft und Gericht als Versuch, junge Leute davon abzuhalten, sich an antifaschistischen Demonstrationen zu beteiligen – wie etwa am 19. November in Remagen aus gleichem Anlaß. Die Angeklagten werden von einer Solidaritätsgruppe unterstützt. Deren Sprecherin, Alexandra Reinhardt, hat am Dienstag erneut dazu aufgerufen, »zahlreich zur Beobachtung des Berufungsprozesses zu erscheinen«. Dort lasse sich verfolgen, ob es »dieses Mal mangels Beweisen endlich einen Freispruch« gibt.

Spenden gehen an: Rote Hilfe e.V., Konto: 4007238302, GLS Gemeinschaftsbank, BLZ 430 609 67, Stichwort: Remagen

Quelle: www.jungewelt.de vom 19.10.11

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 19. Oktober 2011 um 12:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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