In Deutschland ist der Name Fethullah Gülen weithin unbekannt. Dagegen gilt der im US-amerikanischen Exil lebende 70jährige Imam in der Türkei als Kopf eines milliardenschweren Imperiums mit Schulen, Unternehmen und Medien in aller Welt sowie als graue Eminenz hinter der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Die ultrakonservative Cemaat (Gemeinde), die einen großtürkischen Nationalismus neoosmanischer Prägung pflegt, kontrolliert inzwischen große Teile des türkischen Staatsapparates. Gegen laizistische, linke und prokurdische Kritiker geht sie mit Hilfe der von ihr unterwanderten Polizei und Justiz mit exzessiver Telefonüberwachung, Massenverhaftungen und fingierten Anklagen vor. So wurde der ehemalige stellvertretende Direktor der nachrichtendienstlichen Abteilung der türkischen Polizei, Hanefi Avci, nach der Veröffentlichung eines Buches über die Unterwanderung der Polizei ebenso verhaftet wie im März 2011 der Enthüllungsjournalist Ahmet Sik, dessen Buch »Die Armee des Imam« schon vor Veröffentlichung verboten wurde. Beiden Autoren wurden anschließend Verwicklungen in angebliche Putschpläne vorgeworfen. Entsprechend groß ist das Interesse türkischsprachiger Zeitungen – vom Flaggschiff der Laizisten Cumhuriyet bis zur prokurdischen Özgür Politika – an einer kleinen Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke) zur »Fethullah-Gülen-Bewegung« (BT-Drucksache 17/7241).
In ihrer jetzt vorliegenden Antwort bestätigt die Bundesregierung offizielle Kontakte zur Gülen-Bewegung. So steht etwa die deutsche Botschaft in Ankara in Kontakt mit der »Journalists and Writers Foundation«, deren Ehrenvorsitzender Gülen ist, und das Auswärtige Amt kooperiert mit dem zur Gülen-Bewegung gehörenden Berliner »Forum für interkulturellen Dialog e.V.«. Zudem will die Bundesregierung nicht ausschließen, daß Bundesmittel im Rahmen der Integrationsförderung an Träger aus dem Gülen-Netzwerk geflossen sind. Auch in der Türkei könnten Gülen-nahe Organisationen aus Bundesmitteln gefördert worden sein, »da die Zuordnung zu dieser – nicht in Vereinsform oder anderweitig formalisierten – Bewegung selten klar möglich ist«.
Da Gülen-Bewegung sei kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Über eine Unterwanderung staatlicher Strukturen und die Verfolgung von Gülen-Kritikern in der Türkei sind der Bundesregierung daher zwar »entsprechende Spekulationen insbesondere in den türkischen Medien sowie einschlägige Buchveröffentlichungen bekannt. Belastbare Erkenntnisse hierzu liegen der Bundesregierung jedoch nicht vor«. Um solche Erkenntnisse bemüht sich die Regierung allerdings gar nicht erst.
»Verwunderlich ist das nicht«, kommentierte Jelpke. »Mit ihrer neoliberalen Ausrichtung ist die Gülen-Bewegung schließlich der beste Sachwalter für die Profitinteressen des deutschen Kapitals in der Türkei.«
In Deutschland gibt es in jeder größeren Stadt Bildungseinrichtungen aus dem Umfeld der Gülen-Bewegung. Der Online-Informationsdienst »Deutsch-türkische Nachrichten« fungiert als deutschsprachige Ausgabe der zur Gülen-Bewegung gehörenden auflagenstärksten türkischen Tageszeitung Zaman. Die Migrantenpartei »Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit« (BIG), die türkischen Medienberichten zufolge von der Gülen-Bewegung unterstützt wird, erhielt bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September 2011 0,5 Prozent der Zweitstimmen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 20.10.11
« Bundesregierung gibt Kontakte zur Gülen-Bewegung zu – Staatshaushalte stranguliert. Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Fraktion Die Linke im Bundestag, erklärte am Mittwoch zur anstehenden Verkündung der abgesenkten Wirtschaftsprognose der Bundesregierung: »
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