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Stadt zum Verkauf. Kaiserslautern entscheidet am Sonntag per Bürgerentscheid über Shoppingmall des Hamburger ECE-Konzerns. Befürworter kämpfen »mit allen Mitteln«. Von Ralf Wurzbacher

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Wird Kaiserslauterns City an einen Großkonzern verhökert oder bleibt sie im Besitz der Stadt? Darüber werden am kommenden Sonntag die Einwohner in einem Bürgerentscheid abstimmen. Erwirkt wurde der durch die »Bürgerinitiative Neue Mitte Kaiserslautern«, die angetreten ist, die Errichtung einer Shoppingmall durch den Großinvestor ECE abzuwenden. Europas Marktführer in Sachen Entwicklung, Bau und Betrieb innerstädtischer Einkaufszentren will mitten im Zentrum einen mächtigen Konsumtempel namens »Stadtgalerie« hochziehen und dafür 160 Millionen Euro lockermachen. Die Projektgegner befürchten das Ausbluten gewachsener Einzelhandelsstrukturen mit mehr Leerständen, Billigshops, Niedriglohnbeschäftigung und drastischen Wertverlusten bei Gewerbeimmobilien.

Nach einer neueren Umfrage will eine Bevölkerungsmehrheit für all das ihr Kreuzchen machen und für das Center stimmen. Das Stimmungsbild ist Abbild der Kräfteverhältnisse im Wahlkampf. Die Initiatoren, deren erfolgreiches Bürgerbegehren mit über 8000 Stimmen bei knapp 100000 Einwohnern die Abstimmung erst möglich gemacht hat, können nicht annähernd so viel Meinungsmacht aufbieten wie ihre Widersacher. Angeführt und großzügig gesponsert durch die Hamburger ECE trommeln die Stadtratsvertreter von SPD, CDU und Freien Wählern (FWG) im Verbund mit namhaften Persönlichkeiten, der örtlichen Presse und lokalen Radiosendern für das Vorhaben. Mit im Boot ist auch der Fußballbundesligist FCK, der sich gegen gutes Geld für ECE ins Zeug legt und seine Mannen »für die Galerie« spielen läßt.

Selbsternannte BI

Die traurigste Figur gibt bei alle dem Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) ab. Er ist Gründungsmitglied der selbsternannten Bürgerinitiative »Für Lautern e. V.«, ein von ECE mit Geld und Einfluß gepäppelter Laden, der sich laut Satzung »mit allen Mitteln« der Durchsetzung des bereits im April erfolgten Stadtratsbeschlusses pro Mall verschrieben hat. Zu dessen Rüstzeug gehören vor allem Lügen und die Diffamierung der Projektgegner. So wird etwa verbreitet, ein Bürgervotum gegen das ECE-Center bedeute »drei Jahre Stillstand für Lautern«. Dies suggeriert, für die Stadt ginge nach vereiteltem ECE-Engagement aus rechtlichen Gründen gar nichts mehr. Tatsächlich plädiert die »Bürgerinitiative Neue Mitte KL« sehr wohl für ein Einkaufscenter, allerdings in kleinerer und stadtverträglicher Ausführung. Mit der Münchner EMG Real Estate GmbH ist bereits ein Interessent vorhanden. Auch andere dürften nach einem ECE-Rückzug auf den Plan treten.

Ökonomisch interessant ist der Markt in Kaiserslautern allemal. Seit der Schließung von Karstadt zu Jahresanfang 2010 verfügt die Stadt über kein Warenhaus mehr. Angesichts einer ohnehin wenig attraktiven Einzelhandelsstruktur in der City zieht es immer mehr Kunden zum Einkaufen nach Mannheim oder Saarbrücken. Für ECE ist das ein gefundenes Fressen. Fast ausnahmslos überall, wo der Konzern seine inzwischen über 130 Shoppingcenter hingeklotzt hat, geht der übrige Einzelhandel den Bach runter. Die Branchenführer bei Kleidung, Technik und Lebensmitteln ziehen in aller Regel in die Malls um und hinterlassen Leerstände. Einstige Toplagen werden zu Randlagen, inhabergeführte Läden müssen dichtmachen oder zurückbleiben Billigshops und Tristesse. Auch die versprochenen Beschäftigungsimpulse erfüllen sich nirgendwo. Der Zuwachs an Mini- und Midijobs geht stets auf Kosten regulärer Arbeitsverhältnisse.
Unterstützung versagt
In Kaiserslautern hatten mit dem Ende von Karstadt auf einen Schlag 180 regulär Beschäftigte ihre Arbeit verloren. Rückblickend waren sie damit die ersten Opfer des ECE-Engagements. Wie jW berichtete, wollten die Mitarbeiter das Kaufhaus als K-Stadt in Eigenregie und mit Bürgerbeteiligung weiterführen. Der dazu nötige Erwerb der Immobilie scheiterte am Eigentümer, dem Finanzkonsortium Highstreet mit Sitz in Hamburg. Statt dessen erhielt ECE eine Kaufoption. Auffällig war damals, daß die Stadtspitze keinerlei Notiz von den K-Stadt-Initiatoren nahm und jede Unterstützung versagte. Der ECE-Deal war da wahrscheinlich längst eingefädelt und das Karstadt-Aus das bittere Vorspiel.

Während der Konzern eine Verkaufsfläche von zusätzlich knapp 21000 Quadratmetern anpeilt, hat die »Bürgerinitiative Neue Mitte KL« per Gutachten eine Stadtverträglichkeit von maximal 16000 Quadratmetern ermittelt. Dazu schwebt ihr alternativ die Einbindung eines Einkaufszentrums in ein städtebauliches Konzept mit Grünfläche und Erholungsraum vor. ECE will dagegen den ganzen ihr zum Verkauf angebotenen Platz mit einem Koloß vollstellen, der die Stadt durchtrennt und eine völlig neue Verkehrsführung erfordert. Die Kosten dafür werden auf 20 Millionen Euro beziffert, wofür das Land und die Stadt aufkommen sollen. Allein die nötige Kanalverlegung würde nach BI-Angaben 3,5 Millionen Euro verschlingen. Damit wären die genannten vier Millionen Euro Erlös aus dem durch die Stadt forcierten Grundstücksverkauf weitgehend aufgezehrt.

Wie es anders geht, zeigt der Fall Fürth: Dort wurde nach zweijährigem Streit ein Wettbewerb der Ideen eingeleitet. Die Bürger haben nun die Wahl zwischen vier Investoren, die ein Center von 18000 Quadratmetern realisieren wollen. Davor galten 25000 Quadratmeter als »alternativlos«. Noch besser haben es die Einwohner von Siegburg gemacht: Dort hat ECE im Vorjahr erst- und bislang einmalig bei einem Bürgerentscheid verloren.

Quelle: www.jungewelt.de vom 20.10.11

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 20. Oktober 2011 um 17:47 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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