Wolfgang Huste Polit- Blog

Schuld am Rechtsextremismus? DIE LINKE!

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Es war nur eine Frage von Tagen. Und man hätte erwartet, dass Henryk M. Broder den Job übernimmt. Nun ist es stattdessen Freya Klier geworden, die in der heutigen „WELT“ erklärt, dass DIE LINKE die Verantwortung für den gesamtdeutschen Rechtsextremismus trägt.

Unter dem Titel „Neger, Fidschis und die Heuchelei der Linken“ spricht die Autorin zwar nicht ausdrücklich über die Mordanschläge der Zwickauer Terrorzelle. Jedem, der in diesen Tagen etwas zum Thema Rechtsradikalismus hört oder liest, ist der inhaltliche Bezug ohnehin klar.

Sie zeichnet stattdessen das Bild einer antisemitischen, rassistischen und ausländerfeindlichen DDR. Verantwortlich hierfür ist das „rechtsradikale Programm“ der SED und in den Augen von Freya Klier hat die mittlerweile „honigsüße Linke“ diese Verantwortung geerbt. Zum Nachweis der Zustandsbeschreibung und der Schlussfolgerung dienen vor allem persönliche Erlebnisse und leichte Korrekturen der Historie.

Ein ungewöhnlicher Hut

Der deutsche Rechtsextremismus hat seine Wurzeln in der ehemaligen DDR. Diese Sichtweise vertritt Freya Klier zumindest in ihrem Kommentar für Springers „WELT“. Demnach hat die SED die Bürger der DDR konsequent zu Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus erzogen und diese schlechten Eigenschaften mit Maueröffnung in den Westen exportiert.

Und weil es sich bei der Linkspartei um die Nachfolgeorganisation der SED handelt, trägt diese Schuld und Verantwortung für den heutigen Rechtsextremismus:

„Diese Partei sollte endlich aufhören, zu heucheln, sondern sich dazu bekennen, dass sie den Boden für den Rechtsradikalismus im Osten stark mitbereitet hat. Ihren Mitgliedern sind Menschenleben nur dann wichtig, wenn sie sich politisch instrumentalisieren lassen.“

Die Autorin begründet ihre Thesen vor allem mit persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen. So beschreibt sie, wie sie selber auf „Platz acht der Mordliste der DDR-Neonazis“ landete oder berichtet über das Erlebnis ihrer „jüdischen Freundin Johanna“, die ihren Nazi-Vergewaltiger aus dem Jahr 1935 später als „Parteisekretär der SED vor sich sitzen sah“.

Danach erzählt sie von den beiden deutsch-sudanesischen Darstellern eines „kleinen antirassistischen Theaterstücks“, die in der DDR nur „Nigger“ und „Kohle“ genannt wurden oder erinnert daran, dass eine „Fascho-Horde“ 1987 eine Kirche in der Nachbarschaft überfiel und unter „Sieg Heil!“ Rufen mit „Flaschenhälsen auf fliehende Punker“ einstach.

Hierbei handelt es sich ohne Zweifel um schreckliche Ereignisse. Eine besonderer Ost-Exklusivität lässt sich allerdings kaum ausmachen. Denn das, was Frau Klier schildert, gehörte in tausendfacher Ausführung zum Alltag der alten BRD. Die Autorin bündelt ihre individuellen Erlebnisse dennoch zur kollektiven DDR-Gesellschaftsstudie und attestiert ihren Mitbürgern:

„Das Unbehagen von DDR-Bürgern galt ja jedem Abweichen von der Norm, grellen Haarfarben von Punkern ebenso wie „Negern“ oder „Fidschis“, Körperbehinderten oder auch nur Menschen mit einem ungewöhnlichen Hut auf dem Kopf.“

Die Ausländerpolitik der SED

Freya Klier erklärt die Linkspartei für die Ausländerpolitik der SED verantwortlich. Damit dieser Vorwurf zumindest einen kleinen Teil seiner Absurdität verliert, verschiebt sie den historischen Ursprung jener Politik um knapp 20 Jahre nach vorne.

In dem Artikel erfährt der Leser, dass „nach der millionenfachen Flucht von DDR-Bürgern ein solch permanenter Arbeitskräftemangel (herrschte), dass die sozialistische Führung sich Ende der 70er-Jahre schweren Herzens entschloss, Kontingente von Vietnamesen und Mosambikanern hereinzulassen“.

Tatsächlich stammt das sogenannte Vertragsarbeiterprogramm der SED bereits aus den frühen 1960er Jahren. Damals war Gregor Gysi allerdings erst 12 Jahre alt und Sahra Wagenknecht noch nicht geboren. Eine Schuld oder Verantwortung lässt sich dabei nur schwer konstruieren, so dass die Autorin hier zur zeitlichen Korrektur greift.

Es folgt eine Darstellung der Lebenssituation der Vertragsarbeiter in der DDR:

„Fidschis und Mozis aber waren in abgesonderten Wohntrakts untergebracht, die offiziellen Gaststätten waren ihnen verwehrt. Sie durften die Stadt nicht ohne Genehmigung verlassen, mussten in den Betrieben niedere Arbeiten verrichten und sollten gar nicht erst Deutsch lernen.

Die Schilderung ist zwar bedrückend, dürfte sich allerdings kaum von den Lebensumständen der westdeutschen „Gastarbeiter“ in den 1960er Jahren unterscheiden.

Resümierend fragt Freya Klier: „Gibt es ein rechtsradikaleres Programm?“ und überträgt die Schuld und die Verantwortung an den geschilderten Zuständen direkt an die heutige Linkspartei:

„Die, die solches praktizierten, spielen heute Die Linke.“

1989 lebten in der DDR rund 94.000 Vertragsarbeiter. Die Bundesrepublik bemühte sich ab 1990 darum, sie in ihre Heimatländer abzuschieben. Nur den wenigsten gelang es, sich einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu sichern.

Franz Schönhuber prologiert

Zu Beginn Ihres Artikels lässt Freya Klier den Gründer und früheren Vorsitzenden der bis 2006 als rechtsextrem eingestuften Republikaner zu Wort kommen. Der hatte die DDR als „viel deutscher als die Bundesrepublik“ beschrieben und ihre „weitgehende Ausländerfreiheit“ gelobt.

Klier schreibt „etlichen Bürgern der verblichenen DDR“ und „vielen sozialistischen Genossen“ zu, diese Sichtweise mit Schönhuber zu teilen. Dieser habe 1993 seine „Partei mit Kadern aus dem Osten“ aufgefüllt. Und in der Tat: Bei den Landtagswahlen zwischen 1992 und 1995 erreichen die Republikaner in Sachen-Anhalt 1,4 %, in Thüringen und Sachsen je 1,3 %, in Brandenburg 1,1 % und in Mecklenburg Vorpommern 1,0 %.

Was Frau Klier, die mit der Zustimmung vieler DDR Bürger zu den Thesen und Standpunkten Schönhubers deren rechte Gesinnung dokumentieren will, nicht erwähnt, ist das Abschneiden der Republikaner in den alten Bundesländern. In Baden-Württemberg erzielen sie im gleichen Zeitraum 10,9 Prozent, in Hamburg 4,8 % und in Bayern 3,9 %. Es folgen Rheinland-Pfalz und Hessen mit je 2,0 %, Niedersachsen mit 1,5 %, das Saarland mit 1,4 Prozent, Schleswig Holstein mit 1,2 Prozent und Nordrhein-Westfalen mit 0,8 Prozent.

Es spricht also, entgegen der Auffassung von Freya Klier, einiges dafür, dass der Rechtsradikalismus der Republikaner im „Westen“ deutlich stärker verfing, als im „Osten“.

Sie unterstellt Schönhuber, zu dieser Zeit noch nicht realisiert zu haben, was „diese Genossen im Osten noch alles auf der Pfanne hatten“ und fügt ihre eigene Einschätzung über ihr damaliges Land und ihre Mitbürger an:

„Einen über 40 Jahre gepflegten Antisemitismus sowie einen Zangengriff für die extreme Minderheit von Ausländern“.

DIE LINKE trägt Schuld und Verantwortung

Freya Klier durchlebt in ihrer Abhandlung 40 Jahre DDR Geschichte und 20 Jahre vereinigtes Deutschland. Ihrer Analyse soll belegen, dass die SED den Grundstein für Rechtsextremismus, Ausländerhass, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gelegt hat. Und in ihren Augen hat sich daran bis heute nichts geändert:

„Heute denken viele Ex-DDR-Bürger immer noch so. Doch sind sie nicht mehr so blöd, das öffentlich zu äußern. Die Zungen haben sich in private Sphären zurückgezogen, dort erreichen sie die Jugendlichen an den Abendbrottischen. Mit dem Satz „Die Fremden nehmen uns die Arbeitsplätze weg“ sind viele Kinder nach der Wende im Osten aufgewachsen.

Für die Autorin ist die Verantwortung für die geschilderten Zustände und folglich auch die Schuld am heutigen Rechtsextremismus unmittelbar auf die Linkspartei übergegangen. Und so erreicht das Linken-Bashing der Springer-Presse eine Dimension, angesichts derer selbst eingefleischte Reaktionäre wohl zunächst kräftig schlucken und zweimal hinschauen müssen:

Nach Vorhaltungen in Sachen Linksextremismus, Mauer- und Diktatorenverherrlichung, Kommunismus und Antisemitismus ist jetzt der Punkt erreicht, an dem man DIE LINKE selbst für den rechtsextremistischen Terrorismus in Deutschland verantwortlich machen kann.

Damit werden die Opfer rechtsextremistischer Verbrechen instrumentalisiert, um genau die Partei zu diffamieren, die sich entschieden gegen Rechtsradikale stellt, die Demonstrationen gegen Naziaufmärsche organisiert und die anstelle der Täter oder vermeintlicher Sicherheitskonzepte konsequent die Opfer rechtsextremistischer Gewalt und ihre Angehörigen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt. Besonders perfide wird dieser Versuch der Diskreditierung dadurch, dass Linke und ihre Einrichtungen selber immer wieder zum Ziel rechtsradikaler Anschläge werden.

Freya Klier sollten dabei nicht außer Acht lassen, dass selbst große Fässer überlaufen, wenn man sie nur allzu eifrig füllt. Wenn Springer den Bogen derart überspannt, dann dürften selbst regelmäßige Leser früher oder später zu dem Schluss kommen, dass solche Artikel allenfalls in die Kategorie Satire gehören. In der Folge könnte dann genau das geschehen, was man bei der „WELT“ so verzweifelt zu verhindern versucht: Deutlich mehr Menschen könnten damit beginnen, nicht über die Linkspartei sondern stattdessen mit ihr zu sprechen.

Quelle: Jacob Jung Blog vom 22.11.11

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 22. November 2011 um 10:42 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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