Berlin. Bis zu 4000 Anhänger kurdischer Vereinigungen und Antifaschisten demonstrierten am Samstag in Berlin-Kreuzberg unter dem Motto »Staat und Nazis Hand in Hand – Gegen Faschismus und Polizeistaat«. Die Demonstration richtete sich gegen die Zusammenarbeit von V-Männern des Verfassungsschutzes mit militanten Rechten. Thema war aber auch die aus Faschisten und Geheimdiensten gebildete NATO-Konterguerilla Gladio in der Türkei, die für Tausende Morde an kurdischen und linken Aktivisten verantwortlich ist.
Bereits nach Provokationen türkischer Faschisten am Straßenrand ging die Polizei massiv mit Pfefferspray gegen wütende Demonstranten vor. Da angesichts der Polizeiübergriffe die Sicherheit der Teilnehmer nicht mehr zu garantieren war, erklärte der Veranstalter die Demonstration nach der halben Strecke für aufgelöst. Nach Angaben der Polizei, die mit insgesamt 2000 Beamten im Einsatz war, wurden rund 100 Demonstranten festgenommen. Zahlreiche Teilnehmer wurden verletzt. Die Polizei sprach ihrerseits von 80 verletzten Beamten. (nb)
Quelle: www.jungewelt.de vom 28.11.11
Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Die Linke im Bundestag, erklärt zu den stockenden Aufklärungsbemühungen hinsichtlich der Nazi-Mordserie:
Fakt ist: Keine Akte und kein Datum hätte bei der Verfolgung der rechtsextremen Terrorbande und ihrer Unterstützer gelöscht werden müssen, wären die Informationen wie vorgeschrieben übermittelt und die vorhandenen Mittel im Kampf gegen rechts genutzt worden. Noch im Jahr 2007 gab es einen gültigen Haftbefehl gegen ein Mitglied der Nazi-Terrorzelle. Daß der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz die drohende lückenhafte Aufarbeitung mit zu kurzen Löschungsfristen begründet, ist ein weiteres Kapitel in der Pleiten-, Pech- und Pannenserie der Behörde.
Daß der Verfassungsschutz aus der eigenen Unfähigkeit nun auch noch Kapital schlagen und sich alte Wünsche nach unendlichen Speicherfristen, Verbunddateien und Zulassung der Vorratsdatenspeicherung erfüllen lassen will, ist der falsche Weg der Aufarbeitung. (…) Bevor noch mehr Informationen in den Aktenschreddern des Verfassungsschutzes verschwinden, müssen diese umgehend gesichert werden. Auch deshalb sollte ein Untersuchungsausschuß des Bundestages schnellstmöglich seine Arbeit aufnehmen.
Quelle: www.jungwelt.de vom 25.11.11
Zur Festnahme des Unterstützers der Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) André E. am Donnerstag erklärt Kerstin Köditz von der Linksfraktion im sächsischen Landtag:
Ich freue mich natürlich über diese Festnahme, die offenbar gerade noch rechtzeitig vor dem Abtauchen des Verdächtigen erfolgt ist. Sie bestätigt die enge Verflechtung der »Brigade Ost« aus Johanngeorgenstadt mit dem Mördertrio.
Dieser Fahndungserfolg kann allerdings nicht übertünchen, daß die Rolle des sächsischen Verfassungsschutzes in diesem Zusammenhang zunehmend dubios wird. Offenbar hat es in der Neonaziszene in Johanngeorgenstadt, zu der auch die »Brigade Ost« gehörte, einen Spitzel des Verfassungsschutzes gegeben. Dies läßt sich jedenfalls aus der Antwort der Staatsregierung auf eine kleine Anfrage vom Januar 2003 (Landtags-Drucksache 3/7657) ablesen. Darin erklärt die Staatsregierung auf die Frage nach einer rechtsextremistischen Szene in Johanngeorgenstadt lapidar, dazu könnten aus Geheimhaltungsgründen keinerlei öffentliche Auskünfte gegeben werden, da sonst »Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes« gezogen werden könnten.
Falls damit nicht unzulässigerweise lediglich die eigene Unkenntnis kaschiert werden sollte, bedeutet dies, daß die Staatsregierung mittels Informanten seit Jahren sehr genau über Umfang und Organisationsform der neonazistischen Bestrebungen in dieser Stadt Bescheid wußte. Innenminister Ulbig hat über diesen Umstand die Landtagsabgeordneten bei mehreren Gelegenheiten im unklaren gelassen. Diese Taktik des Verschweigens durch den Innenminister scheint leider Methode zu haben. Im Sinne der Aufklärung des Gesamtkomplexes ist es daher inzwischen unabdingbar, daß auch für Sachsen eine unabhängige Untersuchungskommission analog zu der in Thüringen gebildet wird. Es ist bezeichnend, daß Herr Ulbig das Angebot seines Thüringer Amtskollegen zur Kooperation ausgeschlagen hat. Der sächsische Innenminister verfolgt also weiterhin seine alte Taktik des Verschweigens, Vertuschens und Verharmlosens.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.11.11
Gleich zwei Demonstrationen soll es am Samstag in Leipzig gegen einen Vortrag des früheren Wehrsportgruppenchefs Karl-Heinz Hoffmann geben. Die Veranstaltung des 74jährigen, der nach dem Münchner Oktoberfest-Attentat 1980 als Hintermann verdächtigt wurde, soll ab 17 Uhr im Leipziger NPD-Zentrum in der Odermannstraße stattfinden. Der Referent selbst lehnt die Bezeichnung »Neonazi« ab und droht mitunter sogar, dies als Beleidigung anzuzeigen. Er würde auch vor einem anderen Publikum auftreten, erhält aber vor allem Einladungen aus dem rechtsextremen Spektrum. Während dieses wohl erheblich vom alten Mythos der Wehrsportgruppe Hoffmann angezogen wird, sehen antifaschistische Initiativen in der Veranstaltung am Samstag eine »widerliche Provokation«, so die Sprecherin der Kampagne »Fence Off«, die eine der Gegendemonstrationen organisiert. Die Neonaziszene stelle damit »ihre Begeisterung für den Nationalsozialismus, den Rechtsterrorismus und das Töten von Menschen zur Schau.«
Hoffmann selbst beteuert nicht nur seine Unschuld am Bombenanschlag auf das Oktoberfest, bei dem am 26. September 1980 insgesamt 13 Menschen starben, und verurteilt ihn, sondern widerspricht auch der staatsoffiziellen Einzeltätertheorie. Der mutmaßliche Attentäter Gundolf Köhler kam bei dem Anschlag selbst ums Leben und hatte vor 1980 zumindest an einzelnen Übungen der Wehrsportgruppe (WSG) teilgenommen. Hoffmann beschreibt die Bekanntschaft als flüchtig. Den Akten meint er entnehmen zu können, daß Köhler bis heute zu Unrecht als Attentäter gilt, weil ein persönliches Motiv nicht erkennbar sei. Die Leiche des mutmaßlichen Bombenlegers wurde seinerzeit so verstümmelt aufgefunden, daß er nur anhand eines mitgeführten Ausweises identifiziert werden konnte. Der damalige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Straß hatte zunächst linke Kreise beschuldigt.
In einem Interview, das in diesem Herbst kurz nach dem 31. Jahrestag des Attentats im NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme erschien, verwies Hoffmann auf »Spuren, die in den eigenen Apparat des Establishments hineindeuten«. Dies wird auch von vielen seiner politischen Gegner nicht bestritten, sondern führt seit Jahrzehnten immer wieder zu Appellen für ein neues Ermittlungsverfahren. Als Angehörige von Todesopfern die Asservate mit neuen kriminaltechnischen Methoden untersuchen lassen wollten, wurde ihrem Anwalt mitgeteilt, das gesamte Spurenmaterial sei 1997 vernichtet worden.
Zum Zeitpunkt des Anschlags vor 31 Jahren war die WSG seit acht Monaten verboten. Hoffmann durfte laut Verbotsverfügung keinen Einfluß mehr auf die bisherigen Mitglieder ausüben – folglich wollte er für deren Tun auch keine Verantwortung mehr übernehmen: Man habe ihm »die Kontrolle über diesen Personenkreis bei Strafandrohung versagt«, erklärte er in einem Spiegel-Gespräch Ende 1980. Deshalb könnte man ihm später nicht vorhalten, »wenn in diesem Personenkreis irgendwas Strafbares gefunden wird.« Heute gibt er sich dagegen überzeugt, daß niemand aus diesem Kreis etwas mit dem Anschlag zu tun gehabt hätte. Über 400 Personen sollen es zuletzt gewesen sein – vor allem junge Männer; darunter auch V-Leute des Verfassungsschutzes. Einer von ihnen soll nach dem Attentat durch prahlerische Selbstbezichtigungen aufgefallen sein.
Soweit es Hoffmann selbst durch Aufzeichnung seiner Vorträge dokumentiert, rät er heute von der Neugründung solcher Wehrsportgruppen ab, weil daraus »viel Unglück« erwachsen sei. So Hoffmann bei einem Vortrag im Herbst 2010 in Westsachsen, nach dem vier Zuhörer festgenommen wurden, weil sie am Telefon über »C4«-Sprengstoff geredet haben sollen – laut Hoffmann eine Falle des Verfassungsschutzes. Im besagten Deutsche-Stimme-Interview sagte der Ex-WSG-Chef, er habe sein Buch »Die Oktoberfest-Legende« vor allem deshalb nicht früher veröffentlicht, weil er »noch ein bißchen am Leben bleiben« wollte.
Separat zur Kampagne »Fence Off« will am Samstag der Verein Erich-Zeigner-Haus e.V. mit Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) gegen den Vortrag demonstrieren.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.11.11I
Bereits am späten Mittwoch abend ging auf Lissabons Flughafen Portela gar nichts mehr. Ab 21.50 Uhr zeigten die Anzeigetafeln in der Abflughalle sämtliche Flüge als gestrichen an. Die am Boden bleibenden Maschinen waren der Auftakt zu einem landesweiten politischen Generalstreik, den die Gewerkschaftszentralen CGTP und UGT für den Donnerstag im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft ausgerufen hatten. Es wurde eine der größten Protestaktionen der letzten Jahrzehnte. Am spürbarsten war der Stillstand im traditionell arbeitskampferprobten Verkehrssektor. In der Hauptstadt und in der nördlichen Metropole Porto fuhr keine U-Bahn. Auch der Fährverkehr in Lissabon war komplett eingestellt. Es verkehrten kaum Busse und Eisenbahnen. Gestreikt wurde bei der Müllabfuhr, in Fabriken, Krankenhäusern und Schulen. An mehreren Orten kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikposten und der Polizei.
Der Ausstand richtete sich gegen das Sparprogramm der seit Juni im Amt befindlichen Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho (PSD). Ein solches war von der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank zur Bedingung für Notkredite an Portugal in Höhe von 78 Milliarden Euro gemacht worden. Mit dem Rotstift sollen das Haushaltsdefizit im Expreßtempo eingedämmt und die Finanzmarktakteure versöhnlich gestimmt werden. Das Maßnahmepaket war von der sozialistischen Vorgängerregierung mit ausgehandelt und ihren Nachfolgern noch einmal verschärft worden.
Mit den bereits erfolgten und weiteren vorgesehenen Maßnahmen wird das Lebensniveau von immer mehr Portugiesen absehbar auf Ramschniveau herabgestuft. Die Haushaltsplanung für 2012 sieht Kürzungen bei Löhnen und Renten sowie Streichungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld der öffentlich Bediensteten vor. Im Privatsektor soll eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit dekretiert werden, die sich im Jahr auf 16 unentgoltene Tage summieren würde. Eine Streichung von Feiertagen ist ebenfalls ins Auge gefaßt. Die kommunistische Opposition und die anderen Linkskräfte sprechen von einem »Pakt der Aggression« und einer Preisgabe der Souveränität des Landes. Bei Privatisierungen von Staatsunternehmen soll sich ausländisches Kapital in strategischen Sektoren wie Energie, Banken und Transport bedienen können. Eine wirtschaftliche Erholung ist nicht in Sicht. Die Binnenkonjunktur wird durch Anhebungen bei der Körperschafts-, Einkommens- und Mehrwertsteuer stranguliert. Teurer bezahlen müssen Portugiesen nun für Strom und Gas, viele Lebensmittel, Medikamente und Fahrscheine im Nahverkehr. Die Unzufriedenheit ist allerorten greifbar.
Nicht nur bei der eigenen Bevölkerung verspielt die herrschende Politik ihre Kreditwürdigkeit. Die Ratingagentur Fitch stufte das Land gestern wegen »ungünstiger makro-ökonomischer Perspektiven« auf BB+, vulgo Ramsch, herab.
Vertreter beider Gewerkschaften zogen eine erfolgreiche Bilanz der Aktionen, während die Regierung versucht, die Streikbeteiligung kleinzurechnen. Manuel Carvalho da Silva, Generalsekretär der klassenkämpferischen CGTP, sprach von einer »roten Karte gegen die Regierung und deren Praktiken gegen die Arbeitenden, welche zu einer Verarmung des Landes führen«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.11.11
In Zwickau hat ein breites Bündnis für den Abend zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus aufgerufen. In der sächsischen Stadt hatten eine Neonazi-Gruppe zuflucht gefunden, die für Morden an neun Migranten verantwortlich gemacht wird.
Die sächsische Stadt Zwickau will heute ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen. Vor dem Hintergrund der Mordserie der Zwickauer Neonazi-Gruppe hat ein breites Bündnis für den Abend zu einer Demonstration für Demokratie und Toleranz aufgerufen. Viele Zwickauer seien „sprachlos und betroffen“, dass die rechte Terrorzelle „unbehelligt und scheinbar unbemerkt“ inmitten der Stadt gelebt habe, heißt es in einem Appell der Stadt und des DGB.
Gedacht werden soll auch der neun Migranten und der Polizistin, für deren Ermordung das Trio verantwortlich gemacht wird. Beate Zschäpe sowie die zum Monatsanfang tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten jahrelang in Zwickau gewohnt.
Quelle: AFP vom 26.11.11
Die Regierung mag nicht ablassen von dem Dogma, Rechts- und Linksextreme seien das gleiche Problem unterschiedlicher Ausprägung. Das ist gefährlich. Kommentar
Sollte man jemanden ablehnen, weil er linksextrem denkt? Kommt darauf an. Akzeptiert er Gewalt? Schwebt ihm eine autoritäre Führung vor? Dann ja. Oder besteht sein Linksextremismus darin, gesellschaftliche Güter – Geld, Bodenschätze, Arbeitskraft – radikal umverteilen zu wollen? Dann ist er vielleicht ein Dogmatiker, vielleicht ein Träumer. Jedenfalls ist er weder menschenverachtend noch gefährlich für andere.
Sollte man jemanden ablehnen, der rechtsextrem denkt? In jedem Fall. Neonazis (dis-)qualifizieren Menschen vor allem nach angeborenen Merkmalen: Ethnie, Hautfarbe, Geschlecht. Deshalb ist ihre Weltsicht selbst dann menschenverachtend, wenn sie gewaltfrei auftreten.
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Schon dieser Unterschied wäre Grund genug, Rechts- und Linksextremisten nicht in denselben Karton zu packen, wie es die Bundesregierung in einer Erklärung gerade wieder getan hat. Man kann aber auch die reinen Zahlen hernehmen – Neonazis sind nicht nur in der Theorie brutaler. Knapp 150 Todesopfer rechtsextremer Gewalt seit der Einheit zählten ZEIT ONLINE und der Tagesspiegel. Dem steht ein linksextremer Mord gegenüber – verübt von der mittlerweile aufgelösten RAF.
In einem brandenburgischen Ort haben Sicherheitskräfte einen weiteren mutmaßlichen Neonazi-Helfer festgenommen. [Video kommentieren]
Schröders Linken-Feindseligkeit
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kämpft schon lange für die Gleichsetzung von rechts- und linksextrem, Neonazis scheint sie vor allem für überschätzt zu halten. Rassismus, prangerte sie vor einiger Zeit an, werde immer häufiger von Migranten gegen die deutsche Mehrheitsgesellschaft ausgeübt. Antisemitismus sei ein großes Problem der Linkspartei. Und Linksextremisten müsse man schon am Rand der SPD fürchten. Der sichtbarste Ausdruck dieser altherrenrechten Haltung war die von ihr eingeführte Extremismusklausel.
Initiativen gegen Rechtsextremismus müssen seit einiger Zeit ihre Kooperationspartner eine Unterschrift auf das Grundgesetz leisten lassen – obwohl zahlreiche Wissenschaftler und Initiativen in einem offenen Brief warnten, die Arbeit gegen Neonazis werde diskreditiert und gefährdet. Selbst das Familienministerium hat bei der Einführung der Klausel keinen Fall benennen können, in dem Verfassungsfeinde staatliche Gelder erhalten haben.
Dass der Kampf gegen die Neonazis auf diese Weise operativ geschwächt wird, ist noch das kleinere Problem. Viel schlimmer ist, dass Schröder in ihrer Partei keine Außenseiterin ist. Selbst Angela Merkel bekennt sich zur Totalitarismustheorie „Rechtsextrem gleich Linksextrem“. Sie wird wissen, dass in dem Thema eine der letzten konservativen Überzeugungen verborgen liegt.
Man kann sich diese Denkschablone wie ein nach oben geöffnetes Hufeisen vorstellen: Unten die gemäßigte Mitte; an den Rändern, gleichweit von der Mitte entfernt, Rechts- und Linksextreme.Spielend leicht gerät in diesem Bild die besondere Bedrohung durch den Rechtsextremismus in den Hintergrund. Die unterschiedslose Ablehnung von ganzen Menschengruppen – nicht aus politischen oder sozialen Gründen, sondern wegen angeborener Merkmale – ist eine einzigartige, konzeptionelle Brutalität. Und sie birgt große Gefahren.
Um eine ethnische Fragmentierung des Landes zu erreichen, brauchen Nazis nicht unbedingt Mehrheiten bei den Wahlen. Es reichen kleine Gruppen, die den Hass säen und eine Mitte, die gleichmütig reagiert. Man kann die Effektivität dieses Konzeptes gut an den ländlichen Räumen Ostdeutschlands ablesen.
Konservative Medien, Wissenschaftler und Politiker aber führen hier einen alten westdeutschen Kampf. Ihre Lesart lautet: Rot-Grüne 68er dominieren die öffentlichen Debatten, sie wollen den Patriotismus und den Konservatismus im Kampf gegen Rechts gleich mitentsorgen. Deswegen ist es für dieses Milieu eine hochpolitische Frage, ob Linksextreme im gleichen Atemzug wie die Neonazis genannt werden.
Dieses paranoide Paradigma macht Fehlgriffe wie in Sachsen erst möglich, wo der Streit um die Extremismusklausel dazu führte, dass die Staatsregierung einen eigenen Zivilcourage-Preis auslobte, der den Widerstand gegen die Neonazis nicht mehr als ehrungswürdig bezeichnet. Wo Schwarz-Gelb gemeinsam mit der NPD dem Fraktionschef der Linken die Immunität entzog, weil er einen Naziaufmarsch mitblockiert haben soll. Wo die Behörden mit großem Eifer gegen die angeblich drohende linke Gefahr vorgehen, während Neonazis das Land jahrelang ungestört als organisatorische Basis nutzen konnten.
Die Union sollte sich den Begriff Extremismus verbieten. Natürlich muss verfolgt werden, wer Gewalt einsetzt. Doch wer nicht zwischen Rechts- und Linksextremisten unterscheidet, merkt auch nicht, wenn ganze Landstriche in die Hand von Neonazis geraten. Er verliert auch den Blick dafür, welche Form der Dissidenz sich in der Bevölkerung ausbreitet.
Von Jahr zu Jahr glauben weniger Menschen daran, dass Demokratie und Marktwirtschaft ihre Probleme lösen können. Es ist ein Unterschied, ob die Bürger darauf mit der Forderung nach Umverteilung reagieren oder sich rassistische Feindbilder suchen. Wer das misst wie Schröder, kann nur feststellen, dass ein großer Teil der Deutschen bereits jetzt unter latenten Extremismusverdacht gehört.
Quelle: DIE ZEIT online vom 24.11.11
„Seit 1990 gibt es in Deutschland mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt. Die Bundesregierung erkennt davon nur 47 an. Damit unterschlägt sie 90 Morde und Tötungsdelikte in Deutschland und verharmlost so gezielt rechtsextremistische Gewalttaten.“ wirft die Bundestagsabgeordnete Katrin Werner der Bundesregierung vor.
Sie fordert: „Angesichts der letzten rechtsextremistisch motivierten Mordserie muss die Bundesregierung sich endlich ernsthaft und konsequent mit den Gefahren des Rechtsextremismus auseinandersetzen. Statt Geheimdienste weiter auszubauen, müssen gesellschaftliche Projekte gestärkt werden, so dass rechte Ideologie keinen Nährboden in unserer Gesellschaft mehr findet.“
137 Todesopfer rechter Gewalt hat es seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Diese Zahlen stützen sich auf eine gemeinsame Recherche der Zeitungen „DIE ZEIT“ und „DER TAGESSPIEGEL“. DIE LINKE im Deutschen Bundestag nutzte diese Zahlen für eine Große Anfrage an die Bundesregierung.
Quelle: DIE LINKE Rheinland-Pfalz
Bangkok. Die Ächtung von Landminen hat einem neuen Bericht zufolge im vergangenen Jahr einen schweren Rückschlag erlitten: Wie die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht schrieb, wurden 2011 weltweit deutlich mehr Landminen verlegt als in jedem der sieben Jahre zuvor. Anders als im Vorjahr brachte nicht nur Myanmar neue Minen aus, sondern auch Libyen, Syrien und Israel legten Tausende der Sprengsätze.
Quelle: (AFP/jW); www.jungewelt.de vom 25.11.11
Überraschungen enthielt er nicht, der Verteilungsbericht des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Er reiht sich ein in die Vielzahl offizieller und halboffieller Studien, die Jahr für Jahr belegen, daß sich die Einkommens- und Vermögensschere in Deutschland immer rasanter öffnet. Während die Realeinkünfte abhängig Beschäftigter und der Anteil der Löhne am Volkseinkommen in den vergangenen zehn Jahren drastisch gesunken sind, steigen quasi spiegelbildlich die Unternehmensgewinne und der Anteil der Vermögenseinkünfte. Während 27 Prozent aller Deutschen keinerlei Vermögen besitzen oder gar verschuldet sind, besitzt allein das reichste Prozent fast ein Viertel des Nettovermögens, welches bei rund 6,6 Billionen Euro liegt. Von der vielbeschworenen »Kapitalvernichtung« durch die Finanzkrise 2008/2009 ist dabei wenig zu spüren. Im Gegenteil. Nach einer Delle ging es wieder steil nach oben, und aktuell liegen beispielsweise die privaten Geldvermögen deutlich über dem Stand des Vorkrisenjahres 2007.
Diese im europäischen und OECD-Vergleich einmalige Einkommens- und Vermögensentwicklung war und ist politisch gewollt. Seit dem Amtsantritt der ersten »rot-grünen« Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder wurden die steuerlichen Rahmenbedingungen radikal umgekrempelt, um eine größere Vermögensspreizung zu schaffen. Parallel dazu wurde durch die umfangreiche Förderung von Niedriglohnsektoren und prekärer Beschäftigung der Druck auf das Vergütungsniveau regulärer Arbeitsverhältnisse erhöht.
Jahrelang ließen sich die Gewerkschaften, die diese Entwicklung jetzt lauthals beklagen, von wenigen Ausnahmen abgesehen in die Kapitalstrategie zur »Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit« einbinden. Nahezu widerstandslos wurden Privatisierungen in Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge und die Erosion der Tarifbindung hingenommen. Zwar gelang es einer Art konzertierten Aktion aus Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften, weitere soziale Verwerfungen im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit dem Einsatz erheblicher finanzieller Mittel zur Arbeitsplatzsicherung zu verhindern, doch die längst tickende Zeitbombe »Wettbewerbsfähigkeit« wurde damit nicht entschärft. Denn die Volkswirtschaften jener Länder, die sich jetzt im Würgegriff der Finanzspekulanten befinden, wurden durch die dort realisierten Reallohnsteigerungen zwangsläufig immer »unproduktiver«.
Die Mischung aus binnenwirtschaftlicher Austeritätspolitik und Fixierung auf immer wahnwitzigere Exportüberschüsse könnte dem deutschen Kapital jedenfalls gehörig um die Ohren fliegen und auch die gescheffelten Vermögen gefährden. Deutschland wird, ob es will oder nicht, für die teilweise von ihm verursachten ökonomischen Verwüstungen in der Euro-Zone aufkommen müssen. Doch die Zeche sollen natürlich erneut diejenigen zahlen, die bei der Vermögensverteilung schon jetzt auf der Schattenseite stehen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.11.11