Wolfgang Huste Polit- Blog

Im Westen nichts Neues. Von Ulla Jelpke

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Wenn es stimmt, was die Süddeutsche Zeitung (SZ) unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet hat, war die Mordserie der Zwickauer Neonaziterrorzelle in der rechten Szene schon seit Jahren bekannt. Während Polizei und Verfassungsschutz seit Wochen versichern, sie hätten zu keiner Zeit Hinweise auf die Existenz des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gehabt, galten dessen Angehörige in der rechten Szene als »bekannte, große Figuren«. Das soll ein Neonazi gegenüber den Ermittlern ausgesagt haben. Seine Identität wird geheimgehalten.

Dem Zeugen zufolge hat man unter Neonazis nicht nur gewußt, daß eine Terrorgruppe mindestens neun Migranten ermordet hatte, man sei sich auch über die Identität der Mörder im klaren gewesen. Die späteren Tatorte im Westen hätten örtliche Nazihelfer mit ausgekundschaftet. Er selbst auch, allerdings vor mehr als zehn Jahren, so daß die Unterstützung verjährt ist. Die Ermittler halten die Aussage des Rechtsradikalen laut SZ für glaubwürdig: Sie sei »mehr als nur eine Hypothese« und decke sich mit eigenen Ermittlungen.

Für die hervorgehobene Rolle der Zwickauer Zelle spricht ein weiterer Umstand: Wurde bisher angenommen, die Terroristen hätten Unterstützung aus der Szene erhalten, geht die Ermittlergruppe inzwischen davon aus, daß die mutmaßlichen Mörder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ihrerseits mit dem aus Banküberfällen stammenden Geld militante »Kameradschaften« subventioniert haben. Wenn tatsächlich die »harte« Naziszene Bescheid gewußt hat, muß deren Fähigkeit zu konspirativem Vorgehen als erschreckend hoch eingeschätzt werden. Ein solcher Untergrund wäre zudem in der Lage, weitere Terrorgruppen zu verbergen.

Obwohl all das ein grelles Licht auf die V-Leute-Praxis von Polizei und Geheimdiensten wirft, wollen die Innenminister vor allem der Union an der bisherigen Praxis festhalten. Die Innenministerkonferenz einigte sich gestern nur formelhaft darauf, ein NPD-Verbotsverfahren anzustreben. Eine bereits vor einem halben Jahr beschlossene Länderarbeitsgruppe solle Kriterien ausarbeiten, hieß es am Freitag. V-Leute seien aber weiter erforderlich. Die Linksfraktion kritisierte das als »Schlingerkurs«.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat mittlerweile einen Gesetzentwurf für die »Datei zur Bekämpfung des gewaltbereiten Rechtsextremismus« vorgelegt. Sie soll die über Neonazis gespeicherten Daten von Polizei- und Geheimdienstbehörden zusammenführen. Die Regelung entspricht – wie erwartet – der zur 2007 eingerichteten Antiterrordatei, die sich auf islamistischen Terrorismus bezieht. In den Paragraphen wurde im Prinzip lediglich der Begriff islamistisch durch rechtsextrem ersetzt.

Der Unterschied: Bei den Nazis beschränkt sich der Speicheranlaß nicht auf Fälle von terroristischen Vereinigungen, sondern umfaßt ausdrücklich Einzeltäter. Die Aufnahmekriterien sind – wie gehabt – unpräzise und erstrecken sich auf Handlungen wie das »Bejahen« und »Fördern« von Gewalt. Erfaßt werden auch Kontaktpersonen.

Ein Problem kann die Datei allerdings nicht lösen: Die Deckung von Neonazigruppen durch die Geheimdienste. Die sind auch in Zukunft nicht gezwungen, ihre Erkenntnisse mit anderen Behörden zu teilen, und können die Polizei bewußt im dunkeln tappen lassen, wenn sie das für angemessen halten. Beobachter fürchten zudem, daß später eine ähnliche Datei gegen »Linksextremisten« auf die Tagesordnung kommt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 11.12.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 10. Dezember 2011 um 12:40 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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