Es ist aus meiner Sicht eine Frechheit, wenn nicht gar ein Verbrechen, mittels der Extremismusformel linkes, internationales, antifaschistisches und damit auch antirassistisches Engagement zu diskreditieren! In den Konzentrationslagern der damaligen Nazis wurden bekanntlich auch (!) “Linke” im weitesten Sinne ermordet, in den Gefängnissen der Gestapo gefoltert, ins Exil genötigt usw. Am 02. Mai 1933 wurden von den arbeiterfeindlichen (!) Nazis alle Gewerkschaftshäuser geschlossen und zahlreiche Gewerkschaftsfunktionäre zwangsweise in sogenannte “Schutzhaft” genommen (teilweise erhielten sie hohe Haftstrafen oder wurden gar ermordet, viele wurden ins Exil genötigt). Schon vor 1956 duldete die BRD zahlreiche faschistische und faschistoide Gruppen/Organisationen. Die KPD wurde dagegen im selben Jahr verboten (und im selben Jahr wurde die Bundeswehr offiziell “geöffnet”). Einige KPD – Funktionäre, die sehr großes Glück im Unglück hatten, wurden von den Alliierten damals aus den KZs und den Gefängnissen der Gestapo befreit- und kamen dann, unter der Regierung der “kalten Krieger”, wiederum – nur wegen ihrer politischen, antifaschistischen Gesinnung! – ins “Zuchthaus”, wie es damals in der BRD noch hieß, teilweise für viele Jahre! Dagegen fand man noch bis tief in die 70er Jahre des vorherigen Jahrhunderts über Tausend hohe Staatsfunktionäre und Richter, die vormals Mitglied in der NSDAP waren. Der erste Nachkriegsgeheimdienst in Deutschland wurde von Reinhard Gehlen, einem ehemaligen NSDAP-Mitglied gegründet, der recht schnell wiederum zahlreiche ehemalige Nazis als enge Mitarbeiter um sich scharte. Und heute arbeitet der Verfassungsschutz nicht nur eng mit “kriminellen Elementen”, angeblich aus “taktischen Gründen”, zusammen, sondern es finden sich sogar in seinen eigenen Reihen Menschen, die mit den Nazis (aktuell mit der NSU -Terrorgruppe) “gemeinsame Sache” machten, angeblich(!) unwissentlich. Antikommunismus hat insbesondere in Deutschland eine lange Tradition, auch viele “AnhängerInnen”. Antifaschismus dagegen leider nicht (da haben die pro kapitalistischen Medien, die konservativen Parteien, die “herrschenden Eliten”, in vielen Jahrzehnten “ganze Arbeit” geleistet). Die staatliche Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es – sicherlich nicht nur aus meiner Sicht – primär gegen Kommunisten (und die man dafür hält), gegen Antifaschisten, Antikapitalisten und Antimilitaristen, entschieden, das heißt: rigide, vorzugehen. Die sogenannte “Freiheitlich-demokratische – Grundordnung” wird im weitesten Sinne mit dem Kapitalismus, oftmals als “soziale Marktwirtschaft” verbrämt, verniedlicht, nahezu gleichgesetzt. Dagegen wurden und werden Menschen als “staatsfeindlich” diffamiert, die sozialistische Ziele verfolgen, eine sozialistische Demokratie anstreben, im Sinne der Formel: “Wir wollen nicht den Krümel vom Kuchen, auch nicht nur den Kuchen- sondern die gesamte Bäckerei (bildlich gesprochen). Wir wollen die “Bäckerei” (den Staat) unter eine demokratische, gesellschaftliche und selbstbestimmte Kontrolle der Produzenten (der “abhängig” Beschäftigten) bringen!”. Die herrschenden Eliten, die vielen Ackermänner, Zumwinckels und Sarrazins, verstehen unter Freiheit und Demokratie in der Regel was völlig anderes als ein Hartz IV- Bezieher, als eine alleinerziehende Mutter mit einem schlecht bezahlten Mini-Job, als ein verarmter Rentner, als ein Student, der Studiengebühren zahlen muss – aber keine reichen Eltern hat. Und es darf nicht sein, dass diejenigen, die zivilen, antifaschistischen Widerstand leisten, sich gegen Rassismus, Ausbeutung, Unterdrückung und entschieden gegen die allgemeine Umverteilung von “unten nach oben” wenden, mit ihren Peinigern, den “Rechtsextremen”, in den selben “Extremismustopf” geworfen werden. Das ist eine Beleidigung, auch eine Verhöhnung, wenn nicht gar ein Verbrechen gegenüber allen Menschen, die damals als Antifaschisten, als Linke, in den zahlreichen KZs und Gestapo-Gefängnissen durch deutsche Faschisten und Rassisten ermordet wurden. Und nun müssen (?) wir wiederum miterleben, wie blind auf dem rechten Auge die “geheimen Dienste” und viele Richter oftmals noch immer, traditionell, sind. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es zukünftig anders und auch besser wird- in einem demokratischen, antifaschistischen und antirassistischen Sinne! “Wer gegenüber dem Bösen tolerant ist, ist selber böse!” sagte einmal Heinrich Böll und Rosa Luxemburg gab uns die Losung auf den Weg: “Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!
Die neuesten Veröffentlichungen über die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Morde der Neonazigruppierung »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) lassen immer mehr den begründeten Verdacht der Strafvereitelung im Amt sowie der Beihilfe durch Unterlassung der Behörde vermuten. Die Staatsanwaltschaft ist aufgefordert, endlich aktiv zu werden. Sowohl behördlich als auch politisch Verantwortliche müssen für das scheinbar gezielte Versagen zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des neonazistischen Problems in Deutschland.
Die bundesdeutschen Geheimdienste, die von Anfang an Probleme mit der Aufarbeitung ihrer eigenen braunen Vergangenheit hatten und noch haben, erwiesen sich bereits bei der Verhinderung der neonazistischen Wiederbetätigung nach dem Krieg als unwillig und wurden darin von der herrschenden Politik flankiert, bestärkt und gedeckt. Kein Wunder, daß die lange Liste neonazistischer und rassistisch motivierter Gewalttaten und Morde seit den 1950er Jahren weiter geleugnet bzw. verschleiert wird. Statt dessen wurde der Neonaziterror in Deutschland auch nach den Pogromen in Solingen, Rostock, Hoyerswerda und anderswo heruntergespielt und sogar unterstützt. Die Konstruktion einer »neuen Dimension rechter Gewalt« fungiert in Fortsetzung dieser Haltung ebenso als Ablenkungsmanöver wie die Reduktion der Debatte über Rassismus auf den NSU, die NPD oder die Neonaziszene.
Geradezu heuchlerisch ist es, daß sich ausgerechnet die herrschende Politik als engagierte Kämpferin gegen Neonazismus und Ungleichwertigkeitsdenken produziert, gleichzeitig aber seit Jahrzehnten antifaschistisches Engagement kriminalisiert und nicht davor zurückschreckt, rassistische, diskriminierende und sozialdarwinistische Vorurteile zu schüren und politisch auszunutzen. (…) Die Geheimdienste müssen als untaugliche und demokratiefeindliche Instrumente abgeschafft werden, wie die NPD als organisatorische, personelle und ideologische Basis der neonazistischen und rassistischen Mörder, Gewalttäter und Hetzer verboten werden muß.
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, nennt den Vorschlag von CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, vom Verfassungsschutz beobachtete Parteien aus der staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen, »schlicht verfassungswidrig«:
Um Neonazis von staatlichen Geldern abzuschneiden, ist ein sauberes NPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht der einzig gangbare Weg. (…) Auch nach allen Enthüllungen über die Blutspur der Zwickauer Naziterroristen will die CSU die Neonazis nicht bekämpfen. Diese sollen nun im Sinne des Extremismusansatzes der Bundesregierung auch noch als Begründung für die Forderung nach einem Verbot der Linkspartei herhalten. Wer angesichts von über 150 durch Neonazis und Rassisten ermordeten Menschen seit 1990 solche Vergleiche zwischen Rechtsextremen und der Linken macht, ist mit einer geradezu kriminellen politischen Blindheit geschlagen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 04.01.12
Wäre Christian Wulff ein Ehrenmann, hätte er längst seinen Rücktritt verkündet – so aber mutiert er immer mehr zu einer Figur, die das politische Establishment dieser Republik der Lächerlichkeit preisgibt. Aber im internationalen Vergleich hat er noch jede Menge Spielraum: Der afghanische Präsident Karsai etwa denkt ebenfalls nicht an Rücktritt. Schon 53 Bundeswehrsoldaten sind dafür gestorben, daß dieser Wahlfälscher und Korruptionskönig im Amt bleibt.
Je mehr Skandale im Zusammenhang mit Wulff bekanntwerden, desto mehr wird er in Kommentaren sowie im Internet zur Lachnummer. Eine Abstimmung des eher konservativen Magazins Focus, an der bis Redaktionsschluß gut 50000 Leserinnen und Leser teilnahmen, ergab, daß 91 Prozent von ihnen den sofortigen Rücktritt Wulffs wollen.
Unberührt von den Affären um Wulffs Kreditmauschelei und seinen Versuchen, Journalisten zu bedrohen, veröffentlichte das Bundespräsidialamt am gestrigen Dienstag die offiziellen Termine des Staatsoberhauptes für die nächsten neun Tage. Unterdessen wurde bekannt, daß Wulff nicht nur beim Chef des Springer-Konzerns Mathias Döpfner und bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann vergeblich versucht hatte, das Erscheinen eines Berichts über seinen Privatkredit zu verhindern, sondern auch bei Friede Springer selbst, der Mehrheitsaktionärin. Neu ist auch, daß er schon im Sommer versucht hatte, einen Bericht in der Welt am Sonntag zu verhindern und daß er in seiner Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident Spenden für einen Eventmanager eingeworben hat.
Nachdem sich SPD und FDP in ihrer Kritik am Verhalten Wulffs auffällig zurückgehalten hatten, verschärften sie am gestrigen Dienstag leicht den Ton. »Die politische Schonfrist geht zu Ende«, erklärte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in Berlin. Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy sagte dem Sender N24: »Es ist peinlich, einen solchen Bundespräsidenten zu haben.« Und Grünen-Fraktionsvize Fritz Kuhn erklärte im Deutschlandfunk, er komme zu der Überzeugung, daß Wulff »den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen ist«.
Der Linke-Abgeordnete Wolfgang Neskovic hielt Union, SPD und Grünen parteitaktisches Verhalten in der Affäre Wulff vor. Keine dieser Parteien habe »nach der mühseligen Wahl von Herrn Wulff ein Interesse, erneut in ein völlig unsicheres Wahlverfahren mit einem anderen Kandidaten einzusteigen«, erklärte er. Auch aus den Unionsparteien sowie der FDP kam vereinzelte Kritik. Unterstützt wurde Wulff allerdings von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Wulff habe sich immerhin beim Chefredakteur von Bild für seinen Drohanruf entschuldigt, erklärte er.
Das Satiremagazin Titanic reagiert auf den Wulff-Skandal mit einer E-Postkarte. Neben einem Wulff-Porträt steht: »Dieser Milchbubi ist der Bild-Erpresser«. Und weiter: »Klingeling, hallo, darf ich bitte den Herrn Diekmann sprechen? – Seine Fistelstimme zittert. Er keift und weint, doch er landet nur auf der Mailbox. Der wirre Bubi-Erpresser (52) fordert ›Gerechtigkeit‹, droht mit ›Krieg‹ und ›Abo-Kündigung‹. Die Redaktion lacht sich schlapp.«
Der Westdeutsche Rundfunk engagierte einen Stimmenimitator, der den kolportierten Wortlaut von Wulffs Anruf bei Diekmann leicht variierte: »Für meine Frau und mich ist der Rubikon aber sowas von überschritten…«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 04.01.12
Seit Bestehen der Bundesrepublik gehörten ein aggressiver Antikommunismus und die gegen linke politische Bewegungen gerichtete Repression zur westdeutschen Staatsdoktrin. Im Jahr 2000 wurden allerdings Nazigegner beim vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ausgerufenen »Aufstand der Anständigen« Opfer der Umarmungsstrategie selbsternannter Demokraten, derzeit aber werden sie wieder einmal per »Extremismustheorie« mit Neofaschisten gleichgesetzt: Rot gleich Braun.
Eine besonders einflußreiche pressure group für die Propagierung dieser Formel ist der »Veldensteiner Kreis zur Geschichte und Gegenwart von Extremismus und Demokratie«, dessen Anhänger sich seit 1990 zweimal im Jahr treffen. Angeblich fühlt man sich dort dem Einsatz für die Demokratie verpflichtet. Organisiert werden die Tagungen von den Professoren Eckhard Jesse (Technische Universität Chemnitz), Uwe Backes (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung Dresden) und Werner Müller (Universität Rostock). Als »Ort wissenschaftlicher Diskussion« hat sich das unter anderem aus Zeithistorikern, Politik- und Sozialwissenschaftlern bestehende Netzwerk – eigenen Angaben zufolge – dem Ziel verschrieben, die »vergleichende Extremismusforschung« zu fördern. Dieses Ziel verbinde der »Veldensteiner Kreis« mit »dem Engagement für den demokratischen Verfassungsstaat«, heißt es auf der Internetseite der Vereinigung. Bei ihren Tagungen treten unter anderem so prominente Referenten wie der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck, der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Hubertus Knabe oder auch der deutsch-französische Parteienforscher Patrick Moreau auf. Seine wissenschaftliche Reputation litt allerdings etwas, als herauskam, daß er in Pamphleten gegen die damalige PDS in Thüringen eigene Pseudonyme (Peter Christian Segall, Hermann Gleumes) nutzte, um sich selbst zu zitieren.
Moreau trat mehrfach auf Veranstaltungen des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) auf und veröffentlichte in der Heron-Verlagsgesellschaft, einem Tarnunternehmen der Spitzelbehörde, die 1997 vom damaligen Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Helmut Roewer unter dem Decknamen Stephan Seeberg gegründet worden war. Roewer gilt als eine der Schlüsselfiguren im größten Geheimdienstskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Fest steht: Die Mitglieder des neofaschistischen Terrornetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU), vor allem Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, wurden von den Inlandsgeheimdiensten zum Teil finanziert, beobachtet, aber nicht behelligt. Sie konnten untertauchen, mehrere Banken ausrauben, neun Migranten und die Polizistin Michèle Kiesewetter ermorden sowie 2004 in Köln einen Nagelbombenanschlag 2004 verüben.
Der ehemalige Bundeswehr-Panzeroffizier Roewer, der heute im als rechtsextrem eingestuften Ares-Verlag Graz publiziert, war von 1994 bis Herbst 2000 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes. Unter seiner Leitung produzierte das Landesamt im Jahr 2000 einen für den Schulunterricht vorgesehenen Film über »jugendlichen Extremismus in der Mitte Deutschlands«, der im Auftrag von Heron entstanden ist.
Während autonome Antifaschisten in dem Film als gewaltbereit diffamiert wurden, konnte ausgerechnet der V-Mann Tino Brandt als Kopf des neofaschistischen »Thüringer Heimatschutzes«, aus dem die Terrorgruppe NSU hervorging, darin ein Bekennntis zu prinzipieller Gewaltlosigkeit der Rechten abgeben.
Auch Helmut Roewer soll bereits als Referent beim »Veldensteiner Kreis« aufgetreten sein. Gelegenheit zu einem neuerlichen Auftritt hätte er bald wieder: Die Herrschaften tagen vom 13. bis 15. April im Schloß Wendgräben bei Magdeburg, das von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung betrieben wird.
www.jungewelt.de vom 02.12.11