Bei ACTA handelt es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, an dem neben der Europäischen Union eine ganze Reihe von Drittstaaten beteiligt sind. Am 30. September 2011 war der Pakt von den USA, Kanada, Australien, Japan, Marokko, Neuseeland, Südkorea und Singapur unterzeichnet worden. Am 26. Januar 2012 traten 22 der 27 EU-Mitglieder dem Vertrag durch ihre Signatur in Tokio bei. Die EU als Staatenbund hatte dies in Gestalt des EU-Rats bereits am 16. Dezember in geheimer Sitzung im Agrar- und Fischereirat erledigt. Deutschlands Unterschrift fehlt bisher aus rein formalen Gründen – Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) konnte Ende Januar nicht in Tokio weilen.
Weil das Vertragswerk in die Zuständigkeiten jedes einzelnen Mitgliedsstaates eingreift, muß ACTA zu guter Letzt per Mehrheitsvotum von den nationalen Parlamenten beschlossen werden. Bisher ist die abschließende Ratifizierung noch in keinem der fraglichen Staaten erfolgt. Auch eine Entscheidung des Europaparlaments in Strasbourg steht noch aus und wird sich voraussichtlich angesichts verbreiteter Bedenken in den Reihen von SPD, Grünen und Linken und wegen des wachsenden Drucks der Öffentlichkeit verzögern.
Selbst in den Staaten, die das Abkommen schon unterzeichnet haben, gerät das weitere Prozedere ins Stocken. Massive Proteste hatten vergangene Woche den polnischen Regierungschef Donald Tusk dazu veranlaßt, das Abkommen dem Parlament bis auf weiteres nicht zur Beschlußfassung vorzulegen. Dem Beispiel folgten Anfang dieser Woche die tschechische und slowakische sowie am Donnerstag die Regierung Lettlands. Aufgrund der kritischen Stimmung in Teilen der Gesellschaft und der Bedenken von Experten bedürfe es zunächst eines konstruktiven und vernünftigen Dialogs mit den verschiedenen Interessengruppen, erklärte das lettische Wirtschafsministerium. Ein Kritikpunkt besteht auch darin, daß mit China und Indien zwei der wachstumsstärksten Ökonomien bei ACTA nicht mitmachen. (rwu)
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.02.12
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