Wolfgang Huste Polit- Blog

Massenprotest am Main. Von Daniel Behruzi, Frankfurt/Main

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Diese Runde geht an die Kapitalismuskritiker. »Wir haben alles gewonnen diese Woche«, stellte Roman Denter vom Netzwerk ATTAC zum Auftakt der »Blockupy«-Demonstration am Samstag in Frankfurt am Main fest. Trotz des Verbots aller Veranstaltungen im Vorfeld, trotz martialischen Polizeiaufgebots und angeblich drohender Gewaltexzesse waren rund 30000 Menschen in die Mainmetropole gekommen, um am Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Wut über die EU-Krisenpolitik zu zeigen. Während die Polizei zunächst von 20000 Teilnehmern und die Veranstalter von 25000 sprachen, korrigierten sich letztere nach der Abschlußkundgebung nach oben. Statt der von vielen Medien erhofften Krawallbilder konnten sie nur Aufnahmen einer vielfältigen und kreativen Großdemonstration verbreiten. Auch die Frankfurter Rundschau – die sich sonst darauf konzentrierte, die Organisatoren zur Distanzierung von vermeintlich drohender Gewalt aufzufordern – stellte in ihrem Blog fest: »Es ist die größte Demonstration, die Frankfurt in diesem Jahrtausend erlebt hat, sie ist bunt, laut und friedlich.«

Die linken Aktivisten in Deutschland hätten wohl »magische Fähigkeiten«, so der US-Autor Michael Hardt in seiner Rede. Sie hätten es geschafft, daß die Banker die Banken selbst dichtmachten und die Polizei die Straßen selbst blockiere. Am Vortag war das Geschäftsleben im Frankfurter Finanzdistrikt fast komplett zum Erliegen gekommen, da das gesamte Areal aus Furcht vor Demonstranten weiträumig abgesperrt worden war. Trotz Versammlungsverbots war es seit Mittwoch immer wieder zu Kundgebungen, Demonstrationen und Aktionen gekommen. »Die Repression zeigt deutlich: Wir sind hier in Frankfurt genau am richtigen Ort mit unseren Protesten«, sagte Anna Dohm von der »Interventionistischen Linken«. Der Versuch, die »Blockupy«-Aktionen zu kriminalisieren, belege die Nervosität der Regierenden. »In den Medien wird gesagt, wir seien gewalttätig, aber es ist das System, das gewalttätig ist«, sagte sie. Dies zeige sich besonders in der sozialen Verelendung weiter Teile der Bevölkerung Griechenlands als Folge der Politik der Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds, so der Tenor vieler Redebeiträge. Zentraler Kritikpunkt war die Rolle der BRD-Regierung bei der Durchsetzung der Kürzungsprogramme in Griechenland und anderswo. »Wir müssen weiter auf die Straße gehen gegen einen wiederaufkeimenden deutschen Nationalchauvinismus«, forderte Jochen Nagel von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Stuttgarts ver.di-Geschäftsführer Bernd Riexinger betonte: »Diese Länder sollen mit Spar- und Armutsprogrammen überzogen werden, ohne daß sie noch selbst entscheiden können, etwas anderes zu tun.« Es sei auch für die Gewerkschaften höchste Zeit, stärker internationale Solidarität zu üben.

»Die revoltierenden Griechen dürfen jetzt nicht alleingelassen werden«, appellierte die griechische Aktivistin Sonia Mitralias. Die beste Form der Solidarität sei Widerstand gegen die Austeritätspolitik auch in Deutschland. Den internationalen Charakter der Demonstration – an der Aktivisten aus Italien, Spanien, Belgien, Frankreich, Portugal und Österreich teilnahmen – betonte auch Arbi Kadri Regueb von der »Vereinigung der Arbeitslosen ohne Diplom« aus Tunesien: »In Spanien, Griechenland, Amerika – überall gibt es eine Bewegung für ein anderes System«. In Tunesien habe eine Massenbewegung zum Sturz der Diktatur geführt, »aber der Kampf für die Rechte der Arbeiter und gegen das kapitalistische System geht weiter«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.05.12

Dieser Beitrag wurde am Montag, 21. Mai 2012 um 11:26 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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2 Comments

  1. »Die Frankfurter Polizei steht blamiert da«. Gefahrenprognose der Behörden für »Blockupy«-Aktionen war offenbar frei erfunden. Ein Gespräch mit Christoph Kleine. Interview: Daniel Behruzi

    Christoph Kleine ist für die »Interventionistische Linke« (IL) aktiv im Bündnis »Blockupy«, das die Proteste in den vergangenen Tagen in Frankfurt am Main organisiert hat

    Wie fällt Ihre Gesamtbilanz der »Blockupy«-Aktionstage in Frankfurt am Main aus?

    Das Totalverbot politischer Veranstaltungen und das immense Polizeiaufgebot sollten die Proteste in dieser Stadt unmöglich machen. Doch an allen vier Tagen haben Aktivistinnen und Aktivisten dem widerstanden. Das ist für uns, die das im Bündnis vorbereitet haben, aber auch für die Bewegung insgesamt eine großartige Erfahrung.

    Am Donnerstag haben wir uns die Plätze genommen – den Paulsplatz und den Römer. Am Freitag haben wir die von der Polizei ohnehin errichtete Bankenblockade verstärkt. Und die Großdemonstration am Samstag mit rund 30000 Teilnehmern – darunter viele aus Italien, Spanien, Griechenland und anderen Ländern – war ein grandioser Abschluß. Damit ist der Versuch, den Protest zu unterdrücken und aus Frankfurt fernzuhalten, in Scherben zerfallen.

    Zuvor hatten einige befürchtet, die Teilnahme an der Demonstration könnte wegen der Repression geringer ausfallen. War das so, oder haben viele gesagt: Jetzt fahren wir erst recht nach Frankfurt?

    In den Tagen vor der Demo gab es die Reaktion des »Jetzt erst recht«. Davor hatte das Vorgehen des Staatsapparats eher Verunsicherung und Einschüchterung bewirkt. Da wurden Busse abgesagt, und es wurde klar, daß die Demo kleiner werden würde, als wir ursprünglich erhofft hatten.

    Zur Rechtfertigung der Verbote wurde verbreitetet, 2000 Gewalttäter würden in die Stadt einfallen. Jetzt erklärt die Polizei, sie habe die Gewalttaten mit einer »punktgenauen Präsenz starker Polizeikräfte« verhindert.
    Die Polizei steht blamiert da. Ihre Gefahrenprognose war reine Phantasie und politisch motiviert. Das ist jetzt offenkundig geworden und kann auch durch solche Worthülsen nicht kaschiert werden.

    Sehen Sie das Totalverbot als Frankfurter Besonderheit, oder ist es ein Anzeichen für eine härtere Gangart des Staates?

    Beides. Einerseits ist es eine lokale Besonderheit, weil es in der Finanzmetropole Frankfurt eine besondere Provokation ist, die Banken zu attackieren. Andererseits gibt es einen Zusammenhang zwischen der autoritären Krisenpolitik, der Entdemokratisierung und der Unterdrückung von Protesten – nicht nur in Frankfurt, sondern auch in Spanien und anderswo.

    Es gab in den Tagen immer wieder, zuletzt bei der Demonstration am Samstag, Provokationen von seiten der Polizei. Wie haben es das Bündnis und die »Interventionistische Linke« geschafft, unter den Gruppierungen des autonomen Spektrums eine solche Verbindlichkeit herzustellen, daß man darauf nicht hereinfällt?

    Die IL hat den antikapitalistischen Block auf der Demo gemeinsam mit Genossinnen und Genossen von »… um’s Ganze« und [3a] organisiert. Wir haben zusammen überlegt und diskutiert, wie wir es schaffen, daß der Block den vorhersehbaren Provokationen der Polizei standhält. Wir wollten nicht, daß Auseinandersetzungen an dieser Stelle zum Vorwand genommen werden können, um die Gesamtproteste zu diskreditieren. Das hat hervorragend funktioniert. Ich erhoffe mir, daß aus dieser Erfahrung heraus viele der Nervereien überwunden werden, die es teils aus politischen Gründen, teils auch aus Mißverständnissen zwischen den verschiedenen Fraktionen der radikalen Linken gibt. Ein Mehr an Kooperation und ein stärkeres Zusammenfassen der Kräfte, so wie es in Frankfurt geklappt hat, wäre auch für die Zukunft gut.

    Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit im »Blockupy«-Bündnis selbst?

    Diesem gehören ja ganz unterschiedliche Kräfte an, neben der IL u.a. ATTAC, Die Linke und Gliederungen der Gewerkschaften.
    Ich muß dem gesamten Bündnis ein großes Kompliment machen. Auch in der Situation des Totalverbotes hat es nicht gewackelt. Wir haben dem gemeinsam widerstanden und gesagt: Die Aktionen finden statt.

    Was heißt das für die Zukunft?

    Auf diesen Erfahrungen können wir aufbauen. Ob es unter dem Label »Blockupy« weiter Aktionen geben wird, müssen wir noch diskutieren.

    Quelle: http://www.jungewelt.de vom 21.05.12

    Comment: Huste – 21. Mai 2012 @ 11:30

  2. Grundrechte müssen verteidigt werden! Polizeieinsatz unverhältnismäßig brutal

    „Es ist inakzeptabel, dass unsere demokratischen Grundrechte auf Versammlungsfreiheit in Frankfurt mit Füßen getreten werden“, erklärt Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, anlässlich des Demonstrationsverbots gegen die Blockupy-Proteste. Hänsel berichtet weiter:

    „Während Nazis ständig demonstrieren dürfen und dabei von der Polizei geschützt werden, sind die kapitalismuskritischen Blockupy-Proteste in Frankfurt schon im Vorfeld verboten und kriminalisiert worden. Hier zeigt sich, dass der Staat die Systemkritik an den Banken mit aller Gewalt zu unterbinden sucht und dafür demokratische Rechte zu opfern bereit ist. Dabei geht die Polizei gegen friedliche DemonstrantInnen und BlockiererInnen völlig unverhältnismäßig und brutal vor.“

    Um gegen diesen Demokratieabbau zu protestieren, ist eine Gruppe von Occupy-Aktivisten einschließlich mir zu einer Veranstaltung von Bundeskanzlerin Merkel auf dem Mannheimer Katholikentag gefahren, um die Proteste von Frankfurt nach Mannheim zu tragen. Mit Blockupy-Transparenten wurde die Veranstaltung gestört, um auf das Demonstrationsverbot in Frankfurt aufmerksam zu machen.

    Wir sagen Nein zu dieser staatlichen Repression und werden das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verteidigen.“

    Comment: Wolfgang Huste – 21. Mai 2012 @ 14:03

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