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Demokratieretter. Die Freien Wähler wollen als Euro-Gegner bundespolitisch punkten. Sie haben prominente Unterstützer, vor allem Gewerkschaftsfeinde und Kapitalfreunde. Von Thomas Wagner

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Nun ist es amtlich: Die Freien Wähler (FW) wollen bei der kommenden Bundestagswahl kräftig mitmischen. Nachdem die etwa 400 Teilnehmer der Bundesmitgliederversammlung im unterfränkischen Geiselwind am 15. Juni mit großer Mehrheit für eine Kandidatur stimmten, zeigte sich ihr Bundesvorsitzender Hubert Aiwanger heute vor einer Woche mit einer illustren Schar teils prominenter Unterstützer auf einer Pressekonferenz in Berlin, um den Aufbau einer Wahlalternative anzukündigen. Sie will sich gegen Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Wehr setzen. Mit auf dem Podium saßen Beatrix von Storch für den Verein Zivile Koalition, der von der CDU zu den Freien Wählern übergelaufene Adenauer-Enkel Stephan Werhahn, der Volkswirtschaftsprofessor Ulrich van Suntum für das Bündnis Bürgerwille, Rolf Baron von Hohenhau für den Bund der Steuerzahler und der bei solchen Gelegenheiten unvermeidliche Hans-Olaf Henkel. Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) gab sich in seinem Eröffnungsstatement betont demokratisch: Der Bundestag dürfe sein Haushaltsrecht nicht in einem Handstreich qua Ermächtigungsgesetz unwiderruflich an die europäische Ebene abgeben. Doch mit der Forderung nach einer »währungspolitischen Neuordnung Europas nach Wirtschaftskraft« spielte er auch auf der Klaviatur des nationalistischen Ressentiments gegenüber den »Südländern«.

Kurioserweise wandte er sich fast im gleichen Atemzug gegen den Vorwurf des Rechtspopulismus.Vielmehr seien die FW nach der gescheiterten Mitgliederbefragung innerhalb der FDP »eine liberale politische Kraft, die sich für eine andere Europapolitik engagiert«.
Antiparteienpartei
Der für seine verläßlich gewerkschaftsfeindliche und kapitalfreundliche Haltung bekannte Henkel berät die FW, seitdem diese ernsthaft überlegen, um Sitze im Bundestag zu kämpfen. Bei der bayerischen Landtagswahl im September 2008 hatten sie spektakuläre 10,2 Prozent der Stimmen erhalten und den Thron der CSU zum Wackeln gebracht. Mit 21 Parlamentariern sind sie derzeit drittstärkste Kraft im Münchener Landtag. Die überregionalen Ambitionen der kommunal verankerten, bürgerlichen Antiparteienpartei erhielten jedoch einen empfindlichen Dämpfer, als das Ergebnis bei den Europawahlen 2009 mit 1,7 Prozent weit hinter den eigenen Erwartungen zurückblieb. Kurzerhand verzichteten sie auf die in den Landesverbänden ohnehin umstrittene Teilnahme an der Bundestagswahl im gleichen Jahr, vorläufig, wie es schon damals hieß.

Mit dem populistisch aufbereiteten Euro-Thema hofft man nun genügend Zustimmung gewinnen zu können, um einen erneuten Anlauf aussichtsreich erscheinen zu lassen. Aiwangers Analyse scheint nicht unrealistisch zu sein: Da es für eine Parteineugründung zu spät sei und sich die Euro-kritischen Vorstöße von Frank Schäffler (FDP) und Peter Gauweiler (CSU) als wenig glaubwürdig erwiesen hätten, bestehe nun die Chance, das Thema allein zu besetzen. Trotzdem könnte es eng werden. Denn ebenfalls im Protestwählerbecken fischen die Piraten, die auch bei langsam nachlassender Popularität noch genug Rückenwind haben, um ihrem rechtsliberalen Pendant den republikweiten Erfolg zu vermasseln.
Bürgerbeteiligung
Die Wahlchancen der Freien Wähler hängen zu einem guten Teil davon ab, ob es ihrer Führung gelingt, einen genügend großen Teil der lokalpolitisch verankerten und heterogen zusammengesetzten Aktiven tatsächlich zu einem bundespolitischen Engagement zu bewegen. Die nötige Schwungmasse dafür scheint vorhanden. Schon 2009 hatten sich nach eigenen Angaben rund 280000 Bürger bei ihnen organisiert. Sie stellen Tausende Bürgermeister und sind in einigen Flächenländern vermutlich in der Lage, einen herkömmlichen Straßenwahlkampf ordentlich zu bestreiten. Kontakte zu potenten Finanziers sind augenscheinlich vorhanden. Eine zentrale Rolle für die Internetmobilisierung spielt das von Henkel als »enorm agil« vorgestellte Netzwerk des Vereins Zivile Koalition, der ein Anti-ESM-Video verantwortet und hinter dem Internetportal Abgeordneten-Check.de, dem Institut für Strategische Studien Berlin (ISSB) sowie der Blogzeitung FreieWelt.net steht. Über das Thema Bürgerbeteiligung könnte es den FW zudem gelingen, Teile jenes linksalternativen Spektrums anzusprechen, das sich beispielsweise im globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC organisiert. Im Mai war es anläßlich einer gemeinsamen Anti-ESM-Großdemonstration in München bereits zu einer Zusammenarbeit mit dem auch hier verankerten Mehr Demokratie e.V. gekommen, der in Karlsruhe eine Volksabstimmung über die EU-Verträge einklagen will.

Quelle: www.jungewelt.de vom 25.06.12

Dieser Beitrag wurde am Montag, 25. Juni 2012 um 00:01 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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