Wolfgang Huste Polit- Blog

Repressalien gegen Betriebsräte: nicht nur Einzelfälle

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Immer wieder versuchen Unternehmer, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern – oder sie behindern die Arbeit bestehender Gremien. Solche Aktivitäten gegen die betriebliche Mitbestimmung sind auch im Verarbeitenden Gewerbe mehr als nur Einzelfälle, zeigen erste Ergebnisse aus einem laufenden Projekt des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Discounter im Einzelhandel haben wiederholt mit Aktionen gegen Arbeitnehmervertretungen von sich reden gemacht. Doch auch außerhalb des privaten Dienstleistungssektors beobachten Experten bei nicht wenigen Unternehmen eine mitbestimmungsfeindliche Einstellung. Dies zeigen erste Befunde aus einer Befragung in 130 örtlichen Bezirken der IG Metall, der IG BCE und der NGG. Sie ist nicht repräsentativ, doch haben die befragten hauptamtlichen Gewerkschafter einen guten Überblick über die Arbeitsbeziehungen vor Ort.

Die WSI-Forscher PD Dr. Martin Behrens und Dr. Heiner Dribbusch geben damit einen Einblick in ein Forschungsfeld, für das bislang kaum belastbare Empirie vorliegt.*

„Es handelt sich nicht nur um Einzelfälle, doch bislang ist das Problem überschaubar“, fassen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse zusammen. Mehr als der Hälfte der Befragten sind Fälle bekannt, in denen Unternehmer versucht haben, die Gründung einer Arbeitnehmervertretung zu verhindern. Besonders häufig seien Versuche, Kandidaten für die Betriebsratswahl einzuschüchtern: Laut Befragung wurde in sieben von zehn Fällen, in denen die Unternehmensleitung eine Betriebsratswahl verhindern wollte, Druck auf Kandidaten ausgeübt. In etwa jedem vierten Fall wurde Wahlbewerbern – beziehungsweise den Mitgliedern des Wahlvorstands – gekündigt. In knapp 12 Prozent der Fälle versuchte das Management nach Angaben der Befragten, Kandidaten „herauszukaufen“ – ihnen wurden Vorteile angeboten, wenn sie von ihrer Kandidatur zurückträten.

Behinderungen und Repressalien gegen bereits existierende Betriebsräte kommen nach der Befragung seltener vor als Versuche, eine Neuwahl zu unterbinden.
Gleichwohl sind auch sie nicht nur Ausnahmen: Gut ein Drittel der Gewerkschafter kennt Betriebe, in denen bereits existierende Betriebsräte vom Management behindert würden. Mitglieder des Betriebsrats werden gekündigt oder zum Rücktritt gedrängt. Eher selten ist die Aufspaltung des Unternehmens oder die Verlagerung respektive Schließung des betreffenden Betriebs zur Verhinderung von Mitbestimmung.

Behrens und Dribbusch fanden eine mitbestimmungsfeindliche Orientierung des Managements hauptsächlich in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten. Zudem sei sie in inhabergeführten Unternehmen weiter verbreitet. Lassen sich Unternehmer von Anwaltskanzleien unterstützen, werde mit härteren Bandagen gefochten.

Sind Betriebsräte erst einmal etabliert, entspannt sich häufig die Haltung des Managements. Jedoch: „Immer dann, wenn Beschäftigte und ihre Gewerkschaften am Status quo der Betriebsratslosigkeit rütteln, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Problemen kommt“, so die Forscher.

*Martin Behrens, Heiner Dribbusch: Be- und Verhinderung von Betriebsratsarbeit: Erste Ergebnisse einer empirischen Studie
Infografik zum Download im neuen Böckler Impuls 11/2012: http://boeckler.de/hbs_showpicture.htm?id=40382&chunk=1

In eigener Sache: Solidarität des DGB Koblenz mit Antifaschisten und Radikaldemokraten Wolfgang Huste

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Heute erhielt ich folgende Solidaritätserklärung des DGB Koblenz. Das Schreiben ging an alle (!) DGB- Gliederungen in RLP. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Es ist gut, Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein. Solidarität ist unsere gemeinsame Stärke!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unser Gewerkschaftskollege Wolfgang Huste aus Ahrweiler hat am 28. Juni am Amtsgericht Ahrweiler einen Prozess (9.00 Uhr, Sitzungssaal 4). Wolfgang bittet um Solidarität und würde sich freuen, wenn der Prozess gut besucht wird. Ihm wird vorgeworfen, auf seiner Homepage einen Link zu einem der Bündnisse gesetzt zu haben, das zu Blockaden gegen den Naziaufmarsch in Dortmund am 3. September 2011 aufgerufen hat. Wolfgang hatte deswegen einen Strafbefehl erhalten, gegen diesen hat er Widerspruch eingelegt, darüber wird am 28. Juni vor dem Amtsgericht verhandelt.
Zum Hintergrund:

In Dortmund gibt es seit Jahren eine starke Neonazi-Szene. Mindestens fünf Menschen wurden seit 2000 von Neonazis in Dortmund und Umgebung umgebracht. Die 1.-Mai-Demonstration des DGB wurde 2009 von 300 Neonazis angegriffen, nach drei Jahren sind jetzt in Dortmund Prozesse gegen einige der beteiligten Neonazis.
Ausgerechnet unter dem Motto „Antikriegstag“ versuchen Neonazis seit einigen Jahren, immer Anfang September, durch Dortmund zu marschieren.

Nachdem es anfänglich nur wenig Protest dagegen gab, gibt es mittlerweile mehrere Bündnisse, die sich den Neonazis entgegenstellen. Auch Gewerkschaften aus Dortmund und Nordrhein-Westfalen beteiligten sich an einem breiten Bündnis gegen die Neonazis und ihrem Aufmarschversuch: DGB Dortmund, DGB-Jugend Dortmund, DGB-Jugend Köln, DGB-Jugend NRW, junge NGG NRW, ver.di-Bezirk Dortmund, ver.di-Jugend Dortmund und der ver.di-Jugend NRW hatten ebenso wie der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau einen Aufruf unterstützt, sich den Neonazis „gemeinsam in den Weg zu stellen“ und „den Nazi-Horden den Weg zu blockieren“. 2011 gab es einen Erfolg: über sechs Stunden lang wurde eine erfolgreiche, friedliche Blockade durchgeführt und so eine Änderung der Nazi-Route erzwungen, der Nazi-Aufmarsch musste auf eine kleine Nebenstraße verlegt werden!
Für uns als Gewerkschaften bedeutet Demokratie nicht, nur alle 4 Jahre ein Kreuz zu machen. Mitbestimmung beginnt im Alltag: einmischen, zusammenschließen und zusammen die Lebenssituationen verbessern!

Mit freundlichen Grüßen,

Gabi Weber
Regionsvorsitzende DGB Koblenz

Der Keim aus dem Stall. Bayer an der Wursttheke: Antibiotika in der Massentierhaltung. Von Jan Pehrke

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Bis zu zwölf Schweine drängen sich in der Massentierhaltung auf sechs Quadratmetern. Tageslicht fällt so gut wie nie in die Ställe. Auch Stroh oder Einstreu gibt es nicht. Die Tiere hausen auf blankem Beton. In den sind Spalten eingelassen, damit Urin und Kot direkt in die Güllegrube eine Etage tiefer gelangen können. Vier Monate bleiben den Schweinen bis zur Schlachtreife – vor hundert Jahren waren es noch zwölf. In dieser kurzen Zeit müssen sie viel mehr Gewicht zulegen als ihre Vorfahren. Gesund ist das nicht. Als Abbauprodukt aus den Fäkalien entsteht giftiges Ammoniak, das in der ständigen Feuchtigkeit zu Atemwegserkrankungen führt. Die Tiere regen sich in Enge und Dunkelheit kaum, weshalb ihre inneren Organe – durch die Turbomast ohnehin stark belastet – Entwicklungsdefizite aufweisen. Mehr Auslauf wäre kontraproduktiv, erklärt der ehemalige Veterinäramtsleiter Hermann Focke: »Diese Drangsal ist bewußt hergestellt. Bei genügender Bewegung würden die Schweine ja nicht so schnell zunehmen.«

Hühner, Puten, Mastenten und Legehennen leben unter ähnlichen Umständen und leiden ähnlich oft unter Krankheiten. Gegen die Infektionen kommen bevorzugt Antibiotika zum Einsatz. Mehr als die Hälfte der gesamten Antibiotikaproduktion in Deutschland landet in den Tierställen – rund 1000 Tonnen pro Jahr. Tierärzte sprechen von einer Dunkelziffer von weiteren tausend Tonnen.

Wegen der Ansteckungsgefahr gelangt in der Regel gleich der ganze Bestand in den Genuß der Mittel. Das Leverkusener Unternehmen Bayer rät zum Beispiel in einer Produktinformation: »Unter den gegenwärtigen landwirtschaftlichen Bedingungen ist die Anzahl der Tiere pro Stall sehr hoch. Deshalb ist die Behandlung der gesamten Herde und nicht die individuelle Medikation das Mittel der Wahl, um den Infektionsdruck zu mildern und die Ansteckungsgefahr zu senken«.

Wie alltäglich der Einsatz der Mikrobenkiller ist, zeigt eine Untersuchung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. 200 Betriebe mit insgesamt mehr als 23 Millionen Tieren wurden überprüft. 76 Prozent der 18 Millionen untersuchten Hühner erhielten Antibiotika, durchschnittlich knapp siebenmal in ihrem kurzen Leben. Puten erhielten zu 90 Prozent Antibiotika. Die Quote bei Mastschweinen betrug 68 Prozent, bei Kälbern rund 90 Prozent.

Bayer gehört als weltweit viertgrößter Anbieter von Veterinärmedikamenten zu den großen Nutznießern der Massentierhaltung. Welche Mengen Tierantibiotika verkauft werden, will das Unternehmen eigentlich »aus Wettbewerbsgründen nicht kommunizieren«. Erst auf mehrmalige Nachfrage Kritischer Aktionäre nannte der Vorstandsvorsitzende in der jüngsten Hauptversammlung die Verkaufszahlen: Allein 2011 machte der Konzern mit dem Tierantibiotikum Baytril einen Umsatz von 166 Millionen Euro.
Resistenzraten
Der regelmäßige Einsatz verursacht massive Probleme. Die Krankheitserreger bilden trotz ständig erhöhter Dosen Resistenzen aus. Über die Fleischzubereitung können die Keime in den menschlichen Organismus gelangen und dort unbehandelbare Gesundheitsstörungen auslösen. Nach Angaben des Max-Planck-Institutes sterben jedes Jahr zirka 15000 Bundesbürger an nichtbehandelbaren Infektionen. In den USA sorgte 2005 allein ein multiresistenter »Staphylococcus aureus«-Keim für 18650 Todesfälle. Eine Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) kam im Herbst zu dem Ergebnis, daß der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast die Gefahr erhöht, daß diese bei Menschen nicht mehr wirken. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert daher seit Jahren ein Verbot des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Tierzucht. Insbesondere die Gruppe der Fluorchinolone erklärte die WHO zu »Critically Important Antimicrobials«, also zu unverzichtbaren Bakteriziden.

Die Firma Bayer trägt eine besondere Verantwortung, da das Unternehmen gleichzeitig Antibiotika für die Veterinär- als auch für die Humanmedizin anbietet, noch dazu aus derselben Substanzklasse: Sowohl die Humanantibiotika Ciprobay (Wirkstoff: Ciprofloxacin) und Avalox (Wirkstoff: Moxifloxacin), als auch das genannte Baytril gehören zu den Fluorchinolonen. Da verwundern die hohen Resistenzraten kaum. So stieg die Zahl der Ciprobay-resistenten »Staphylococcus aureus«-Erreger nach Angaben des »German Network for Antimicrobial Resistance Surveillance« von sechs Prozent im Jahr 1990 auf über 26 Prozent im Jahr 2006. Die Zahl der Ciprobay-resistenten »Staphylococcus epidermides«-Keime nahm von 55 Prozent (1995) auf 70 Prozent (2004) zu, die der »Escherichia coli«-Erreger von fünf auf 22 Prozent.

Der »Germap 2008« zieht ein alarmierendes Fazit: »Im Hospitalbereich ist in den letzten zehn bis 15 Jahren eine z.T. deutliche Zunahme der Resistenzhäufigkeit gegenüber Antibiotika festzustellen. Der Resistenzanstieg betrifft besonders die Fluorchinolone und Aminopenicilline.«

Der Leverkusener Multi wiegelt ab: »Das Antibiotikum Baytril wird ausschließlich injiziert und nicht dem Futter beigemischt. Deshalb ist es für die Massentierhaltung nicht geeignet«, erklärte ein Sprecher. Über Lösungen zum Eingeben mittels einer Dosierpumpe und Gaben über das Trinkwasser breitet er den Mantel des Schweigens. Auch die abnehmende Wirksamkeit von Ciprobay und Avalox ignoriert der Pharmariese.
Meinungsbildner
Im vergangenen September organisierte Bayer ein Podiumsgespräch zum Thema »Gesunde Tiere – gesunde Lebensmittel« mit »80 Meinungsbildnern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Medien«. In dessen Verlauf sprach der Bundestierarzt-Präsident Hans-Joachim Götz von einer unauffälligen Resistenz-Situation in der Veterinärmedizin, es bestehe »kein Grund für Hysterie«. Solche Meinungen kommen nicht von ungefähr. Bayer läßt sich die Pflege der tiermedizinischen Landschaft einiges kosten. Der Konzern spendiert schon Studierenden Sezierbesteck, finanziert Kongresse und »Bildungsreisen«, stiftet Lehrstühle und sponsert Universitäten. Die tierärztliche Hochschule Hannover unterhält sogar einen Bayer-Hörsaal.

Auf seiten der Politik passiert wenig. Einige Präparate wurden aus dem Verkehr gezogen, einige Anwendungsbeschränkungen erlassen. Den Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer hat die EU verboten. Doch die Verkaufsmengen nahmen trotzdem weiter zu. Für den NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Die Grünen) läßt dies nur einen Schluß zu: »Entweder handelt es sich um Wachstumsdoping, was seit 2006 EU-weit verboten ist, oder aber das System der Tiermast ist so anfällig für Krankheiten, daß es ohne Antibiotika nicht mehr auskommt.«

Wachsender politischer Druck hat die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner kürzlich zu einer Absichtserklärung veranlaßt. Die CSU-Politikerin will die Antibiotikaströme besser dokumentieren, Betrieben mit besonders hohem Verbrauch ein Minimierungskonzept verordnen und den Bau großer Mastanlagen erschweren. Auch das tierärztliche Dispensier-Recht, wonach Veterinäre direkt an den Medikamenten verdienen, für die sie Rezepte ausstellen, steht auf dem Prüfstand. Ob es fällt, ist zu bezweifeln. Die Tierärzte haben einen mächtigen Fürsprecher in Berlin: ihr Kollege Hans-Michael Goldmann von der FDP leitet den Agrarausschuß und hat seine Ablehnung schon bekundet.

Kritische Tierärzte fordern eine lückenlose Dokumentation aller Antibiotika-Anwendungen, flächendeckende Kontrollen, feste Einkaufspreise ohne Rabatte sowie ein Verbot der routinemäßigen Behandlung ganzer Tierbestände. Da unter den derzeitigen Haltungsbedingungen eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes kaum möglich ist, fordert der ehemalige Vizepräsident der bayrischen Landestierärztekammer, Rubert Ebner, massive Veränderungen der Haltungsbedingungen, vor allem eine Reduzierung der Besatzdichte sowie insgesamt geringere Tierzahlen. Hierzu will sich die Mehrheit der Politiker nicht durchringen. An den Verkaufszahlen für Baytril und Co. dürfte sich vorerst nicht viel ändern.

Der Autor ist Mitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren, www.CBGnetwork.org

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

Ver.di zeigt Flagge. Gegen erzwungene »Flexibilisierung« und miese Bezahlung: Warnstreiks bei Flughafenpersonal soll. Gewerkschaftsforderung untermauern. Von Mirko Knoche

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Welt online gab sich empört: »10000 müssen warten, weil 100 streiken«, titelte sie über einen Warnstreik von Flughafenbeschäftigten am Dienstag in Hamburg. Die Aktionen haben Wirkung gezeigt. Außer in der Elbmetropole waren die Angestellten auch an den Airports von Bremen, Hannover, Düsseldorf und Frankfurt am Main in den Ausstand getreten. Die Personenkontrolleure verlangen einen neuen Manteltarifvertrag, darin sollen ein Verbot weiterer Flexibilisierungen und eine Höchstarbeitszeit von 208 Stunden pro Monat festgeschrieben werden. »Der Ausdehnung befristeter Arbeitsverhältnisse und erzwungener Teilzeitarbeit muß endlich ein Riegel vorgeschoben werden«, sagte ver.di-Verhandlungsführer Andreas Sander.

Der Gewerkschafter bemängelt, daß Personalanfragen von der Bundespolizei viel zu kurzfristig gestellt würden: »Die Folgen für die Beschäftigten sind katastrophal: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird dadurch unmöglich gemacht.« Zudem könnten die Beschäftigten »von ihren Vergütungen kaum leben«, so Sander. Direkter Gegner im Arbeitskampf sind die privaten Sicherheitsunternehmen. Ver.di war vor Jahren mit einer Verwaltungsklage gescheitert, die das Ziel hatte die Angestellten der Personenkontrolle in den öffentlichen Dienst der Bundespolizei zu integrieren.

Die Arbeitsniederlegungen richteten sich am Dienstag bundesweit gezielt gegen »Hardliner der Branche«, wie Gerhard König von ver.di Hessen im Gespräch mit jW sagte. So haben man in Frankfurt nur den Dienstleister Brinks Sicherheit am Terminal 2 bestreikt, während der Betrieb bei FIS und FraSec ungestört verlaufen sei. Von rund 60 für den frühen Morgen bei Brinks eingeteilten Angestellten beteiligte sich lauf König etwa die Hälfte am Ausstand. Die mehrstündige Aktion entspreche noch der »untersten Stufe der Eskalationsleiter«. Ziel sei nicht die maximale Beeinträchtigung des Flugverkehrs gewesen, sondern die Demonstration des eigenen Durchsetzungswillens. Bei den Sicherheitsfirmen sind auch Kontrolleure beschäftigt, die direkt an den Flugzeugen Wache stehen.

Der nächste Termin mit dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) steht am 27. Juli an. Bis dahin wird mit keinen weiteren Warnstreiks gerechnet. Mit dem derzeit noch gültigen Manteltarif wälzten die Unternehmer »das Beschäftigungsrisiko auf die Angestellten« ab, beklagte ver.di-Mann König. So würden Teilzeitverträge über 130 bis 170 Stunden pro Monat abgeschlossen, die bei geringem Personalbedarf die Kosten niedrig hielten. Die Praxis will die Gewerkschaft künftig einschränken, denn im Regelbetrieb übersteige die geleistete Arbeit meist die 208-Stunden-Marke, so der Gewerkschafter gegenüber jW. Unliebsame Mitarbeiter würden dagegen nur vertragsgemäß beschäftigt und müßten von sich aus kündigen, weil das Einkommen dann nicht ausreiche. Diese Mißstände seien typisch für die gesamte Sicherheitsbranche.

Der Dachverband BDSW reagierte mit Unverständnis auf die Aktionen vom Dienstag, an denen sich rund 200 Angestellte beteiligt hätten. Hauptgeschäftsführer Harald Olschok kritisierte: »Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum ver.di bereits nach der zweiten Verhandlungsrunde zum Abschluß eines bundesweiten Mantelrahmentarifvertrags für die 15000 Beschäftigten an den Flughäfen zu solch drastischen Maßnahmen greift.« Dies habe den Flugbetrieb nicht unerheblich beeinträchtigt. Dafür hätten Bundespolizei, Airlines, Flughäfen und vor allem die Fluggäste keinerlei Verständnis.

Man beschreite mit der Dienstleistungsgewerkschaft einen »historischen Weg«, indem man erstmals über einen Manteltarif verhandle und dabei Sicherheitsunternehmen einbinde, die nicht verbandsgebunden seien, so Olschok in einer Stellungnahme. Er warnte vor weiteren Beeinträchtigungen der »unschuldigen Passagiere« während der beginnenden Urlaubszeit: »Wir sind nach fast zweijährigen Verhandlungen im Interesse unserer Beschäftigten zu einem schnellen Abschluß bereit.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

Extremismusbekämpfer des Tages: Sächsische Regierung unbenannt

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

In Sachsen ist vieles möglich: Neonazis aus dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) fanden dort Unterschlupf, im Landtag sitzt die NPD – und ein Journalist, der in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit schreibt, darf eine sogenannte Extremismuskonferenz moderieren. Die Veranstaltung am Mittwoch abend in Riesa wurde von der schwarz-gelben Landesregierung ausgerichtet, um ihre »Strategie gegen den Extremismus vorzustellen und zu diskutieren«.

Durch die Veranstaltung sollte der sich selbst »liberal-konservativ« nennende Journalist und Buchautor Jürgen Liminski führen. Regelmäßig publiziert er in der von führenden Rechten herausgegebenen Jungen Freiheit. Vehement plädiert er für das Betreuungsgeld sowie die »traditionelle Familie, in der die Frau ihre Mutterrolle wahrnimmt«.

Damit wolle sich die Regierung nur selbst darstellen; »die gescheiterte Extremismustheorie einiger konservativer Ideologen feiert fröhliche Urständ«, kritisierte Linksfraktionsvorsitzender André Hahn vorab. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig ergänzte gegenüber dem MDR: »Ich habe keine Lust auf eine Konferenz, wo sich vier Minister hinsetzen und das Thema ein bißchen beleuchten und in deren Vorbereitung nicht einmal ­Initiativen gegen rechts einbezogen wurden.« Die Moderation durch den Autor der Jungen Freiheit findet er unerträglich. »Man muß schon wissen, für welches Blatt man schreibt – und das weiß er auch.« Liminski, der auch für den Deutschlandfunk arbeitet, selbst sieht kein Problem: Die Junge Freiheit sei lediglich »nationalkonservativ«, sagte er dem MDR.

»Es ist bezeichnend, daß die Staatsregierung selbst in Zeiten, in denen das ganze Land über Rechtsterrorismus redet, die Probleme nicht klar benennt«, erklärte der Grünen-Abgeordnete Miro Jennerjahn am Mittwoch: Sachsen habe kein »Extremismusproblem«, sondern ein Problem mit Neonazis. (sbo)

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

»Strafvollzug in der DDR zielte auf vollwertige Wiedereingliederung« Vorwürfe über »Zwangsarbeit« von Gefangenen dienen einzig der weiteren Delegitimierung des »Unrechtsstaates«. Ein Gespräch mit Hans Bauer. Interview: Rainer Rupp

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Hans Bauer war bis 1990 stellvertretender Generalstaatsanwalt der DDR. Heute arbeitet er als Rechtsanwalt in Berlin. Er ist ehrenamtlicher Vorsitzender der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung (GRH) mit Sitz in Berlin, die gegen politische Strafverfolgung und Kriminalisierung von DDR-Bürgern kämpft und sich für Rehabilitierung, Gerechtigkeit und Historische Wahrheit einsetzt

Der Begriff »Zwangsarbeit« wird normalerweise mit dem Hitlerfaschismus und den Verbrechen der Nazis assoziiert. Unter Ausnutzung dieser Gedankenverbindung haben die bürgerlichen Medien in den vergangenen Wochen ihre Leser und Zuschauer urplötzlich mit reißerischen Berichten über »Zwangsarbeit in DDR-Gefängnissen« überschwemmt. Was steckt hinter dieser Offensive?

Angesichts der umfassenden, bisheriger Lügen und Halbwahrheiten über die DDR wird es in der Tat immer schwieriger, Neues über den angeblichen »Unrechtsstaat« zu erfinden. Da ist den Auftragsforschern der Herrschenden jedes Mittel recht, um von den sozialen Ungerechtigkeiten und Verbrechen ihres maroden Systems abzulenken. Zugleich sind die »Experten« bemüht, mit immer neuen Entdeckungen von »DDR-Unrecht« sich noch viele Jahre hochdotierte Posten zu sichern. Gleichzeitig wird mit der »Zwangsarbeit«-Offensive eine neue Gruppe von Menschen geschaffen, die sich mit Aussicht auf Entschädigung nur zu gern als »Opfer« zur Verfügung stellen und erzählen, was von ihnen erwartet wird.

Was konkret wird der DDR vorgeworfen?

Daß nach den Gesetzen der DDR rechtskräftig zu Freiheitsentzug verurteilte Straftäter, darunter auch politische, im Gefängnis einer Arbeit nachgehen mußten. Die Ausgestaltung der Tätigkeit im Arbeitsprozeß während des Strafvollzugs war eindeutig geregelt. Grundsätze des Arbeitsrechts fanden entsprechende Anwendung, so der Gesundheits- und Arbeitsschutz, die Arbeitszeit, die Entlohnung, der Einsatz unter Beachtung des Gesundheitszustandes und der fachlichen Fähigkeiten des Gefangenen sowie die berufliche Qualifizierung. Gesetzlich geregelt waren Kranken- und Rentenversicherung sowie Unterhaltsverpflichtungen. Bei Jugendlichen wurde großer Wert auf eine Berufsausbildung gelegt. Der Arbeitseinsatz erfolgte in volkseigenen und in gleichgestellten Betrieben.

In den Gefängnissen der Bundesrepublik gilt die Arbeitspflicht ebenso wie früher in der DDR. Wo liegt der Unterschied?
Ganz klar, in der DDR »mußten« die Gefangenen für die sozialistische Wirtschaft ihres Landes arbeiteten. Laut Definition der »Experten« heute ist das Zwangsarbeit gewesen, denn die Gefangenen waren gezwungen, für einen »Unrechtsstaat« und nicht wie in der BRD für einen freiheitlich demokratischen Rechtsstaat zu arbeiten.

Aus der wissenschaftlichen Literatur geht hervor, daß die DDR fast ein ganzes Jahrzehnt vor der BRD den modernen, humanitären Strafvollzug eingeführt hat. Und selbst im Internetlexikon Wikipedia kann man lesen: »In der DDR trat das Strafvollzugs- und Wiedereingliederungsgesetz (SVWG) am 12. Januar 1968 in Kraft, welches explizit den Erziehungsgedanken im Vollzug enthält. Ab 1977 wurde mit dem in Kraft getretenen Strafvollzugsgesetz (StVollzG) in der BRD Resozialisierung als vorrangiges Ziel der sozialen Integration vor den sonstigen Aufgaben des Vollzugs betont.«
Nun ja, die Fakten sind klar! Aber zur Umsetzung des politischen Auftrags der Delegitimierung und Verteufelung des Sozialismus in der DDR werden sie konsequent ignoriert. Natürlich war in den Hungerjahren nach dem Ende des von den Nazis entfachten Kriegs auch der Strafvollzug in der DDR kein Zuckerschlecken. Es fehlte an allem, insbesondere auch an ausgebildetem Personal, das die schon von Karl Liebknecht entwickelte und schon früh von der DDR-Führung aufgegriffene Idee des erzieherischen Strafvollzugs – mit dem Ziel der vollwertigen Wiedereingliederung in die Gesellschaft – hätte umsetzen können. Aber das Bemühen darum war von Anfang an vorhanden und konnte bereits 1968 in Gesetzesform gegossen und schrittweise umgesetzt werden.

Dagegen herrschten nach 1945 – wie überall im Justizapparat der BRD – auch im Strafvollzug weiterhin Nazimethoden und Nazigesinnung, oft mit dem gleichen Personal, bis in die 1970er Jahre. Fortschrittlichen Strafvollzugsreformern wie Albert Krebs ist es zu verdanken, daß nach einem langen Kampf – ich zitiere aus dem im Westen erschienenen Buch »Strafvollzug in der Praxis« von Hans Dieter Schwind und Günter Blau – »die fast überall noch vorhandenen Reste des nationalsozialistischen Vergeltungsvollzugs 1977« überwunden wurden.

Nach sieben Jahren Haft, die ich von 1993 bis 2000 in verschiedenen Vollzugsanstalten der BRD abgesessen habe [Rainer Rupp hatte in den 70er und 80er Jahren Informationen aus dem Inneren der NATO an den Auslandsgeheimdienst der DDR geliefert und war dafür 1993 zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden – jW], kann ich nur sagen, daß zwischen den hohen, humanitären Ansprüchen auf dem Papier des BRD-Strafvollzugsgesetzes und der dumpfen Realität des Alltags in den zu 50 bis 70 Prozent überfüllten Anstalten eine tiefe Kluft klafft. – Aber wie stehen Sie zu dem Vorwurf der »Zwangsarbeit«-Propagandisten, daß es der DDR dabei nur um den Profit ging.
Das DDR-Strafvollzugsgesetz (StVG) von 1977 legte fest: »Im Mittelpunkt des Vollzugs der Strafen mit Freiheitsentzug steht die Erziehung durch gesellschaftlich nützliche Arbeit.« Das war keine Erfindung der DDR, sondern entsprach und entspricht auch heute noch modernen Erkenntnissen der Kriminologie und der Strafrechtswissenschaft. Das StVG und das Wiedereingliederungsgesetz der DDR von 1977 ließen sich dabei von der Erkenntnis leiten, daß »gesellschaftlich nützliche Arbeit« – nicht irgendeine Beschäftigung (!), die im Paragraph 41 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) der BRD sogar als Arbeitspflicht bezeichnet wird – Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein der Menschen stärken und damit die beste Voraussetzung für eine Resozialisierung darstellt.

Als unfreiwilliger »BRD-Knastexperte« weiß ich, wie froh Gefangene sind, wenn sie eine Arbeit ergattern können. Arbeit bedeutet raus aus der Zelle, Kontakt mit anderen Menschen, die Möglichkeit, sich durch kleine Erfolge zu beweisen. Aber wie in der kapitalistischen Gesellschaft draußen hat der Mensch hinter Gittern auch kein Recht auf Arbeit. In der Regel müssen über 50 Prozent der Gefangenen ihre Zeit in überfüllten Zellen absitzen. So werden die Haftanstalten zu Kaderschmieden des Verbrechens. Es werden neue Pläne entworfen, deren Umsetzung durch die fast garantierte Arbeitslosigkeit nach der Entlassung besonders begünstigt wird. Wie war es in der DDR mit der Wiedereingliederung der Gefangenen?
Hierfür gab es ganze Programme. Zentraler Punkt war das Recht auf Arbeit, das jedem DDR-Bürger, auch den Gefangenen, in der Verfassung als grundlegendes soziales Recht garantiert war. Die Arbeitseinsatzbetriebe trugen besondere Verantwortung für die Gestaltung des Arbeitseinsatzes des Gefangenen. Sie hatten Mitarbeiter zu bestimmen, die neben den sonstigen Voraussetzungen pädagogische Fähigkeiten besaßen, um mit Gefangenen zu arbeiten, sie anzuleiten und zu kontrollieren. Diese Mitarbeiter waren keine Angehörigen des Strafvollzugs. Die Arbeit der Gefangenen wurde überwiegend außerhalb der Strafvollzugseinrichtungen ausgeübt, oft gemeinsam mit den Mitarbeitern der Betriebe und ohne besondere Bewachung. Nicht selten wurden die Gefangenen nach ihrer Entlassung von den Betrieben direkt übernommen.

Wurden diese Erfolge des DDR-Strafvollzugs auch international wahrgenommen?
Als Teilnehmer internationaler Kongresse, darunter von den Vereinten Nationen, konnte ich persönlich die Wertschätzung vieler Fachleute, auch aus westlichen Ländern, für unsere Tätigkeit auf diesem Gebiet erfahren. Der Strafvollzug in der DDR entsprach weltweit hohem Niveau. Die Erkenntnisse der DDR bei der Vorbeugung von Kriminalität, einschließlich der Erziehung von Straftätern und der Gestaltung eines sinnvollen Strafvollzugs, waren gefragt. Kein Gremium der UNO hat jemals Kritik am Strafvollzug der DDR geübt, schon gar nicht von »Zwangsarbeit« geredet. Im Gegenteil, in Berichten, Ausschüssen und in Fachgesprächen fanden unsere Überlegungen zur Gestaltung eines Strafvollzugs, in dem gesellschaftlich nützliche Arbeit im Zentrum stand, große Zustimmung. Einige Staaten hatten entsprechend ihren Möglichkeiten das Beispiel DDR sogar aufgegriffen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

Herdprämie macht doof. Von Ralf Wurzbacher

Donnerstag, 21. Juni 2012 von Huste

Kinderbetreuung zu Hause findet nicht selten vor der Glotze stat
Kinderbetreuung zu Hause findet nicht selten vor der Glotze statt
Foto: dpa
Als wäre das Gezänk innerhalb der Koalition um das Betreuungsgeld nicht schon groß genug, wird das Projekt nun auch noch von der Wissenschaft zerpflückt. Die Schelte durch Experten ist an sich nichts Neues, zuletzt erst hatte die OECD gegen das Vorhaben gewettert. Nur diesmal kommt die Abfuhr im Regierungsauftrag. Der vierte nationale Bildungsbericht warnt ausdrücklich vor der Umsetzung der Pläne, weil damit die Ziele beim Krippenausbau in punkto Finanzen und Qualität konterkariert würden. Die vom Bund und der Kultusministerkonferenz (KMK) bei namhaften Fachleuten bestellte Studie wird im Zweijahresrhythmus veröffentlicht und am Freitag offiziell vorgelegt.

Die zentrale Botschaft ging schon am Mittwoch durch die Presse. In dem Report, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitierte, heißt es: Der Ausbau der Kindertagesstätten, die Einlösung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige sowie die dringend notwendigen qualitativen Verbesserungen in Kinderkrippen und Kindergärten stellten den Staat jetzt schon vor erhebliche finanzielle Herausforderungen. Im Falle zusätzlicher Leistungen – wie dem Betreuungsgeld – bestehe die Gefahr, daß keines der angestrebten Ziele zufriedenstellend erreicht werden kann. Nach den Regierungsplänen sollen ab dem kommenden Jahr zunächst 100 Euro monatlich für Einjährige und in den Folgejahren 150 Euro für Ein- und Zweijährige fällig werden, wenn die Eltern ihre Kleinen auf eigene Faust zu Hause betreuen.

Die Wissenschaftler verweisen auf eine Reihe von Untersuchungen, die den Nutzen frühkindlicher Erziehung in Betreuungseinrichtungen belegten. Kinder, die vor ihrer Einschulung mindestens drei Jahre lang eine Kita besuchten, verfügten demnach in der vierten Schulklasse beim Lesen und beim Textverständnis in der Regel über einen Lernvorsprung von einem Jahr. Erhebliche Lernvorsprünge fänden sich »auffällig« auch bei Kindern aus »problematischen Elternhäusern« oder aus Migrantenfamilien. Der quasi regierungsamtliche Verriß durch die nationalen Bildungsberichterstatter verschafft den Kritikern neuen Rückenwind. »Die Liste an fachlich fundierter Kritik am Betreuungsgeld wird immer länger«, stichelte gestern die Vizefraktionschefin der Grünen im Bundestag Ekin Deligöz. Zwei Drittel der Bevölkerung, die Mehrheit der Familien- und Sozialverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeber wendeten sich gegen die »Kita-Fernhalteprämie«.

Danach sieht es aber nicht aus. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), deren Partei die »Reform« auf Gedeih und Verderb durchsetzen will, deutete das Expertenurteil gestern kurzerhand nach ihrem Gutdünken um: »Der Bericht hebt zu Recht die zentrale Funktion von Eltern heraus«, meinte sie. Das Betreuungsgeld sei deshalb »eine Investition in Bildung und daher unentbehrlich im Bildungssetting«. Von der FDP stammt der Vorstoß, das Gesetz im Bundestag zu beschließen, die Verwendung der Gelder jedoch den Ländern zu überlassen. Noch unsinniger ist der Kompromißvorschlag vom Obmann der Unionsfraktion im Familienausschuß, Markus Grübel (CDU). Den Stuttgarter Nachrichten vom Mittwoch sagte er: »Ich halte es für sinnvoll, ein Wahlrecht zwischen der Barauszahlung des Betreuungsgeldes und einem Gutschein für den Abschluß einer Riester-Rente einzuführen.« Die Finanzwirtschaft wird es mit Freuden vernommen haben.

Quelle: www.jungewelt.de vom 21.06.12

Förderung für intelligente Strom-Autos. Dritter Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität / Umweltverbände kritisch. Von Steffen Schmidt

Mittwoch, 20. Juni 2012 von Huste

Heute wird der dritte Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) an die Bundesminister Philipp Rösler und Peter Ramsauer übergeben. Der in der Plattform vertretene Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und die Umweltverbände Klima-Bündnis, NABU und WWF sehen den Bericht ziemlich kritisch.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Elektrifizierung möglichst vieler Autos einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasbelastungen durch den Verkehr leisten. Deshalb rief sie im Jahre 2010 die Nationale Plattform Elektromobilität ins Leben. Wenn die heute ihren dritten Fortschrittsbericht vorlegt, so ist auch dieser mehr eine Art großer Wunschzettel für Fördermittel als Zeichen tatsächlicher Fortschritte. Nach Auskunft der in der NPE vertretenen Umweltverbände gab es von Seiten der Wirtschaft erheblichen Widerstand, konkrete Klima- und Umweltschutzziele im Bericht zu nennen.

Aus Sicht der Wirtschaft sind zwei Wünsche offenbar zentral: Zum einen sollen finanzielle Kaufanreize die Differenz zwischen den Kosten für den Betrieb eines Elektroautos und denen eines mit Verbrennungsmotor möglichst ausgleichen. Zum anderen soll der Staat den Ausbau der nötigen Infrastruktur fördern. So stellt der Bericht fest, dass die bisherige Förderung nur für 600 000 Elektroautos bis 2020 ausreicht statt der geplanten Million von Fahrzeugen. Für Viviane Raddatz von der Umweltstiftung WWF ist aber schon die Berechnung dieser Mehrkosten für Elektroautos und die Infrastruktur mangels Transparenz wenig glaubwürdig. So habe die NPE unter Federführung von Daimler einen Kostenunterschied von 4900 Euro pro Fahrzeug errechnet, während die Hersteller allein aus der Verrechnung vermiedener Strafzahlungen für überhöhten CO2-Ausstoß ihrer Autoflotte pro verkauftes Elektroauto 9500 Euro sparen. Die Verbände begrüßen deshalb, dass die NPE die Kostenschätzung neu aufrollen und das Berechnungsverfahren ausschreiben will.

Als konkrete Fortschritte für die Elektromobilität in Deutschland begrüßen die Verbände die Ausschreibung und Vergabe der sogenannten Schaufensterregionen. Hier käme es nun darauf an, in der Umsetzung möglichst tragfähige Konzepte und Geschäftsmodelle für Infrastruktur und Netzeinbindung zu prüfen und Elektromobilität in der Öffentlichkeit positiv erfahrbar zu machen.

Dag Schulze, Bereichsleiter Energie beim Klima-Bündnis e.V., bemängelte die Fokussierung des NPE auf den Pkw-Verkauf statt auf ein vernetztes Mobilitätskonzept vom Elektrofahrrad bis zur Bahn. Bei den Autos sollte nicht der Verkauf, sondern eine intelligente Ladetechnik für die Batterien der Fahrzeuge gefördert werden, sagte Schulze. Damit ließen sich das Verteilnetz entlasten und Angebotsschwankungen von Strom aus Wind und Sonne besser puffern.

»Mit dem effizienten Elektroantrieb und der einfachen, weil direkten, Nutzung von regenerativem Strom kann in Kombination mit einem intermodalen Verkehrsmix eine umweltgerechte Mobilität entwickelt werden«, sagte Thomic Ruschmeyer vom BEE. Das vom BEE entwickelte »Intelligente Förderkonzept für Erneuerbare Elektromobilität« (I.D.E.E.) orientiert sich am Erneuerbare-Energien-Gesetz und soll nebenher der deutschen Wirtschaft einen weiteren Exportmarkt eröffnen. Statt, wie von Energie- und Autokonzernen gewünscht, eine komplexe zentrale Steuerung und massiv verstärkte Stromleitungen im Verteilernetz zu errichten, will das I.D.E.E.-Konzept eine relative einfache Ladesteuerung im Auto einbauen, die anhand von Frequenzschwankungen die Netzbelastung vor Ort ermittelt und den Ladestrom je nach Angebot drosselt. Die Höhe der Förderung würde dann von der Zeit abhängen, die das Auto im geregelten Ladebetrieb am Netz hängt. Die Fördegelder sollten aus den Netzentgelten kommen, da der geregelte Ladebetrieb netzstabilisierend sei, erläutert Ruschmeyer. Das Verfahren solle in einem der Schaufensterprojekte in Clausthal-Zellerfeld erprobt werden. Mit diesem Förderkonzept könne man die erneuerbaren Energiequellen und zugleich die in Deutschland heimischen Hersteller von Leistungselektronik fördern. Bei der Wirtschaft ist das Interesse an dem Konzept bisher allerdings gering.

Quelle: www.neues-deutschland.de vom 20.06.12

Volkspanzer für den Golf. Von Rüdiger Göbel

Montag, 18. Juni 2012 von Huste

Egal, wo er ist, um »Freiheit« geht’s spätestens im zweiten Absatz. Bundespräsident Joachim Gauck hat während einer Preisverleihungsrede im Kieler Institut für Weltwirtschaft am Sonntag an die Proteste in der DDR vor 59 Jahren erinnert. Am 17. Juni 1953 seien an mehr als 700 Orten in der DDR die »Menschen in den Aufstand gezogen«, sagte Gauck. Sie hätten gerufen: »Wir wollen freie Menschen sein.« Der damals vom Westen beförderte Protest war mit Hilfe von Panzern der Sowjet­armee beendet worden. Aber, so der Bundespräsident: »Die Niedergeschlagenen haben am Ende Mauern zum Einstürzen gebracht, und die Freiheit hat sich Raum geschaffen.«

Just am Tag, da Gauck an den Einsatz gegen demonstrierende Arbeiter erinnerte, machte ein Boulevardblatt bekannt, daß der BRD-Verbündete Saudi-Arabien, erfolgreich im Niederkartätschen von Protestierenden, weitaus mehr deutsche Kampfpanzer kaufen will als bisher bekannt. Das Königreich habe großes Interesse am Erwerb von 600 bis 800 neuen »Leopard 2«. Das berichtete Bild am Sonntag unter Berufung auf Regierungskreise. Bisher war »nur« von bis zu 300 Panzern dieses Typs für den reaktionären Scheichstaat die Rede. Unklar ist, ob der Megadeal beim Riad-Besuch von Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) mit einer Unternehmerdelegation vor zwei Wochen eingefädelt wurde. Der Gesamtwert des »Leopard«-Auftrages wird in Industriekreisen laut BamS mit rund zehn Milliarden Euro beziffert, »abhängig von der Ausstattung, dem Umfang der zusätzlich georderten Technikausbildung, der Logistik sowie Ersatzteillieferungen«. Es wäre »einer der größten Rüstungsaufträge der bundesdeutschen Geschichte«.

Der »Leo« habe sich nach hartem Konkurrenzkampf gegen den US-Panzer M1 »Abrams« durchgesetzt, müßte für den Einsatz in der Wüste allerdings umgebaut werden. Bundestagsabgeordnete bestätigten dem Springer-Blatt, daß in Saudi-Arabien bereits Langzeittests mit dem »Leopard 2« laufen.

In der Bundesregierung gibt es dem Bericht zufolge »erhebliche Widerstände« gegen den Panzerdeal. Das Bundeskanzleramt sowie das Außen- und Wehrministerium signalisierten demnach Ablehnung. Befürwortet werde es im Wirtschaftsressort Röslers. Schließlich könne der Auftrag die Zukunft der Panzerbauer »Krauss Maffei Wegmann« und Rheinmetall sichern, die wegen der Umstrukturierung der Bundeswehr »neue Absatzmärkte brauchen«. Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) heißt es, Saudi-Arabien sei der wichtigste Handelspartner am Golf, ein »riskantes, aber auch lukratives Pflaster«.

Zur Erinnerung: Die Panzer sollen an einen Staat geliefert werden, dessen Truppen im März 2011 ins Nachbarland Bahrain einmarschiert waren und dort den Volksaufstand gegen König Hamad bin Isa Al-Chalifa blutig niedergeschlagen haben. An diesem Mittwoch wird einem elfjährigen Jungen in der Hauptstadt Manama der Prozeß gemacht. Er war am 14. Mai bei Protesten gegen die Herrscherfamilie des Golfstaats verhaftet worden. Mit Freunden hatte er eine Straße mit Müllcontainern und Holzteilen blockiert und gefordert: Freiheit für Bahrain.

Quelle: www.jungewelt.de vom 18.06.12

„Die griechischen Sozialisten sollten nicht der Arzt am Krankenbett des Kapitalismus sein- sondern eher seine Totengräber!“. Von Wolfgang Huste

Samstag, 16. Juni 2012 von Huste

Ich hoffe, dass die Sozialisten in Griechenland am morgigen Sonntag die Wahl gewinnen und wenn ja, dass sie die Chance ergreifen, von Grund auf Veränderungen einzuleiten, statt nur kleine „Reförmchen“. Des weiteren hoffe ich, dass dann die Konzerne, insbesondere die Reedereien, vergesellschaftet werden. Die Sozialisten sollten die Kapitalflucht unterbinden bzw. unter Strafe stellen. Da viele Reeder so gut wie keine Steuer zahlen und zahlten (schon zu Zeiten der Militärregierung nicht), ist es nur gerecht, wenn eine sozialistische Regierung, die diese Bezeichnung auch verdient und mit einem entsprechenden Inhalt füllt, diese Reeder unentschädigt (!) enteignet und die Werften bzw. Reedereien und Großkonzerne in die Hände der jeweiligen Belegschaft überführt.

Internationale Spekulationsgeschäfte der Banken müssen ebenfalls unter Strafe gestellt werden. Banken sollten nur der Realwirtschaft dienen. Nur wenn reale Gegenwerte vorhanden sind, sollten zukünftige Bankgeschäfte erlaubt werden; in einer ähnlichen Form, wie es die Sparkassen, Volksbanken, Raiffeisenbanken und andere Regionalbanken bei uns per Gesetz machen (sollten). Aus Sicherheitsgründen muss das Militär schnellstens (!) entmachtet und unter einer demokratischen Kontrolle gebracht werden, bevor es zu spät ist (das gilt insbesondere auch für Ägypten!). Die Rüstungsindustrie muß eingesellt werden, weil sie keine gesellschaftlich sinnvollen Produkte liefert und Kapital unnötig bindet, was man für ökonomisch, soziale und ökologisch sinnvollere Industriezweige bzw. Produkte benötigt. Zukünftig sollte innerhalb aller Produktionsprozesse die Frage gestellt werden: „Wem dient dieses und jenes für was und welche konkreten Auswirkungen hat dieses oder jenes Produktionsverfahren bzw. Produkt auf die Gesellschaft, auf die Natur und Umwelt?“. Eine Rüstungskonversion ist demnach eine Notwendigkeit ersten Ranges! Wenn nur zwei der von mir skizzierten Forderungen nicht ausgeführt werden, droht Griechenland ein ökonomisches und soziales Desaster schlimmsten Ausmaßes! Des weiteren droht in Griechenland (und Ägypten) eine Militärdiktatur! Nur die Abschaffung des Kapitalismus und der Aufbau einer sozialistischen Demokratie im Sinne einer sozialistischen (!) Rätedemokratie wäre ein radikaler Befreiungsschlag zugunsten der griechischen Bevölkerung und die Chance auf einen ökonomischen und sozialen Neuanfang! Alles andere wäre nur ein auf Dauer wirkungsloses herumdoktern an der Phänoebene des real existierenden Kapitalismus. Die Beibehaltung der kapitalistischen Produktionsweise, des kapitalistischen Systems „als solches“, wäre mittelfristig der ökonomische und soziale Untergang Griechenlands. Das trifft sinngemäß auch auf andere kapitalistisch determinierte Staaten zu, insbesondere auf Ägypten und die Maghrebstaaten! Weitere Ziele sollten sein: Schnellstmöglicher Austritt aus der NATO und die Bildung einer blockfreien Staatenassoziation, in der Griechenland, Spanien und Portugal eine führende Rolle einnehmen, unter den von mir skizzierten Prämissen. Der Handel mit den nordafrikanischen Ländern und mit Lateinamerika muss ausgebaut und intensiviert werden. Das sind meine Vorschläge für eine bessere Alternative zugunsten der Majorität, der Natur und Umwelt, weit jenseits des Status Quo!

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