Im Frühjahr dieses Jahres schätzte das Internetportal taxjusticenetwork für die Bundesrepublik: Dort werden die Steuern jährlich um 215 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 171 Milliarden Euro) verkürzt. Deutschland nahm damit gemessen am Umfang der Hinterziehung weltweit Platz fünf hinter USA, Brasilien, Italien und Rußland ein. Es handelt sich um einen Betrag, bei dem die Freundschaft mit Politikern aufhört, die nicht spuren.
Am Wochenende warf sich daher Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) für die Steuerbetrüger in die Bresche. Sie will den Ankauf von Daten deutscher Steuerhinterzieher im Ausland unter Strafe stellen. Der Rheinischen Post sagte sie: »Das ist auch unabhängig von Steuer-CDs heute ein wichtiges Thema, weil in unserer vernetzten Welt Daten wirtschaftlichen Wert repräsentieren und in dieser Hinsicht genauso geschützt werden müssen wie andere kommerziell verwertbare Güter.«
Anlaß für den Auftritt Leutheusser-Schnarrenbergers war der Kauf von Daten deutscher Steuerbetrüger im Geldwaschland Schweiz durch bundesdeutsche Behörden. Vor allem Nordrhein-Westfalen hat mehrfach solche Datenträger erworben. Auf Initiative des von CDU und FDP regierten Hessens hatte die deutsche Justizministerkonferenz bereits im Juni beschlossen, Datenhehlerei unter Strafe zu stellen. Allerdings hieß es in dem Beschluß noch: »Der Straftatbestand soll nicht den Erwerb von Daten erfassen, der ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient (zum Beispiel Ankauf von Steuerdaten).« Das kann eine 171 Milliarden Euro schwere Lobby schon auf die Palme bringen.
Der Süddeutschen Zeitung (Montagausgabe) sagte die FDP-Politikerin daher folgerichtig, ihr Ministerium prüfe derzeit, wie eine Regelung gegen den Ankauf illegal erlangter Steuerdaten ausgestaltet werden könne. Man könne Steuerhinterziehung nicht mit Hilfe von Kriminellen und »windigen Datenhehlern« bekämpfen. Zugleich warb sie für das Steuerabkommen mit der Schweiz, das den Kauf von CDs überflüssig machen soll. Vorgesehen ist darin die anonyme Besteuerung deutscher Schwarzgelder in der Eidgenossenschaft. Der Vertrag wird bei der Abstimmung im Bundesrat im Herbst aber nach bisherigem Stand am Widerstand von SPD und Grünen scheitern. Union und FDP haben in der Länderkammer keine Mehrheit.
Die Opposition kritisierte den Vorstoß scharf. Der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Ulrich Maurer, erklärte in einer Pressemitteilung: »Die FDP ist nichts anderes als eine Steuerhinterzieherbeschützerpartei. Erst Millionenspenden von Vermögensverwaltern kassieren und dann Steuerflüchtlinge vor der Verfolgung schützen – wie beim Mövenpick-Steuernachlaß erweist sich die FDP einmal mehr als käuflich.« Der stellvertretendeVorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Joachim Poß warf Leutheusser-Schnarrenberger vor, sie wolle »eine Schutzzone für Steuerkriminelle« errichten.
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) verwies auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2010, in dem NRW gebeten wird, angebotene Steuerdaten unverzüglich zu kaufen. In dem Brief, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, ist zudem eine rechtliche Einschätzung enthalten: Demnach machen sich die Amtsträger mit dem Kauf nicht strafbar.
(Mit Reuters und dapd)
Quelle: www.jungewelt.de vom 03.09.12
« Achtung! Mein Gerichtstermin wurde vorverlegt! Berufungsprozess vor dem Landgericht Koblenz jetzt am Donnerstag, 20.9.12., 9 Uhr, Sitzungssaal 137. Von Wolfgang Huste – Schlachtfeld Innenstadt. Von Claudia Haydt »
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