Wolfgang Huste Polit- Blog

Gerichtsurteil vor dem Landgericht Koblenz endet mit Freispruch! Von Wolfgang Huste

Donnerstag, 20. September 2012 von Huste

Mein heutiges Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Koblenz (wegen Verbreitung eines Aufrufs zur friedlichen Blockade eines genehmigten Neonaziaufmarsches in Dortmund, der am 03. September 2011 stattfand) hat rund vier Stunden gedauert.
Die Richterin war sehr erfahren und hat sich auch sehr viel Mühe mit der Urteilsbegründung gegeben (ebenso mein Verteidiger Tom Siebert aus Bonn mit seiner Verteidigungsrede). Ergebnis in Kürze: Freispruch erster Klasse! Anders wäre es auch schlecht gewesen- für mich, unsere „gemeinsame Sache“ und für alle anderen Antifaschist_Innen.

Organisierter Rechtsbruch. MAD, Verfassungsschutz und »NSU«: Immer mehr Verbindungen zwischen Behörden und neofaschistischer Terrorgruppe bekannt. Gute Gründe für Auflösung der Geheimdienste. Von Wolf Wetzel

Dienstag, 18. September 2012 von Huste

Wieder sind wir Zeuge eines »einmaligen Vorgangs«, der sich wahrscheinlich jetzt zum 25. Mal durch die knapp einjährige Aufklärungsarbeit zieht: Bis zum 11. September 2012 war Stand der Dinge, daß der Militärische Abschirmdienst (MAD) keine Unterlagen geführt habe, die zur Aufklärung der von der rechten Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) begangenen Morde beitragen könnten. In diesem ahnungslosen Zustand befand sich angeblich auch die oberste Dienststelle, das Verteidigungsministerium.

Mittlerweile wissen wir, daß diese Auskünfte immer falsch waren. Das Einzige, was tatsächlich variiert, sind die unglaublichen Verrenkungen, die massiven Behinderungen zu bagatellisieren. Der oberste Dienstherr der Bundeswehr und des MAD, Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), bedauerte und befand, daß sein Ressort in dieser Angelegenheit »unsensibel« gehandelt habe. Abgesehen von dieser kleinen emotionalen Schwankung hat sich das Verteidigungsministerium nichts vorzuwerfen, schon gar nicht, daß es an der Verhinderung der Aufklärung aktiv mitgewirkt hat.

Was ist passiert und sollte unter keinen Umständen öffentlich werden? Uwe Mundlos, der nicht viel später Mitglied der neonazistischen Kameradschaft »Thüringer Heimatschutz« (THS) wurde, aus der die neonazistische Terrorgruppe NSU hervorging, leistete von April 1994 bis März 1995 beim Panzergrenadierbataillon 381 im thüringischen Bad Frankenhausen seinen Wehrdienst ab. Ziemlich schnell fiel er durch seine neonazistische Gesinnung auf, die er gegenüber niemandem verbarg. Auch nicht gegenüber dem MAD, der ihn zu einer »Befragung« einbestellte. Freimütig gab Mundlos an, daß er Mitglied in einer »Skingruppe« sei. Flüchtlinge würden sich ein schönes Leben auf Kosten des Staates machen und müßten sofort abgeschoben werden. Diese Aussagen überraschten den MAD nicht – im Gegenteil: Der Bundeswehrgeheimdienst fragte ihn laut Spiegel (11.9.2012), »ob er sich vorstellen könne, ihm bekannt gewordene Termine für Anschläge auf Asylbewerberheime der Polizei oder den Verfassungsschutzbehörden zu melden«. Dem Gesprächsprotokoll zufolge habe Mundlos verneint. Damit war die Sache für den MAD erledigt. Ordentlich, wie der Militärische Abschirmdienst nun einmal ist, verschickte er 1995 eine Kopie dieser Beobachtungsakte an verschiedene Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Nach 15 Jahren hat der MAD, wieder ganz ordentlich, die Originalakte vernichtet.
Bewußte Täuschung
Halten wir fest:

1. Selbst wenn der MAD die Akte »Mundlos« 2010 vernichtet haben will, ist im Aktenlauf vermerkt, an wen eine Kopie verschickt wurde.

2. Obwohl mehrere Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz im Besitz dieser MAD-Akte waren, unterschlugen sie diese gegenüber den Untersuchungsausschüssen des Bundestages und mehrerer Landtage.

3. Das Verteidigungsministerium agierte folglich nicht »unsensibel«, sondern strafbar: »Nach den Angaben des Verteidigungsministeriums erfuhr die Amtsleitung, also auch Minister de Maizière, bereits am 13. März 2012 davon, daß der MAD Mundlos 17 Jahre zuvor in seiner Wehrdienstzeit befragt hatte – und daß das Protokoll dieser Befragung seinerzeit zumindest auch an das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz geschickt worden war.« (FR vom 12.9.2012) Wenn also noch Anfang Juli 2012 das Verteidigungsministerium erklärte, »der MAD habe zu Uwe Mundlos keinen Kontakt gehabt«, liegt kein Versehen vor, sondern eine bewußte Täuschung. Dieses Wissen unterschlagen zu haben, ist nicht mangelhaft »aktiv kommunikativ«, sondern wiederholter Rechtsbruch.

4. Die Unterschlagung dieser Akte bei mindestens vier Behörden beweist zum 25. Mal, daß es sich nicht um ein individuelles Versagen handelt, sondern um ein organisiertes Vorgehen.

5. Die Behauptung des Verteidigungsministers de Maizière, der Versuch des MAD, einen Neonazi als Quelle anzuwerben, sei gar kein Anwerbeversuch gewesen, beweist nur eines: einen hohen Grad an Verschleierungswillen.

Nimmt man also die bis heute bekannt gewordenen Fälle von Aktenvernichtung, Vertuschung und Irreführung zusammen, ordnet man sie verschiedenen staatlichen Institutionen zu, darf man feststellen: Ob bei der Polizei oder bei den verschiedenen Landesämtern für Verfassungsschutz, ob beim MAD oder beim Bundesamt für Verfassungsschutz, ob bei einzelnen Innenministerien oder beim Bundesverteidigungsministerium – die Einzelfälle greifen (fast) lückenlos ineinander. Das nennt man – in jedem anderen Beispiel – nicht Zufall, sondern organisierten, systematischen Rechtsbruch.

Ganz, ganz vorsichtig nähert sich auch die Frankfurter Rundschau (12.9.2012) der Systematik: »Ob beim Verfassungsschutz oder beim Militärischen Abschirmdienst, ob jeweils isoliert oder abgesprochen: Hinter dem Aktenschwund steckt allem Anschein nach Kalkül … Es gibt zwar kein Indiz dafür, daß in Deutschland existiert, was man in der Türkei den ›tiefen Staat‹ nennt – also das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden und kriminellen oder terroristischen Strukturen. Gleichwohl deutet vieles auf organisierte Vertuschung hin.«
Staatliche Verwicklung
Die Angst, sich vorzustellen, was sich hinter dieser »organisierten Vertuschung« verbirgt, wie es möglich ist, 13 Jahre lang die Verwicklung ausnahmslos aller staatlichen Verfolgungsorgane in die neonazistische Mordserie geheimzuhalten, ist aus jeder Zeile herauszulesen. Aus genau diesem Grund werfen auch so viele Aufklärer den Rettungsring aus individuellem Versagen, Zufall und Panne um einen Staatsapparat, dessen konstitutive Veränderungen sie um – fast jeden Preis – nicht wahrhaben wollen.

»Es gibt aber keinen Grund dafür, unsere Sicherheitsbehörden kaputt zu hauen«, ließ MAD-Präsident Ulrich Birkenheier in der vergangenen Woche die Öffentlichkeit wissen. Anstatt an den Worten des Geheimdienstchefs achtlos vorbeizugehen, sollte man seinen Gedanken aufgreifen und konsequent zu Ende denken: Gäbe es einen oder gar mehrere Gründe für die Zerschlagung der Geheimdienste, darf, ja muß man die Geheimdienste »kaputthauen«.

Hier sind sechs Gründe:

1. Grund: Als der Neonazi Mundlos in der Bundeswehr seinen Wehrdienst begann, fiel er sofort dadurch auf, daß seine Visitenkarte mit dem Bild von Adolf Hitler geschmückt war. Zu Hause wurden NPD-Flugblätter gefunden, und er war Teilnehmer einer neonazistischen Feier zum Geburtstag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess. Der MAD befand, daß all dies der Bundesrepublik Deutschland nicht schaden könne – und unternahm nichts.

2. Grund: Kurz vor Ende seines Wehrdienstes wurde der Neonazi und Soldat Mundlos tatsächlich vom MAD »einvernommen«. Obwohl er aus seiner neonazistischen Einstellung keinen Hehl machte, konnte und wollte der MAD »keine Anhaltspunkte für rechtsterroristische Absichten« (Süddeutsche Zeitung vom 17.9.2012) erkennen.

3. Grund: Was der MAD partout nicht als neofaschistische Gesinnung werten wollte, wollte er dennoch »abschöpfen«. Und so wurde Mundlos gefragt, ob er sich vorstellen könne, den Behörden z.B. Anschlagspläne auf Flüchtlingsheime mitzuteilen.

4. Grund: Der MAD wurde aufgefordert, alle Unterlagen, die Mitglieder und Umfeld des NSU betreffen, den Untersuchungsausschüssen zukommen zu lassen. Der MAD behauptete, es gäbe keine diesbezüglichen Unterlagen.

5. Grund: Gleichzeitig ging ein Rundschreiben an verschiedene Verfassungsbehörden, die an sie versandte Beobachtungsakte zu Mundlos zurückzuschicken.

6. Grund: Die oberste Dienststelle des MAD, das Verteidigungsministerium deckte diese Vertuschung und behauptete wider besseres Wissen, daß es keine Unterlagen zu Mundlos gäbe.

Die Bedingungen, die der MAD-Chef an die Zerschlagung der Geheimdienste gestellt hat, sind mehr als erfüllt. Ebenso viele Gründe gäbe es, den Verfassungsschutz aufzulösen.

Ausführliche Recherche des Autors

Quelle: www.jungewelt.de vom 19.09.12

„Eine öffentliche Aufführung des antimuslimischen Films ,Die Unschuld der Muslime‘ kann und muss untersagt werden“, fordert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke. Sie fährt fort:

Dienstag, 18. September 2012 von Huste

„Mit legitimer Religionskritik hat der Film nichts zu tun. Seine einzige Funktion besteht darin, rassistisch motivierte Vorurteile gegen Muslime zu schüren. Das ist Volksverhetzung, und das erklärt auch, warum Organisationen vom rechten Rand wie Pro Deutschland sich so für dieses Machwerk einsetzen. Dafür darf es keine öffentlichen Foren geben.

Es ist deswegen richtig, wenn sich der Bundesinnenminister dafür ausspricht, die rechtlichen Möglichkeiten für ein Aufführungsverbot durchzusetzen. Dazu gehört auch eine Prüfung durch die Bundesprüfstelle, um den Film auf den Index zu setzen. Damit wären die Möglichkeiten für Bewerbung und öffentliche Aufführung erheblich eingeschränkt. Die Kommunen sollten die ordnungs- und versammlungsrechtlichen Möglichkeiten prüfen. Ungeachtet dessen sollte der Unmut über das Schmähvideo zu einem breiten zivilgesellschaftlichen Protest gegen alle Versuche führen, damit antimuslimische Stimmungen zu schüren.“

—-
Quelle: Ulla Jelpke, MdB
Innenpolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE.

Persilschein für Henkel? Von Sebastian Carlens

Dienstag, 18. September 2012 von Huste

Konnten in Deutschland Neonazis morden, weil der Datenschutz zu ernst genommen wurde? Die Suche nach den Ursachen der Terrorwelle des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) treibt mitunter sonderbare Blüten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahm am Montag vor der Bundespressekonferenz in Berlin Bezug auf Vorwürfe, daß dem Untersuchungsausschuß des Bundestages immer wieder Informationen vorenthalten worden seien. An »vielen Stellen« sehe sie »Verbesserungsbedarf«, auch bei den Löschfristen von Akten, sagte Merkel. Etliche Dokumente, in denen verschiedene Inlandsgeheimdienste Erkenntnisse zu den späteren NSU-Terroristen gesammelt hatten, sind unterdessen vernichtet worden – teilweise nach Datenschutzregelungen, teilweise aber auch ohne entsprechenden Verweis. Der Bundestagsausschuß geht mittlerweile von gezielten Vertuschungen beim Bundesverfassungsschutz aus.

Nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden war, daß ein mutmaßlicher NSU-Unterstützer mehr als zehn Jahre lang als Spitzel für das Berliner Landeskriminalamt (LKA) tätig war, steht der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) weiter unter Druck. Erst im März war die Bundesanwaltschaft vom LKA informiert worden, daß der Neonazi Thomas Starke, der den NSU-Terroristen bereits 1998 rund ein Kilogramm des Sprengstoffes TNT verschafft haben soll, über zehn Jahre lang als »Vertrauensmann« der Berliner Polizei tätig war. Henkel soll bereits vorher von den Vorgängen gewußt haben; der Bundestagsausschuß wurde nicht unterrichtet. Am heutigen Dienstag soll der Innensenator deshalb vor dem Innenausschuß im Berliner Abgeordnetenhaus Rede und Antwort stehen. Henkels Amtsvorgänger, der SPD-Politiker Ehrhart Körting, hat unterdessen seinen Rückzug aus der vierköpfigen Bund-Länder-Kommission, die Versäumnisse bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen untersuchen soll, angekündigt. In Körtings Amtszeit war Starke als V-Mann angeworben worden. Er wolle angesichts der Affäre »nicht den Anschein von Befangenheit erwecken«, meldet der Berliner Tagesspiegel (Dienstagausgabe). Henkel hatte am Wochenende den Einsatz eines Sonderermittlers in Aussicht gestellt. Dieser solle prüfen, ob die Polizei korrekt gehandelt habe. Petra Pau, Obfrau der Linken im Untersuchungsausschuß, erhob am Montag schwere Vorwürfe gegen den amtierenden Innensenator. Wer die Aufklärung der NSU-Mordserie blockiere, »düpiert den Bundestag und verhöhnt die Opfer«. Anstatt über Sonderermittler zu sinnieren, solle sich der Innensenator »die fehlenden Akten unter den Arm klemmen und sie höchstselbst zum Bundestag tragen«, regte Pau an: »Das dauert zu Fuß 20 Minuten«.

Den Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern bescheinigte Bundeskanzlerin Merkel am Montag eine »sehr verdienstvolle Arbeit«. Das muß den Obleuten wie Hohn in den Ohren klingen: Beinahe sämtliche Enthüllungen fanden gegen den zähen Widerstand der Ämter statt. Auch die Erkenntnis, daß der mutmaßliche Terrorhelfer Starke, der vom sächsischen Verfassungsschutz gar der Mitgliedschaft im NSU verdächtigt wird (jW berichtete), als V-Mann für das LKA arbeitete, kam erst durch eine Anfrage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) ans Licht. Unbegrenztes Datenspeichern würde genau diesen Behörden zu noch mehr Macht verhelfen – und obendrein auch nicht verhindern können, daß hochrangiges Personal gezielt und planvoll vertuscht, wie dies im Juli 2012 bekannt wurde. Hier sind nicht Datenschutzbeauftragte, hier sind die Gerichte gefragt. Selbstherrliche Beamte, Senatoren und Minister, die einen vom Parlament eingesetzten Ausschuß immer wieder aufs neue vorführen, sind ein Fall fürs Strafrecht.

Qiuelle: www.jungewelt.de vom 19.09.12

Kumpanei mit Konturen. Neonazi-Informant gibt LKA Hinweise. Sicherheitsüberprüfung: unbedenklich

Montag, 17. September 2012 von Huste

Der Chemnitzer Neonazi Thomas Starke, gegen den der Generalbundesanwalt wegen Unterstützung der Terrorzelle NSU ermittelt, soll übereinstimmenden Medienberichten zufolge dem Berliner Landeskriminalamt (LKA) insgesamt fünf Hinweise auf den Aufenthaltsort des Terrortrios geliefert haben. Nach Informationen der Welt am Sonntag hat Starke 2002 einen ersten Tip über den Verbleib von Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe geliefert. 2005 soll er vier weitere Angaben gemacht haben. Wie die Berliner Sicherheitsbehörde mit den Informationen umging, ist derzeit noch unklar. Obwohl bereits im Januar diesen Jahres das Ermittlungsverfahren gegen den Neonazi eingeleitet worden war, teilte das Berliner LKA der Karlsruher Bundesanwaltschaft die Kooperation nach Darstellung des Spiegel erst Anfang März mit.

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete derweil, daß Starke vom Bundesamt für Verfassungsschutz 2008 und 2009 wegen einer Beschäftigung in einer Firma mit Verschlußsachen einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden sei. Dabei seien keine Gründe gegen eine sicherheitsrelevante Beschäftigung festgestellt worden. Starke habe glaubhaft machen können, daß er sich von der neofaschistischen Szene gelöst habe. Von einer Tätigkeit Starkes als Informant des Berliner LKA will die Bundesbehörde nichts gewußt haben.

Unterdessen simuliert der in Bedrängnis geratene Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) hektische Betriebsamkeit in der Sache. Per Sonderermittler will er prüfen, ob bei der zehnjährigen Kooperation zwischen LKA und Starke Fehler gemacht worden seien, berichtete dapd am Sonntag. Henkel soll bereits im März von der Tätigkeit des Terrorhelfers erfahren haben, diese Informationen jedoch nicht an den NSU-Untersuchungsausschuß des Bundestags weitergegeben haben. Ausschußvertreter werfen ihm bewußte Verschleierung vor. Mehmet Daimagüler, ein Anwalt von Hinterbliebenen der Terroropfer, hatte Henkel in der Berliner Zeitung vom Samstag den Rücktritt nahegelegt. »Das Restvertrauen, das wir in die Sicherheitskräfte hatten, ist jetzt verlorengegangen«, sagte er. Von Pannen könne keine Rede mehr sein. Es gehe auch »um das Vertuschen der eigenen Kumpanei mit dem Umfeld des NSU, vielleicht sogar mit dem NSU selbst«, fügte der Anwalt hinzu.

(dapd/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.09.12

»Fuck the Troika«. Von André Scheer

Montag, 17. September 2012 von Huste

Hunderttausende Menschen haben am Wochenende in Spanien und Portugal gegen die Krisenpolitik ihrer Regierungen und der EU protestiert.

In Lissabon und zahlreichen anderen Städten Portugals versammelten sich am Sonnabend Hunderttausende Menschen zu den größten Kundgebungen der vergangenen Jahre. Unter dem Slogan »Fuck the Troika« demonstrierten sie gegen EU, Europäi­sche Zentralbank und Internationalen Währungsfonds, auf deren Druck hin die portugiesische Regierung weitere Kürzungspakete durchsetzen will. So drohen den Beschäftigten im kommenden Jahr Gehaltseinbußen von mehr als sieben Prozent. Die bisherigen Maßnahmen haben die Erwerbslosigkeit bereits auf 15 Prozent steigen lassen. Nun sollen die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten von bislang elf auf 18 Prozent angehoben werden, während der Anteil der Unternehmer von 23,75 auf 18 Prozent gesenkt wird.

Zu dem Aktionstag am Sonnabend mobilisiert hatten vor allem Bürgerinitiativen und Gruppen der »Empörten«, aber auch linke Parteien und die großen Gewerkschaftsverbände schlossen sich dem Aufruf an. Bei einer Pressekonferenz in Porto erklärten die Organisatoren, ihre Aktion habe der Regierung und der Troika die Unzufriedenheit der Portugiesen vor Augen führen sollen. Die nächste Gelegenheit dafür steht schon fest: Für den 29. September mobilisiert der größte portugiesische Gewerkschaftsbund CGTP-IN zu einem »Kampftag« in Lissabon gegen den »Raub der Löhne und Renten«.

Auch in Madrid folgten am Sonnabend Hunderttausende Menschen dem Aufruf des »Sozialen Bündnisses«, einem Zusammenschluß von mehr als 900 Organisationen, zu einer Großdemonstration gegen die Politik der Regierung. Mit Tausenden Autobussen waren die Teilnehmer aus allen Teilen Spaniens gekommen und zogen in zehn Marschsäulen zur Plaza de Colón im Zentrum der Metropole. Unter dem Slogan »Sie wollen das Land ruinieren – verhindern wir es, wir sind mehr!« hatten vor allem die großen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT in die spanische Hauptstadt mobilisiert. Ihre zentrale Forderung war die Durchführung einer Volksabstimmung über die von der Regierung geplanten Kürzungen. Linke Organisationen fordern hingegen einen weiteren Generalstreik. Die anarcho-syndikalistische CGT hat einen solchen bereits für den 31. Oktober ausgerufen.

Obwohl die Großkundgebung vollkommen friedlich ablief, nahm die Polizei vier Demonstranten vorübergehend fest, weil sie Plakate für den Aktionstag am 25. September gezeigt hatten. Dann wollen die »Empörten« und linke Organisationen das Parlamentsgebäude in Madrid umzingeln. Ihr proklamiertes Ziel ist, diese Blockade solange aufrechtzuerhalten, bis die Regierung von Mariano Rajoy zurücktritt.

Für denselben Tag haben CCOO und UGT die anderen Mitgliedsorganisationen des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) zu einem Treffen in Madrid eingeladen. Wie die Tageszeitung El País berichtete, werde dabei über den Vorschlag eines europaweiten Aktionstages diskutiert, der bei der Generalversammlung des EGB am 17. Oktober offiziell verabschiedet werden und voraussichtlich im Dezember stattfinden solle. Die Aktionsform sollen die nationalen Gewerkschaften demnach jeweils für sich entscheiden können. Generalstreiks seien ebenso möglich wie Großdemonstrationen. Der Vorschlag sei unter anderem vom deutschen DGB bereits positiv aufgenommen worden.

Quelle: www.jungewelt.de vom 17.09.12

Näher dran geht nicht. Von Sebastian Carlens

Samstag, 15. September 2012 von Huste

Wie nah war der Staat an den einer Mordserie verdächtigten Terroristen des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU)? Näher geht es kaum, muß die Antwort mittlerweile lauten: Engste Unterstützer des NSU-Trios könnten im Sold staatlicher Stellen gestanden haben, erfuhr am Donnerstag abend der Bundestagsausschuß zum Behörden»versagen« bei der Aufklärung einer Mordserie an Migranten. Einem Bericht von Spiegel online vom Donnerstag zufolge soll der Chemnitzer Neonazi Thomas Starke, gegen den der Generalbundesanwalt als Unterstützer des NSU ermittelt, seit dem Jahr 2000 als »Vertrauensperson« für das Berliner Landes­kriminalamt (LKA) gearbeitet haben. Im Januar 2011, ein dreiviertel Jahr vor Auffliegen der Terrorzelle, sei die Quelle abgeschaltet worden, so die Webseite. Erst am 20. März 2012 informierte die Berliner Behörde den Generalbundesanwalt über den Kontakt. Der Ausschuß-Obmann der Grünen, Wolfgang Wieland, kritisierte am Freitag im RBB-Inforadio, daß diese »relevanten Informationen« dem Gremium erst am Donnerstag durch ein »hereingereichtes dreiseitiges Papier« zur Verfügung gestellt worden seien.

Thomas Starke gilt als Schlüsselfigur beim Abtauchen des NSU in den Untergrund. Bereits 1998 soll er dem späteren Terroristen Uwe Mundlos ein Kilogramm des Sprengstoffes TNT verschafft haben. Der NSU entzog sich nach dem Fund des Sprengstoffes in einer von Beate Zschäpe angemieteten Garage 1998 in Jena der Festnahme und tauchte ab – zunächst nach Chemnitz. Dort habe ihnen Starke, der rund um das Jahr 1997 mit Zschäpe liiert gewesen sein soll, die erste konspirative Bleibe vermittelt, berichten Verfassungsschutzpapiere. In einem als »VS – nur für den Dienstgebrauch« klassifizierten Dokument des sächsischen Landesamtes vom 18.11.2011, das jW vorliegt, wird Starke als »hervorzuhebende Persönlichkeit« beschrieben: »Seine Kontakte zu den Flüchtigen stellen Anhaltspunkte dar, daß Starke der Gruppierung zugehörig war«, heißt es dort. Zwei Jahre später soll er laut Spiegel online vom LKA als »V-Mann« geworben worden sein. Starke machte schon 2001 erste Angaben zum Verbleib der NSU-Terroristen. 2002 soll er schließlich den Hinweis gegeben haben, bei Jan Werner, ebenfalls einem hochrangigen Neonazi aus dem »Blood&Honour«-Umfeld, nachzuforschen. Werner war bereits von einem weiteren V-Mann als möglicher Waffenlieferant des NSU benannt worden.

Jan Werner könnte gewußt haben, wo sich die NSU-Mitglieder verbergen. Doch Nachforschungen waren vielleicht gar nicht nötig, denn auch Werner selbst, im Papier des sächsischen Landesamtes als »Führungspersönlichkeit« beschrieben, soll im Sold der Berliner Behörde gestanden haben: Laut einem Bericht der Berliner Zeitung (Onlineausgabe) vom Freitag arbeitete Werner zwischen 2001 und 2005 mit dem LKA zusammen. Sie zitiert ein Fax des LKA an das Bundeskriminalamt vom 22. August 2001 – darin seien die Wiesbadener Kriminalisten von ihren Berliner Kollegen gebeten worden, sie vor »Maßnahmen« gegen Werner zu informieren. Solche Absprachen seien üblich bei Anwerbung von Informanten, so die Zeitung. In einem Geheimdokument des Thüringer Verfassungsschutzes vom 30.11.2011, das jW vorliegt, wird Werner als Kontaktmann zum NSU beschrieben. Er »soll damals den Auftrag gehabt haben, ›die drei Skinheads mit Waffen zu versorgen‹«.

Eigentlich sollte sich der Ausschuß am Donnerstag mit einer der rätselhaftesten Taten, die dem NSU zugeschrieben werden, befassen. Am 22. April 2007 starb in Heilbronn am Rande der städtischen Festwiese die Streifenpolizistin Michèle Kiesewetter durch Schüsse in den Kopf, ihr Kollege wurde schwer verletzt. Am 7. November 2011, nach dem mutmaßlichen Selbstmord zweier NSU-Mitglieder, wurden die Dienstwaffen der beiden im Wohnmobil der Terroristen in Eisenach gefunden. Doch noch immer steht die Frage nach dem Motiv der Tat, die von den neun Morden an Migranten zwischen 2000 und 2006 abweicht, ungelöst im Raum. Der Patenonkel der ermordeten Beamtin, selbst Polizist und vor 2007 in der Abteilung Staatsschutz beschäftigt, ist früh von einem Zusammenhang zwischen der Tötung Kiesewetters und der Mordserie an Migranten ausgegangen. Er soll der frühere Partner einer Thüringer Beamtin sein, die später wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen an Neonazis suspendiert wurde, berichtete Axel Mögelin, Leiter der damaligen Sonderkommission, am Donnerstag den Ausschußmitgliedern. Mit eben jener ehemaligen Polizistin, die unterdessen mit einem Neonazi verheiratet ist, war Michèle Kiesewetter im Jahr 2003 gemeinsam in Ungarn im Urlaub. Der Heilbronner Mord ist immer noch nicht aufgeklärt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 15.09.12

Enttabuisierung. Geheimdienste und Neonaziterror. Von Arnold Schölzel

Freitag, 14. September 2012 von Huste

Die Bundesrepublik verfügt über 19 offiziell bekannte Geheimdienste (16 Landesämter und ein Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst). Ihr Ursprung liegt im Gründungszweck des Staates: Laut erster Präambel des Grundgesetzes Revision der Niederlage des faschistischen Deutschland von 1945 und Wiederherstellung der Grenzen von 1937. Die seit Ende der 40er Jahre angestrebte, offiziell 1956 gegründete Bundeswehr sollte – möglichst mit Atomwaffen ausgestattet – dabei eine entscheidende Rolle spielen. Staatsräson war: »Lieber tot als rot.« Kriegsverbrecher, Judenmörder, Gaswagenerfinder standen dementsprechend auf den Lohnlisten von Armee, Sicherheitsbehörden und Justiz.

1990 war der »Endsieg« erreicht, die Einrichtungen blieben. Die vergrößerte Bundesrepublik verzeichnete bei der Zerschlagung Jugoslawiens 1990/1991 einen ersten »Sieg« (Helmut Kohl) und nahm mit Hilfe von SPD und Grünen 1999 an einem illegalen NATO-Luftkrieg teil. Kanzler Gerhard Schröder bezeichnete 2002 die »Enttabuisierung des Militärischen« als eine der wichtigsten Leistungen seiner Amtstätigkeit.

Die flankierende Enttabuisierung des Neofaschismus hatte zu diesem Zeitpunkt längst stattgefunden. Antisemitismus, Neonazismus und Gewalt gegen Ausländer waren in der veröffentlichten Meinung längst zu einem ausschließlichen Erbteil der DDR erklärt worden. Es bedurfte nicht des Todes zweier Neonazis und Bankräuber am 4. November 2011 in Eisenach, um zu der Feststellung zu gelangen: Die deutschen Geheimdienste halten sich mindestens eine neofaschistische Partei, sie haben seit 1990 systematisch Neonazitrupps in Ostdeutschland aufgebaut – nicht zuletzt, um Linke zu bekämpfen, deren Kraft zu absorbieren und ihre Ideen zu tabuisieren. Wenn von etwa 140 Mitgliedern des »Thüringer Heimatschutzes« bis zu 40 kurz- oder langfristig Geheimdienstmitarbeiter waren, dann ist das Bekanntwerden dieser Fakten bemerkenswert, aber höchstens ein kleines Bruchstück der Wahrheit.

Immer noch ist von »Pannen« oder »Wegsehen« der Behörden die Rede. Es handelt sich um Nebelwerfen und Für-Dumm-Verkaufen angesichts der Tatsache, daß der Verteidigungsminister ein halbes Jahr lang seine Kenntnis von der MAD-Akte zu Uwe Mundlos dem Parlament vorenthielt. Die Frage nach einem »tiefen Staat« ist scheinheilig. Es ist der »normale« Staat der Bundesrepublik, der hier so handelt, wie er konzipiert wurde.

Am vergangenen Wochenende fand im sächsischen Freiberg der »Tag der Sachsen« statt. Fast eine halbe Million Besucher wurde gezählt. Im Festumzug am Sonntag nahmen wie im Vorjahr die »Militärfreunde Sachsen« teil. Sie paradierten in Fahrzeugen der Wehrmacht und trugen deren Uniformen. Berichtet wird, daß ein Wegweiser mit der Aufschrift »Moskau« zu sehen war. Fröhliche Enttabuisierung des Faschismus überall.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.09.12

»Bundeswehr: zu teuer und zu gefährlich!« Der »Bundesausschuß Friedensratschlag« nahm am Donnerstag in einer Pressemitteilung zum Verteidigungsetat 2013 Stellung:

Freitag, 14. September 2012 von Huste

Noch vor zwei Jahren versprach das Verteidigungsministerium sich mit 8,3 Milliarden Euro an den Sparmaßnahmen der Bundesregierung beteiligen zu wollen; 8,3 Milliarden sollten bis 2015 eingespart werden. (…) Von Einsparungen spricht heute niemand mehr. Im Gegenteil: Der Verteidigungsetat steigt von Jahr zu Jahr. Im Haushalt 2013 sind Militärausgaben in Rekordhöhe von 33,283 Milliarden Euro vorgesehen, das ist ein Plus von 1,4 Milliarden gegenüber dem laufenden Jahr. Kein anderer Etatposten des Haushalts 2013 kann einen solchen Zuwachs verzeichnen. Hinzu kommt, daß eine Milliarde Euro aus einem anderen Etatposten, der Allgemeinen Finanzverwaltung (EPl 60), bereitgestellt wird, (…). Zugleich soll der Umfang der Streitkräfte weiter reduziert werden; die Planstellen für Soldaten werden um 3000 Stellen, von 209000 auf 206000 verringert. Im Umkehrschluß heißt das: Je kleiner die Bundeswehr (sie soll mittelfristig nur noch mit 185000 Soldaten auskommen), desto teurer wird sie. Oder anders gesagt: Jeder Soldat ist heute dem Steuerzahler rund 166000 Euro wert; vor sieben Jahren waren es nur 116000, also 30 Prozent weniger.

In diesen Zahlen spiegelt sich die Entwicklung der Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einer Interventionsarmee. (…)

Auch die militärischen Beschaffungen bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau von durchschnittlich fünf Milliarden Euro im Jahr (2011: 4,5 Milliarden, 2012: 5,2 Milliarden, 2013: 4,9 Milliarden). Das soll auch so bleiben – Schuldenabbau und Sparhaushalte hin oder her. (…) Die größten Brocken bei den Beschaffungen sind einerseits Waffen und Material, die für die neue Eingreifarmee benötigt werden, also z.B. der Großraumtransporter A 400M, der NATO-Hubschrauber 90, neue Korvetten für die Marine oder der neue Schützenpanzer Puma. Andererseits schleppt die Bundeswehr Kriegsgerät mit sich herum, deren Anschaffung noch dem Bedrohungsszenario des Kalten Kriegs geschuldet war, etwa der Eurofighter, der mit 1,050 Milliarden Euro immer noch den größten Beschaffungsposten im Verteidigungsetat ausmacht.

Der Bundesausschuß Friedensratschlag ist entsetzt über die Leichtfertigkeit, mit der die Regierungskoalition die höchsten Militär- und Rüstungsausgaben in der Geschichte der Bundesrepublik im Bundestag durchdrücken will. Gespart wird woanders. Wir sagen: Wenn die gegenwärtige europäische Finanzkrise wirklich sinnvoll genutzt werden soll, dann muß zuallererst dort gespart werden, wo der Reichtum und wo die Waffen wohnen. Das bedeutet:

– Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan,

– Beendigung der übrigen Auslandseinsätze (die Bundesmarine verplempert z.B. vor dem Libanon 40 Millionen Euro pro Jahr),

– Streichung kostspieliger Rüstungsprojekte, die die Interventionsfähigkeit verbessern sollen und damit dem Grundgesetz widersprechen,

– Rückführung der Bundeswehr auf eine reine Verteidigungsarmee mit der Option, sich selbst überflüssig zu machen, weil es keine reale Bedrohungssituation gibt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.09.12

»Klassenjustiz« gegen Streetworker, Linken-Mitglied kritisiert Kriminalisierung des Protests gegen Wohnungsnot. Von Florian O.

Mittwoch, 12. September 2012 von Huste

In Düsseldorf fand am Mittwoch ein Strafverfahren gegen einen Streetworker der Obdachlosenzeitschrift Fifty-fifty statt. Ihm wurde zur Last gelegt, gemeinsam mit Wohnungslosen im März dieses Jahres eine Pressekonferenz auf dem zentralen Burgplatz durchgeführt und diese nicht ordnungsgemäß angemeldet zu haben. Vor dem Gericht protestierten Dutzende Aktivisten gegen zu hohe Mieten und für ein »Recht auf Stadt«.

Am 18. März hatten Obdachlose zusammen mit Verkäufern des Straßenmagazins ein »Freiluftwohnzimmer« aufgebaut, um auf die Wohnungsnot in Düsseldorf hinzuweisen. Julia von Lindern, Sozialarbeiterin bei Fifty-fifty, erklärte gegenüber jW: »Mitgebracht hatten die Aktiven damals eine Couch, einen Sessel, einen Tisch, eine Stehlampe, einen Teppich und ein Transparent mit der Aufschrift ›Gegen Wohnungsnot‹. Mit dieser Presseaktion wollten sie die städtische Wohnungsbaupolitik kritisieren.« Von Lindern ergänzte: »Düsseldorf muß innovative Ideen für dieses gravierende Problem entwickeln. In Münster werden beispielsweise leerstehende Kirchen in Wohnraum umgewandelt.«

Vor Gericht stand gestern der Streetworker Oliver Ongaro. Im Gespräch mit jW erläuterte er: »Bezahlbarer Wohnraum wird in Düsseldorf immer knapper. Selbst der Ring Deutscher Makler hat schon auf dieses Phänomen hingewiesen. Nach Berechnungen des privaten Eduard-Pestel-Instituts fehlen in der Stadt bereits jetzt rund 6400 bezahlbare Mietwohnungen, Tendenz stark steigend.« Im Gegensatz dazu stünden knapp eine Million Quadratmeter Büroraum leer, so Ongaro. Das Verfahren wurde gegen die Zahlung von 500 Euro eingestellt, das Geld ging an den Verein Armenküche e.V.

Frank Laubenburg, der als fraktionsloses Mitglied der Partei Die Linke im Düsseldorfer Stadtrat sitzt, stellte sich gestern hinter die Aktion und sagte: »Es geht um die Frage ›Wem gehört die Stadt?‹, und es ist kein Wunder, daß gerade der Protest gegen die verfehlte Düsseldorfer Wohnungspolitik auf so absurde Weise kriminalisiert werden soll. Wer kein Geld für hohe Mieten hat, soll doch einfach aus Düsseldorf wegziehen, tönt es seit Monaten immer lauter von CDU und FDP, die mit dem damit verbundenen Bevölkerungswechsel vor allem auf die Sicherung ihrer eigenen politischen Mehrheit setzen. Und wer nicht wegzieht, sondern protestiert, wird eben vor Gericht gestellt. Klassenjustiz ist der Fachbegriff dafür.«

Aktive der Gruppe »See Red!/Interventionistische Linke« beteiligten sich zu Prozeßbeginn an einem erneuten »Freiluftwohnen« mit Frühstück vor dem Düsseldorfer Amtsgericht. Sie wiesen darauf hin, daß in der Stadt bereits jetzt Wohnungen »um bis zu 30 Prozent teurer sind als im Bundesdurchschnitt«. Selbst für die billigsten würde die Kaltmiete in Düsseldorf bei über acht Euro pro Quadratmeter für neue Verträge liegen. Doch auch über die NRW-Landesgrenze hinaus sieht es düster aus. Laut ARD-Magazin »Monitor« fehlen in Deutschland vier Millionen Sozialwohnungen.

Info: www.see-red.org und www.jungewelt.de vom 13.09.12

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