Rund 500 Menschen trafen sich am Wochenende in einem großen Zelt in der Innenstadt von Frankfurt am Main, um sich an den öffentlichen Debatten der antikapitalistischen Blockupy-Bewegung zu beteiligen. Im Mittelpunkt der Aktionsorientierung stand der 14. November. An dem Tag soll es in Griechenland, Spanien und Portugal einen Generalstreik geben. Dieser müsse auch in Deutschland von den Gewerkschaften unterstützt werden, so der Tenor.
»Wir müssen jetzt ein Zeichen setzen, daß Solidarität von unten für ein soziales Europa möglich ist«, sagte Frederico Pinheiro von ATTAC Portugal. Gründe hierfür lägen auf der Hand, verdeutlichte er mit bitterer Ironie: »Am besten sollte jeder eine Bank eröffnen, denn deren Vorstände verzocken Geld in rauhen Mengen. Und wenn sie dann zum Staat gehen und unser Steuergeld wollen, bekommen sie es.« Yannis Bournous von der Linksallianz SYRIZA in Griechenland bekräftigte: »Wir warten auf ein Zeichen aus Deutschland«. Sollte eine Beteiligung am europaweiten Generalstreik hier nicht möglich sein, solle der DGB zumindest zu einem Aktionstag aufrufen. Weitere Aktivistinnen und Aktivisten aus Griechenland, Spanien und Italien forderten dies ebenfalls: Es sei an der Zeit, daß in Deutschland Menschen deutlich machten, mit der Politik der Bundeskanzlerin Merkel nicht einverstanden zu sein, die einzig die Finanzmärkte stärke.
In Griechenland habe sich sogar so etwas wie »ein generelles Deutschland-Feinbild« durchgesetzt, erläuterte Moisis Litsis, Mitglied im Vorstand der griechischen Journalistengewerkschaft ESHEA. Wenn nicht deutlich werde, daß die ungerechte Politik nicht an eine Nation gebunden sei, sondern sich – wie auch der Widerstand dagegen – quer durch ein von reichen Eliten beherrschtes Europa ziehe, könnten vor allem rechte Kräfte davon profitieren. Griechenland habe mit neonazistischen Strömungen zu kämpfen und stelle derzeit eine Art »neuzeitliche Weimarer Republik Europas« dar.
Aitor Girona von Democracia Real Ya aus Spanien forderte auf, an einem europäischen Treffen vom 2. bis 4. November in Madrid teilzunehmen. Shendi Veli vom italienischen Studenten-Netzwerk UniCommons betonte, »den brutalen Attacken des Kapitals auf das soziale Leben in Europa, neue soziale Formen entgegenzusetzen«. Die Italienerin war allerdings erstaunt, von deutschen Aktivisten hören zu müssen, daß auch »im reichen Deutschland der Wohlfahrtsstaat im Untergang begriffen ist«.
Schilderungen der Ärztin Ulrike Kretschmann von verkürzten Liegezeiten der Patienten zum Zweck der Gewinnmaximierung in privatisierten Krankenhäusern, auch »blutige Entlassung« genannt, hatten die europäischen Aktivisten erschüttert. Ähnlich waren Berichte des hessischen Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Jochen Nagel von überfüllten Hörsälen an den Universitäten, entsprechend schlechterer Qualität der Lehre und von den durch das Turbo-Abitur gestreßten Schülern aufgenommen worden. Nagel konstatierte, in Deutschland sei es angesichts dieser Zustände tatsächlich »erschreckend ruhig«, und Gewerkschaften spielten dabei keine glorreiche Rolle.
»Solange die deutschen Gewerkschaften nicht bereit sind, sich zu bewegen, ist nichts zu erreichen«, kritisierte auch der Sozialwissenschaftler Alex Demirovic (Goethe-Universität Frankfurt). Es mangele an einer lebendigen Protestkultur, »weil Menschen für demokratische Partizipation keine Zeit mehr haben, wenn sie zwei oder drei Jobs nebeneinander machen müssen«. Andrej Hunko und Sabine Leidig, beide Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke, sagten zu, die Widerstandskultur Blockupy weiterhin zu unterstützen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 22.10.12
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properti
Blockupy fordert DGB. Antikapitalistische Bewegung ruft Gewerkschaft auf, europäischen Generalstreik am 14. November zu unterstützen. Von Gitta Düperthal, Frankfurt am Main | Wolfgang Huste Blog
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