„Offensichtlich hat Bundesinnenminister Friedrich Angst, dass seine inhaltliche Profillosigkeit ihn nach den nächsten Wahlen den Job kostet. Deshalb setzt er auf ein altes Kernthema der Union: den angeblichen Asylmissbrauch. Damit knüpft er direkt an die Hetze aus den 90er Jahren an“, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. Sie fährt fort:
„Das Gerede von der neuerlichen Flut aussichtsloser Asylanträge, die allein wegen der nun höheren Sozialleistungen für Asylbewerber gestellt würden, ist pure Demagogie. Ein Blick auf die beiden letzten Jahre zeigt: Exakt zum gleichen Zeitpunkt wie in diesem Jahr stiegen die Zahlen der Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien sprunghaft an. Das allerdings auf einem historisch vergleichsweise niedrigen Niveau, von 1016 auf 2435 Anträge. Wenn der Bundesinnenminister in diesem Zusammenhang von einem massiven Zustrom und zunehmendem Asylmissbrauch spricht, hat das mit den vorliegenden Zahlen nichts zu tun. Zudem entspricht die Zunahme ziemlich genau der Entwicklung der letzten beiden Jahre, als um diese Zahlen nicht ein solcher Popanz veranstaltet wurde.
Der Verdacht liegt nahe, dass es dem Innenminister allein um seine Profilierung geht. Er hat keine Antwort auf die steigende Unzufriedenheit der Beamten der Bundespolizei, die angekündigte Reform der Sicherheitsarchitektur ist vollkommen ins Stocken geraten, seine Kampagne gegen die Radikalisierung von Muslimen hat einen öffentlichen Aufschrei der muslimischen Verbände provoziert und mit Blick auf die jahrelange Mordserie von Neofaschisten ist von Herrn Friedrich nichts zu hören und nichts zu sehen. Da kommt das Thema Asylmissbrauch gerade zur rechten Zeit, um sich endlich als Hardliner profilieren zu können.“
Vom 17.10.12
Migrantenorganisationen kritisieren eine neuerliche Welle »rassistischer Hetze« gegen Flüchtlinge. Die Kampagne werde maßgeblich von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seinem niedersächsischen Amtskollegen Uwe Schünemann (CDU) getragen, heißt es in einer gestern veröffentlichten Erklärung. Leidtragende seien vor allem Roma aus Serbien und Mazedonien.
Friedrich hatte in der Bild-Zeitung angekündigt, die Asylverfahren beschleunigen und die Visumpflicht für Serben und Mazedonier rasch wieder einführen zu wollen. Damit reagierte er auf die wachsende Zahl von Asylbewerbern aus diesen beiden Ländern. Friedrich sprach von Asylmißbrauch, weil die Betroffenen wüßten, daß sie kaum Chancen auf Anerkennung in Deutschland hätten. »Da liegt die Vermutung nahe, daß sie eher aus wirtschaftlichen Gründen kommen und nicht, weil sie Schutz vor Verfolgung suchen.«
Auch Schünemann warf Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien Mißbrauch des Asylrechts vor. Bei dieser Gruppe gebe es einen »100prozentigen Mißbrauch des Asylrechts und von Sozialleistungen«, da die Anerkennungsquote null betrage, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag: »Viele sagen bei der Aufnahme ganz offen, daß sie nach Deutschland kommen, weil sie gehört haben, daß es hier jetzt mehr Geld gibt.«
Schünemann meinte wahrheitswidrig, die Aufnahmelager in ganz Deutschland seien bereits jetzt überfüllt. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, daß die Asylverfahren bei offensichtlichem Mißbrauch innerhalb von 30 Tagen gerichtsfest abgeschlossen würden.
Offensichtlicher Mißbrauch? Ende August stellte die EU-Kommission in ihrem dritten Bericht zur Visa-Liberalisierung erneut fest, daß die Roma in allen Balkanstaaten einer umfassenden Diskriminierung ausgesetzt sind, die sie an der Ausübung grundlegender Rechte wie beispielsweise dem Zugang zu Bildung und Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsmarkt hindert.
Nach Aussagen der serbischen Regierung leben etwa 60 Prozent der geschätzten 450 000 Roma in Serbien in unsicheren und unhygienischen Lebensverhältnissen. 30 Prozent haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 70 Prozent keinen Zugang zur Kanalisation. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hielt in ihrem jüngsten Länderbericht zu Serbien fest, daß die Mehrheit aller Roma von Gelegenheitsjobs wie beispielsweise dem Sammeln von Altmetall lebt und daß kaum Roma in staatlichen Betrieben beschäftigt sind.
Auch in Mazedonien sind Roma nach Angaben der Flüchtlingsorganisationen einer »allumfassenden Diskriminierung« ausgesetzt. Sie lebten oft in abgeschiedenen Siedlungen, wo sie keinen oder nur beschränkten Zugang zu grundlegenden Diensten hätten. 70 Prozent aller Roma in Mazedonien seien arbeitslos.
Es sei demnach »abfällig, wenn Asylanträge von Roma von vornherein als unbegründet bewertet werden«, heißt es in der Erklärung weiter. Laut Handbuch des UN-Flüchtlingswerks könne Diskriminierung durchaus als Fluchtgrund gewertet werden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sie dazu führe, daß eine Person nur begrenzt in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. »Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien dürfen nicht vom Recht auf Asyl ausgeschlossen werden. Sie haben ein Recht auf eine Einzelfallprüfung, innerhalb derer die rassistische Diskriminierung in ihren Heimatländern in angemessener Weise zu berücksichtigen ist.«
Auch Grünen-Chefin Claudia Roth übte gestern Kritik an Friedrich und Schünemann. »Während die Europäische Union als Raum des Friedens, der Demokratie und des Rechts mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird, ist der deutsche Innenminister damit beschäftigt, neue Mauern hochzuziehen«, sagte sie. Das Schicksal von Roma in Serbien und Mazedonien gehe aber alle an.
Quelle: www.jungewelt.de vom 16.10.12
Erheblicher Kaufkrafteinbruch bei Rentnern seit der Jahrtausendwende. Linke fordert Rentenangleichung
Die Debatte um eine drohende Altersarmut ist von der Realität längst eingeholt worden. Seit der Jahrtausendwende haben die Rentner in Deutschland etwa ein Fünftel ihrer Kaufkraft verloren. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor, aus der die Thüringer Allgemeine am Wochenende zitierte. Demnach sank die Kaufkraft der Rentner im Osten um knapp 22 Prozent, im Westen um rund 17 Prozent. Die durchschnittlichen Auszahlungen an die Rentner nach Abzug aller Sozialbeiträge lagen den Angaben zufolge in den alten Bundesländern zuletzt bei 1062 Euro und in den neuen Ländern bei 1047 Euro. Damit stiegen die Auszahlbeträge absolut in den alten Ländern seit 2000 um 17 Euro, während sie im Osten um 23 Euro sanken. Gleichzeitig stiegen seitdem die Verbraucherpreise aber um etwa 20 Prozent. Dies erklärt den großen Kaufkraftverlust von 17 beziehungsweise 22 Prozent.
Linken-Parteichef Bernd Riexinger forderte in der Thüringer Allgemeinen, die »Abwärtsspirale bei den Renten« aufzuhalten. »Vor allem im Osten droht eine Lawine der Altersarmut«, sagte er der Zeitung. Die Renteneinheit müsse schrittweise bis 2017 kommen. Dieser Forderung schloß sich der Vorsitzende der Linksfraktion im brandenburgischen Landtag, Christian Görke, am Sonntag an. Görke plädierte dafür, daß Brandenburg eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel der Anpassung der Ostrenten startet. Um der Altersarmut in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen entgegenzuwirken, müsse zudem die von der einstigen rot-grünen Bundesregierung beschlossene Senkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis zum Jahr 2030 gestoppt werden.
(AFP/dapd/jW)
Quelle: www.jungewelt.de vom 15.10.12
Teilnahme von EU-Mitgliedsstaaten an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, Militarisierung der Außenpolitik und Pflicht zur Aufrüstung laut EU-Vertrag – das norwegische Nobelpreiskomitee ist der Auffassung, das müsse mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden und sprach ihn am Freitag der Europäischen Union zu. Das vom damaligen deutschen Oberst und zukünftigen General Georg Klein 2009 im Afghanistan-Krieg befohlene Bombardement, bei dem etwa 140 Einheimische ums Leben kamen, hat damit endlich eine angemessene Würdigung gefunden. Denn in seiner Begründung formuliert das Osloer Komitee: »Die EU und ihre Vorgänger tragen seit mehr als sechs Jahrzehnten zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa bei.« Wer vor solchem Hintergrund Krieg in und gegen Staaten außerhalb Europas führt, muß geehrt werden.
Das sehen auch die Repräsentanten der EU und ihrer Mitgliedsstaaten so. Sie feierten sich am Freitag ausgiebig selbst, und die Nachrichtenagentur dapd meldete: »Quer durch Europa wurde die Auszeichnung begrüßt.« Der Satz ignoriert kritische Stimmen ebenso souverän wie das Nobelpreiskomitee die eigenen Richtlinien, die im Testament von Alfred Nobel festgelegt sind. Danach soll der Preis an jenen gehen, »der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt« hat.
Allein nach dem EU-Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2007 ist aber jedes Mitgliedsland verpflichtet, »seine Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) intensiver zu entwickeln.«
Auf diesen Zusammenhang wiesen mehrere Politiker der deutschen Linkspartei hin, die sich am Freitag zu der Preiszuerkennung äußerten. Der europapolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Diether Dehm erklärte, er habe mit großer Freude, Genugtuung und Zuversicht die Nachricht aufgenommen, daß die EU für die völkerrechtswidrigen Kriegseinsätze von Mitgliedstaaten gegen Jugoslawien und Libyen und für den Militarismus, die Battlegroups und den Lissabon-Vertrag den Friedensnobelpreis bekommen hat.« Das Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses, die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen, kommentierte: »Ganz nach dem Motto ›Krieg ist Frieden‹ des Romans ›1984‹ trägt die Preisverleihung Orwellsche Züge.« Sie fügte hinzu: »Statt Whistleblower wie Bradley Manning und Julian Assange stellvertretend für Tausende Menschen, die unerschrocken für den Frieden eintreten und dafür verfolgt werden, auszuzeichnen, setzt das Nobelpreiskomitee die Tendenz fort, seinen Friedenspreis an Protagonisten der vorherrschenden und mit Krieg durchsetzten Weltordnung zu verleihen.« Die abrüstungspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion Inge Höger formulierte: »Nach dem Friedensnobelpreis für Obama, der sein Land immer tiefer in den Krieg gegen Afghanistan und den Drohnenkrieg gegen Pakistan gezerrt hat, erscheint die Verleihung des Friedenspreises in einem Orwellschen Sinne beinahe konsequent.« Als nächste Steigerung bliebe nur noch der Nobelpreis für die NATO.
Eigenbericht der jw
Quelle: www.jungewelt.de vom 13.10.12
Am Dresdner Amtsgericht begann am Mittwoch der Prozeß gegen den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag André Hahn (jW berichtete). Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als damaliger Fraktionsvorsitzender am 13. Februar 2010 eine »Blockade« gegen einen genehmigten Aufmarsch von Rechtsextremen in Dresden als »Rädelsführer« mitorganisiert zu haben. Die »Sprengung einer Versammlung« ist ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und kann in Sachsen mit einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet werden. Die Verhandlung wurde nach zwei Stunden auf den 23. Oktober vertagt.
Verteidiger Klaus Bartl forderte u.a., das Verfahren auszusetzen. Er verlangte, daß zunächst ein Verfassungsgericht die Rechtsgrundlage für das Verfahren klärt. Der Hintergrund: Im April 2011 erklärte der sächsische Verfassungsgerichtshof rückwirkend das Versammlungsgesetz des Bundeslandes aus formellen Gründen für verfassungswidrig und nichtig. Im Januar 2010 hatte die in Sachsen regierende Koalition aus CDU und FDP das Gesetz verschärft, ohne ausreichend das Parlament zu beteiligen. Damit gab es nach Ansicht der Verteidigung im Februar 2010 kein gültiges Versammlungsgesetz. Oberstaatsanwalt Jürgen Schär erklärte dazu, daß in dem fraglichen Zeitraum das Versammlungsrecht des Bundes gegolten habe. Diesem zufolge stehen auf Blockaden genehmigter Versammlungen bis zu drei Jahre Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hat für Hahn 3000 Euro Geldstrafe beantragt.
Die Anklagebehörde ermittelt nicht nur gegen Hahn, sondern auch gegen den Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow und die beiden Fraktionsvorsitzenden der Linken im Hessischen Landtag, Janine Wissler und Willi van Ooyen. Sie hatten ebenfalls an der Gegendemonstration 2010 teilgenommen.
Der sächsische Linken-Parteichef Rico Gebhardt forderte im Vorfeld des Prozesses, das Verfahren gegen Hahn ganz einzustellen. »Die Unterstellung der Dresdner Staatsanwaltschaft, daß vier Fraktionsvorsitzende der Linken, allen voran der damalige Vorsitzende unserer Fraktion, André Hahn, dafür gesorgt haben, daß erstmals der europaweit größte Naziaufmarsch in Dresden nicht stattfinden konnte, ist für uns eine große Ehre«, erklärte Gebhardt. »Dennoch werden wir nicht der Versuchung erliegen, diese Behauptung für wahr zu halten.«
Das »Bündnis Dresden nazifrei« hat mit Blick auf den Februar 2013 für den heutigen Freitag und den morgigen Sonnabend zu einer »Aktivierungskonferenz« eingeladen. (jW)
Info zur Konferenz im Internet: dresden-nazifrei.com
Quelle: www.jungewelt.de vom 12.10.12
Bernd Riexinger, Kovorsitzender der Partei Die Linke, hat sich als der personifizierte »innere Feind« zu erkennen gegeben. Weil er in Athen an der Demonstration gegen Merkels Spardiktat teilgenommen hatte, bezeichnete ihn der Schwarzwälder Bote als »vaterlandslosen Gesellen im Ausland«, der sich »vor den Karren griechischer Wirklichkeitsverweigerung und Selbstmitleids« habe spannen lassen. Es sei »beispiellos und empörend«, daß der Vorsitzende einer im Bundestag vertretenen Partei die »antideutschen Proteste in Athen als Bühne nutzt, um Politik gegen die Interessen des eigenen Landes zu machen«, ereiferte sich die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Als wäre Riexinger im schwarzen Block marschiert, warf ihm FDP-Generalsekretär Döring vor, gewalttätige Eskalationen billigend in Kauf genommen zu haben.
Ein auf dem neoliberalen Konsens beruhender nationaler Schulterschluß aller Bundestagsparteien wird im herrschenden Politikbetrieb offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt. Deutsche Politiker, die das von der EU auf Merkels Geheiß über Griechenland verhängte Kürzungsdiktat ablehnen und sich mit der zum Aderlaß befohlenen griechischen Bevölkerung solidarisch erklären, handeln demnach gegen die Interessen des eigenen Landes. Das nennt man gemeinhin Landesverrat.
Bei allem Patriotismus werden die Eliten und meinungsführenden Medien in Deutschland nicht müde, »mehr Europa« zu fordern. Immer mehr nationale Kompetenzen sollen an Brüssel abgetreten werden. Deutschland wähnt sich als führende Kraft der europäischen Einigung und des nationalen Souveränitätsverzichts. Da hört sich das Gezeter über vaterlandslose Gesellen dann doch etwas anachronistisch an. Doch die beiden Haltungen – »Europagläubigkeit auf der einen, deutschnationale Borniertheit auf der anderen Seite« – schließen einander keineswegs aus. Mehr Europa heißt für das deutsche Kapital die Überwindung nationalstaatlicher Beschränkungen, die sich aus parlamentarischer Demokratie und Sozialstaatlichkeit ergeben. Mehr Europa bedeutet aber auch die Expansion deutscher politischer und ökonomischer Macht über die nationalen Grenzen hinaus. Zwei der drei Troika-Verantwortlichen in Athen sind Deutsche mit direktem Draht zum Kanzleramt. Die brachiale Umsetzung des Belastungspakets in Griechenland ist als Exempel für das neoliberale Durchregieren gedacht.
Der Linken-Vorsitzende hat seine Teilnahme an der Anti-Merkel-Demonstration mit der Verteidigung der Interessen deutscher Steuerzahler begründet. Es dürfte ihm dabei weniger um die Zurückweisung des primitiven Landesverratsvorwurfes gegangen sein als darum, den Zusammenhang von neoliberalen Zumutungen im eigenen Land und der nationalen Unterwerfung der Peripherie aufzuzeigen. Es gilt freilich auch von der Illusion Abschied zu nehmen, daß die hierarchische Konstruktion der EU demokratisch veränderbar wäre.
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.10.12
Zehntausende Menschen sind am Sonntag abend (Ortszeit) in das Stadtzentrum der venezolanischen Hauptstadt Caracas geströmt, um den Sieg ihres Präsidenten Hugo Chávez zu feiern. Kurz zuvor hatte der Nationale Wahlrat (CNE), die oberste Wahlbehörde des südamerikanischen Landes, nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen, das erste offizielle Ergebnis der Präsidentschaftswahl bekanntgegeben. Bei einer Rekordbeteiligung von über 80 Prozent wählten demnach 54,42 Prozent der Wähler (7444062 Stimmen) den Amtsinhaber. Herausforderer Henrique Capriles Radonski kam auf 6151544 Stimmen (44,97 Prozent) und erkannte wenig später seine Niederlage an. In mindestens 20 der 24 Bundesstaaten Venezuelas konnte sich Chávez durchsetzen. Nach Auszählung von 98 Prozent der Wählerstimmen kam Chávez sogar auf 55 Prozent.
Von einem Balkon des Präsidentenpalastes aus begrüßte Chávez die Haltung der Opposition, die das Ergebnis anerkannt hatte. »Ich reiche euch diese beiden Hände und dieses Herz, denn wir alle sind Geschwister im Heimatland Bolívars«, erklärte der Wahlsieger. Mehr als acht Millionen Menschen, so der Staatschef mit Blick auf die endgültigen Zahlen, hätten für die Revolution, den Sozialismus und ein großartiges Venezuela gestimmt. »Heute haben wir demonstriert, daß unsere Demokratie eine der besten Demokratien der Welt ist, und das werden wir auch weiterhin beweisen«, rief er den jubelnden Menschen zu. Die Entscheidung des venezolanischen Volkes garantiere die Fortsetzung des von ihm geführten sozialistischen Projekts, dessen Ziel »das größtmögliche Glück für das Volk« sei. »Es wird keine imperialistische Kraft geben, so groß sie auch sein mag, die es mit dem Volk von Simón Bolívar aufnehmen kann.« Venezuela werde niemals in den Neoliberalismus zurückgeworfen werden, sondern weiter den Bolivarischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts aufbauen.
Der Wahltag hatte in Venezuela bereits früh um drei Uhr morgens begonnen. Lautstark schmetterten Lautsprecherwagen, Blasorchester oder Stereoanlagen in Fenstern Fanfaren in die dunkle Nacht hinaus. Diese »Toque de Diana« ist das traditionelle Signal für die Chavisten, möglichst früh zur Wahl zu gehen. Tatsächlich bildeten sich kurz darauf schon lange Schlangen vor den Wahllokalen, die um sechs Uhr morgens öffneten. Sowohl Regierungsanhänger als auch Oppositionelle strömten zu ihren Abstimmungsstätten, denn auch letztere waren dank entsprechender Berichterstattung der großen Massenmedien im In- und Ausland von ihrem Sieg überzeugt. Bereits gegen Mittag hatten etwa im größten Wahllokal des Landes, dem Liceo Andrés Bello im Zentrum von Caracas mit 14000 Wahlberechtigten, rund 75 Prozent ihre Stimme abgegeben, wie ein Sprecher des dortigen Wahlvorstands gegenüber junge Welt berichtete.
Alle staatlichen Stellen hoben den weitgehend störungsfreien Verlauf des Tages hervor. Auch unter den Jubelnden war die Erleichterung spürbar. Schon am frühen Nachmittag zogen Konvois von Motorradfahrern und Autos mit roten Fahnen und Hupkonzerten ihre Runden durch die Innenstadt. Viele hatten im Vorfeld befürchtet, daß die Opposition mit Manipulationsvorwürfen für Unruhen sorgen könnte. »Die wollen Krieg, es wird knallen«, hatten Chávez-Anhänger noch am Samstag gegenüber jW gewarnt.
Am späten Abend wurden dann die Gesichter der Oppositionsvertreter im Fernsehen immer länger, während Jorge Rodríguez, der Chef von Chávez’ Wahlkampfstab, sich ein breites Grinsen nicht verkneifen konnte und bereits Stunden vor den ersten offiziellen Zahlen von einem »historischen Tag« sprach. Ab etwa 20 Uhr Ortszeit verdichteten sich die Hinweise auf den Ausgang der Abstimmung, wie jW im Online Spezial exklusiv berichten konnte. Am Präsidentenpalast wurde eine Bühne aufgebaut. In der Umgebung sammelten sich da schon die ersten Feiernden. Und als dann CNE-Chefin Tibisay Lucena das offizielle Ergebnis bekanntgab, kannte der Jubel keine Grenzen mehr.
Zu den ersten Gratulanten Chávez’ gehörten Kubas Präsident Raúl Castro, Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández und Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos. Demgegenüber hatte die deutsche Bundesregierung vor dem Wahltag eine Reisewarnung für Venezuela ausgesprochen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.10.12
„DIE LINKE gratuliert dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez zu seiner überzeugenden Wiederwahl. Der Verlauf des Wahltages und die hohe Wahlbeteiligung zeigen, dass in Venezuela demokratische Verhältnisse herrschen“, erklärt die entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Heike Hänsel. Hänsel weiter:
„Die vielfältigen Versuche der Medien in Venezuela wie im Ausland, Präsident Chávez als Diktator zu verunglimpfen und einen möglichen Wahlbetrug herbeizureden, sind gescheitert. Trotz massiver Unterstützung der Opposition aus dem Ausland, auch durch parteinahe politische Stiftungen in Deutschland, konnte Hugo Chávez mit 54,42 Prozent deutlich mehr Wähler und Wählerinnen mobilisieren als sein Kontrahent mit 44,97 Prozent. Die Bevölkerung hat ihre breite Unterstützung für den sozialen Wandel, der unter der Regierung Chavez eingeleitet wurde, zum Ausdruck gebracht.
DIE LINKE begleitet diesen Prozess, der bereits zu einem deutlichen Rückgang der Armut und einem besseren Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung für die früher marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Venezuela geführt hat, mit viel Sympathie. Die Ansätze einer regionalen Integration in Südamerika, wie ALBA, haben auf internationaler Ebene neue Perspektiven des solidarischen Handels und der Stärkung von Süd-Süd-Kooperationen eröffnet, die beispielgebend für andere Regionen und fortschrittliche Kräfte weltweit sind.“
In der vergangenen Woche litten vor allem in Ostdeutschland und dem Raum Berlin über 10000 Kinder und Jugendliche unter Brechdurchfall. Nun ist eine Diskussion über die Qualität der Verpflegung in Kindergärten und Schulen entbrannt. Ausgelöst worden war die Krankheitswelle nach derzeitigen Informationen offenbar durch Tiefkühlerdbeeren, die aus China stammten.
Als Konsequenz aus den Vorfällen spricht sich nicht nur die Linksfraktion im Bundestag für die gezielte Förderung regionaler und saisonaler Versorgungskreisläufe für das Schul- und Kitaessen aus. Auch die Berliner Senatsverwaltung für Verbraucherschutz forderte am Wochenende, auf Lebensmittel, die nicht der Saison entsprechen, für Schulessen zu verzichten. »Erdbeeren Ende September müssen wirklich nicht sein«, stellte Berlins Verbraucherschutzstaatssekretärin Sabine Toepfer-Kataw (CDU) klar.
Widerspruch erntete die Staatssekretärin von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), die sich dagegen aussprach, für Schulessen nur noch saisonale Lebensmittel zu nutzen. »Wir werben für regionale und saisonale Produkte, aber auch bei Lebensmitteln aus dem Ausland muß sich der Verbraucher jederzeit darauf verlassen können, daß sie sicher sind und von hoher Qualität«, sagte Aigner der Welt am Sonntag.
Kritik am System der Schul- und Kitaverpflegung übten am Wochenende außerdem mehrere Experten. So kam die Hamburger Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Arens-Azevêdo in einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Studie über die ökonomischen Zwänge der Schulverpflegung zu dem Schluß, die Essenspreise seien in einigen Bundesländern so niedrig angesetzt, daß die Einhaltung von Ernährungsstandards nicht gewährleistet werden könne. So werde ein Schulessen in Bayern etwa für 4,20 Euro pro Portion ausgeschrieben. Hingegen würden in Hamburg 3,50 Euro veranschlagt, während in Berlin 2,10 Euro und in Thüringen sogar nur 1,90 Euro pro Portion veranschlagt werden, womit die Einhaltung grundlegender Standards bei Schulverpflegung kaum zu gewährleisten sei.
Dem pflichtete auch der Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt von der Hochschule Niederrhein bei. »Mit 4,50 Euro wäre nach unseren Berechnungen aber eine vollwertige warme Mahlzeit für Kinder und Jugendliche machbar – alle Kosten eingeschlossen«, konstatierte er in einem Interview mit den Dresdner Neuesten Nachrichten.
Ausgelöst worden war die Krankheitswelle nach derzeitigen Informationen durch aus China importierte tiefgekühlte Erdbeeren. Ob die Früchte mit dem leicht übertragbaren Norovirus infiziert waren, gilt derzeit noch nicht als endgültig gesichert. »Die Untersuchungen laufen weiter«, sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am Wochenende. Mit endgültigen Ergebnissen rechne die Behörde jedoch erst im Laufe dieser Woche, da die Analyse der Früchte sehr komplex sei.
Während der Nachweis von Noroviren bei den Erdbeeren noch nicht erbracht ist, ist indes mittlerweile klar, daß der Brechdurchfall bei den meisten Schülern und Kindern auf die leicht übertragbare Infektion zurückzuführen ist. So waren die Viren bei Überprüfungen der Landeslabore beim Gros der Patienten nachgewiesen worden.
Quelle: www.jungewelt.de vom 08.10.12
Berlin (ots) – Das weitere Erscheinen der überregionalen Tageszeitung junge Welt ist nicht mehr gesichert. Mit einem Offenen Brief an ihre Leserinnen und Leser schildern die Mitarbeitenden der Zeitung in der Samstagausgabe der Zeitung (jW vom 6.10.12) die Lage. Danach hat sich allein in diesem Jahr bis August ein Fehlbetrag von über 100.000 Euro angesammelt. Der Verlust wäre deutlich höher, wenn die Mitarbeitenden nicht schon seit Jahren auf eine angemessene Bezahlung verzichten würden. Schwierigkeiten bereiten Verlag und Redaktion auch juristische „Angriffe von staatlichen Stellen, Einzelpersonen und politischen Organisationen“, wie es in dem Schreiben heißt. Mittel für notwendige Investitionen stünden nicht mehr zur Verfügung. „Sparmaßnahmen sind nicht möglich, ohne die journalistische Qualität zu beeinträchtigen und kommen deshalb nicht in Frage“, erklärte Chefredakteur Arnold Schölzel. „Die Zeitung ist nur noch zu retten, wenn ausreichend zusätzliche Abonnenten gefunden werden können. Dazu müßte allerdings in den nächsten 10 Wochen einiges bewegt werden“, teilte jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder am Freitag in Berlin mit.
Die Tageszeitung junge Welt wurde 1947 gegründet, war Zentralorgan der FDJ (Freie Deutsche Jugend) und auflagenstärkste Tageszeitung der DDR. Nachdem die Zeitung 1995 eingestellt wurde, organisierte kurz darauf ein Teil der Redaktion die weitere Herausgabe der Zeitung, bis diese Funktion 1998 der neue Mehrheitseigentümer des Verlages, die Genossenschaft LPG junge Welt eG, übernahm. Keiner Partei oder Organisation gehörend, versteht sich die Zeitung als einzige unabhängige linke, marxistische Tageszeitung in Deutschland und wird deshalb alljährlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz in dessen Bericht mit einer täglichen Auflage von 17.000 Exemplaren als „das bedeutendste Printmedium“ der radikalen Linken in Deutschland bezeichnet. Aufsehen erregt die Zeitung auch mit ihrer jährlich im Januar stattfindenden Interntionalen Rosa-Luxemburg-Konferenz und mit Veranstaltungen in der eigenen Ladengalerie. Im September 2012 erklärte sie der Deutsche Journalistenverband (DJV) als Sieger einer bundesweiten Erhebung zur journalistischen Sorgfalt in der Bildarbeit unter 122 regionalen und überregionalen Tageszeitungen. Ausgezeichnet für ihre Berichterstattung wurde junge Welt unter anderem von der Erich-Mühsam-Gesellschaft in Lübeck und vom Bundesverband Christlicher Demokraten gegen Atomkraft.
Weitere Informationen:
– Offener Brief der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
Tageszeitung junge Welt an ihre Leserinnen und Leser auf Anfrage
– Chefredakteur Arnold Schölzel und Geschäftsführer Dietmar
Koschmieder sind für Nachfragen erreichbar
Quelle:
junge Welt
Redaktionssekretariat
Telefon: 030 / 53 63 55-0
rj@jungewelt.de