Die Bochumer Opel-Belegschaft hat eine erste Warnung an das Management geschickt. Am Freitag protestierten gut 1000 Beschäftigte während der Pause gegen die Schließung der Getriebefertigung und die geplante Entlassung von 300 dort eingesetzten Arbeitern. Den Aufruf zu der Aktion hatte der in Fraktionen gespaltene Betriebsrat zuvor einstimmig beschlossen, nachdem das Unternehmen am Dienstag die Einigungsstelle angerufen hatte, um die Kündigungen durchzusetzen. Betriebsratschef Rainer Einenkel sieht in den Plänen einen Verstoß gegen Tarifverträge und Vereinbarungen. Formal hat die Opel-Spitze allerdings trotz der im Konzern bestehenden „Beschäftigungssicherung“ die Möglichkeit, betriebsbedingte Kündigungen gegen die Arbeiter in der Bochumer Getriebeproduktion auszusprechen.
Eigentlich gilt für die rund 22000 Opelaner bis Ende 2016 ein Ausschluß von Entlassungen. So steht es in einem kürzlich zwischen IG Metall und Unternehmensleitung ausgehandelten Vertrag, der im Gegenzug die Stundung der Tariferhöhung von 4,3 Prozent seit Anfang November vorsieht. Die Vereinbarung schreibt die im 2010 geschlossenen „Master Agreement“ enthaltene Beschäftigungssicherung fort, die ursprünglich bis Ende 2014 gelten sollte – wofür die Belegschaften der vier deutschen Werke auf jährlich insgesamt 176,8 Millionen Euro verzichteten. Die Crux an der Sache: Erst nach dem Abschluß der seinerzeit geplanten „Personalreduzierungen“ sollte der Ausschluß von Kündigungen wirksam werden.
Teil der „Restrukturierung“ sollte aber ursprünglich die Schließung der Bochumer Getriebefertigung sein. Diese erstmals bereits für Sommer 2009 geplante Maßnahme wurde mehrfach verschoben – weniger wegen des Verhandlungsgeschicks des Betriebsrats als vielmehr wegen der großen Nachfrage aus anderen Autofabriken des Mutterkonzerns General Motors (GM). Deshalb sind die Arbeiter der Bochumer Getriebeproduktion vom Kündigungsschutz nicht erfaßt. In einer 2011 am Standort Bochum geschlossenen Betriebsvereinbarung heißt es zwar, ein durch die geplante Stillegung der Getriebefertigung entstehender „Personalüberhang“ solle möglichst durch das „freiwillige“ Ausscheiden von Beschäftigten über Abfindungen abgebaut werden. Geschieht dies nicht, sind allerdings auch Entlassungen möglich. Nach Anrufung durch eine der Parteien muß die Einigungsstelle der genannten Vereinbarung zufolge binnen zwei Wochen zusammentreten. Dann wird nicht mehr darüber verhandelt, ob, sondern unter welchen Bedingungen die Betroffenen das Unternehmen verlassen müssen.
Bei der Pausenkundgebung am Freitag nannte Betriebsratschef Einenkel das Vorgehen des Managements einen „Frontalangriff auf die Belegschaft“. Die Beschäftigtenvertretung könne das Zusammentreten der Einigungsstelle zwar nicht verhindern, eine Schließung des Bochumer Werks werde sie aber nicht akzeptieren. Das Anrufen der Einigungsstelle bewertete Einenkel als Versuch, das Werk II, in dem Getriebe und Achsen produziert werden, „schließungsfähig zu machen“. „Das könnte eine Generalprobe für das Werk I sein“, sagte er mit Bezug auf das Hauptwerk in Bochum-Lehr, in dem vor allem der Familien-Van Zafira vom Band läuft. Die Opel-Spitze hat mehrfach angekündigt, den Zafira nach Auslaufen der aktuellen Modellgeneration 2016 in Bochum nicht weiter zu produzieren. Damit wäre das Ende der seit 1962 bestehenden Ruhrgebietsfabrik besiegelt.
Doch kampflos wird das sicher nicht geschehen. Das machten die Bochumer Arbeiter beim Pausenprotest am Freitag deutlich. Einenkel betonte, die Aktion sei nur eine erste Warnung. „Wir kšnnen auch anders.“ Das hat die Belegschaft in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen, zuletzt im Oktober 2004, als sie sechs Tage lang die Produktion lahmlegte. Wie groß der Respekt der Spitzenmanager vor den Bochumer Opelanern ist, zeigt ein Vorfall vom Freitag. Eigentlich war an diesem Tag ein Besuch des Opel-Chefs Thomas Sedran in Bochum geplant, den dieser „aus terminlichen Gründen“ kurzfristig absagte. Womöglich wollte sich der Manager dem Unmut der Belegschaft lieber doch nicht aussetzen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 03.12.12
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