Wolfgang Huste Polit- Blog

Ohne Zweifel für Zschäpe. Beschuldigte im NSU-Prozeß erhält Hafterleichterung. Gericht erklärt »Nationalsozialistischen Untergrund« für aufgelöst. Anwälte ziehen Einspruch gegen Anklage zurück

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Ein großer Sieg im Kampf gegen den Terror: Der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) existiert nicht mehr. Die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes (GBA) gegen die Neonaziterroristen, die mutmaßlich zehn Menschen ermordet haben, würden nahelegen, daß der NSU »seit dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aufgelöst ist«, verkündete das Oberlandesgericht (OLG) München am Mittwoch zu einem Beschluß vom 7. Januar. Daher sei nicht mehr zu befürchten, daß sich die Angeschuldigte Beate Zschäpe »aus der Haft heraus zugunsten dieser Gruppierung einsetzt«. Für Zschäpe bedeutet dies, künftig ohne Trennscheibe ihre Anwälte empfangen zu dürfen. Auch ihre Verteidigerpost unterliegt nun keiner inhaltlichen Kontrolle mehr.

Die Rechtsanwälte Zschäpes, Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, haben am Mittwoch abend, kurz vor jW-Redaktionsschluß, ihre ursprüngliche Forderung einer »Nachbesserung« des Anklageentwurfs wieder zurückgezogen. Es gebe keinen einzigen Ermittlungsbeleg, der Zschäpe einen »wesentlichen Tatbeitrag« an den zehn dem NSU zugerechneten Morden und den beiden Bombenanschlägen in Köln nachweise, hieß es in dem 22seitigen Papier, das die Verteidiger kurz vor Ablauf der Äußerungsfrist im Zwischenverfahren am 7. Januar beim OLG eingereicht hatten. Mundlos und Böhnhardt hätten die Taten auch ohne Hilfe Zschäpes begehen können, argumentierten die Anwälte zunächst. Außerdem zweifelten sie ursprünglich auch an der Argumentation des GBA, nach der eine Zeugenaussage die Anwesenheit Zschäpes an einem Tatort in Nürnberg belege: Die fragliche Beobachterin habe sich lediglich an eine Person erinnert, die der Hauptdarstellerin der US-Fernsehserie »Roseanne« ähnele. Ebenfalls zurückgezogen haben die Verteidiger eine formale Rüge, nach der in der Anklageschrift nicht genügend differenziert worden sei, ob Zschäpe als Mitbegründerin oder als einfaches Mitglied einer terroristischen Vereinigung angeklagt werden solle. Für eine Stellungnahme waren die Anwälte am Mittwoch abend nicht zu erreichen.

Fragwürdig ist, daß das Gericht bereits jetzt eine mögliche Weiterbetätigung des NSU ausschließt: Zu eruieren, ob Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Einzeltäter waren, müßte Aufgabe des Prozesses selbst sein. Zumal es nicht an Belegen mangelt, daß die NSU-Mitglieder Verbündete in vielen Orten hatten, in denen es zu Anschlägen kam. Diese Strukturen, wie auch das gewaltbereite und im Untergrund operierende Netzwerk »Blood&Honour« existieren nach wie vor. Als »eine weitere Demütigung für die Hinterbliebenen der zehn Mordopfer« bezeichnete Sevim Dagdelen, Abgeordnete der Linken im Bundestag, den Beschluß. Das OLG »verharmlose die Struktur des NSU«, indem es die Neonazis zu »fanatischen Einzeltätern« erkläre.

Nicht die peinlich genaue Einhaltung rechtsstaatlicher Normen auch bei mutmaßlichen Rechtsterroristen ist problematisch – die Janusköpfigkeit der deutschen Justiz zeigt sich in der Ungleichbehandlung von Beschuldigten. Die Instrumentarien, um deren Anwendung im Zschäpe-Prozeß gerungen wird, sind einst gegen die Angeklagten der RAF in Stellung gebracht worden; bei ihren Prozessen nahm sich der Rechtsstaat selbst nicht allzu ernst. Justitia ist eben nicht mit Blindheit, sondern mit Einäugigkeit geschlagen: Linke, die sich mit dem Staat anlegen, haben kein Pardon zu erwarten; sie wurden und werden nicht als Straftäter verfolgt, sondern als Feinde gejagt. Rechte hingegen, selbst wenn sie schwerste Verbrechen begangen haben, gelten hierzulande als resozialisierbar. Denn bei ihnen ist der Unterschied zwischen legal und illegal äußerst gering: Es ist der zwischen dem Anzünden von Asylbewerberheimen und dem Erlassen von Asylgesetzen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.01.13

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 10. Januar 2013 um 14:12 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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