Drei Tage vor der Niedersachsenwahl hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück seine politische Wundertüte geöffnet und die Forderung nach Begrenzung der Dispozinsen herausgezogen. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
Steinbrück kann froh sein, daß es in der Politik kein Copyright gibt – wir fordern seit langem ein Ende dieses Zinswuchers und haben mehrfach Anträge dazu in den Bundestag eingebracht. Anträge, die leider von der SPD immer abgelehnt wurden – ebenso in diversen Landtagen. Natürlich freut es uns, wenn sich die Sozialdemokraten in dieser Frage endlich bewegen. Wir hoffen nur, es ist mehr als ein Wahlkampfscherz eines mit miesen Umfragewerten kämpfenden Kanzlerkandidaten.Hat die SPD nicht schon öfter politische Vorstöße der Linkspartei blockiert, um später genau dieselben Forderungen als eigene Initiative auszugeben?
Ja, das scheint Strategie zu sein. Vor wenigen Wochen hatten wir z.B. die Debatte darüber angestoßen, daß Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, die Lizenz entzogen gehört – inzwischen ist auch diese Idee bei Steinbrück angekommen.
Wir können auch weiter in die Vergangenheit zurückgehen: Die Linke hat als erste Partei den Mindestlohn gefordert, damals hätte es im Bundestag eine Mehrheit gegeben, aber die SPD zog nicht mit. Als wir die Einführung einer Finanztransaktionssteuer forderten, wurde das vom damaligen Bundesfinanzminister Steinbrück als grober Unfug zurückgewiesen – heute ist es SPD-Position. An sich ist es ja erfreulich, wenn sich andere unseren Positionen nähern. Wenn es nur glaubwürdig wäre.Für wie kompetent halten Sie Steinbrück in Sachen Wirtschaftspolitik? Ein Wirtschaftsmagazin hatte vor einigen Jahren führende Ökonomen dieselbe Frage gestellt, sie waren wenig begeistert.
Ich erinnere mich, wie Steinbrück 2008 zunächst erklärte, die Finanzkrise sei ein US-Problem, das uns nichts angehe. Er hat sich zunächst auch heftig gegen die damals schon von uns geforderten Konjunkturprogramme gewehrt – die dann schließlich doch eingeführt wurden. Derartige Fehleinschätzungen zeugen nicht gerade von ökonomischem Sachverstand und politischem Weitblick.Steinbrück war Aufsichtsratsmitglied beim Stahlkonzern ThyssenKrupp, dessen Aktionäre am Freitag in Essen ihre Hauptversammlung abhielten. Ein Thema waren die Milliardenverluste, die zu Steinbrücks Zeiten entstanden sind. Trägt er dafür eine Mitverantwortung, oder spielen Politiker in solchen Gremien eher die Rolle einer Galionsfigur?
Galionsfigur wäre ja noch harmlos. Als herauskam, daß ThyssenKrupp als Teil eines »Schienenkartells« die Bahn AG und am Ende den Steuerzahler durch überhöhte Preise massiv geschädigt hat, hat Steinbrück dem Unternehmen ausdrücklich Vertuschung empfohlen. Entgegen seinem Rat hat sich der Vorstand dann doch öffentlich dazu geäußert.
Steinbrück war es auch, der sich dafür eingesetzt hat, daß Großfirmen wie ThyssenKrupp weniger für Strom bezahlen müssen – was natürlich zu Lasten der Privathaushalte geht. Er hat also nicht nur den Grüßaugust gespielt, sondern knallharte Interessenpolitik für das Unternehmen gemacht.
Wir haben in Deutschland eine institutionalisierte Korruption nach dem Motto: »Gezahlt wird später.« Politiker, die als Amtsträger willfährig die Wünsche mächtiger Wirtschaftslobbys erfüllen, können sich danach auf Belohnung in Form von lukrativen Mandaten und Spitzenhonoraren verlassen. Das ist System: Gerhard Schröder bei Gasprom, Exwirtschaftsminister Wolfgang Clement bei einer Leiharbeitsfirma, Exarbeitsminister Walter Riester als Vortragsreisender bei den Maschmeyers und Co. Und eben Steinbrück. Dieser Korruption muß gesetzlich ein Riegel vorgeschoben werden.Steinbrück hat noch nie eine Wahl gewonnen – welche Chancen sehen Sie für ihn im September?
« Propaganda für die Folter. Von der CIA gefüttert: Der US-Actionthriller »Zero Dark Thirty« macht aus dem Quälen von Gefangenen eine Erfolgsgeschichte im »Krieg gegen den Terror«. Von Rainer Rupp – Türkei verhaftet Musiker. Aufnahmestudio verwüstet, Instrumente zerstört, neues Album beschlagnahmt: Polizei inhaftiert Mitglieder der linken Gruppe Grup Yorum und Rechtsanwälte. Von Nick Brauns »
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