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Propaganda für die Folter. Von der CIA gefüttert: Der US-Actionthriller »Zero Dark Thirty« macht aus dem Quälen von Gefangenen eine Erfolgsgeschichte im »Krieg gegen den Terror«. Von Rainer Rupp

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Der CIA-Thriller »Zero Dark Thirty« von Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow hat den ersten Platz der nordamerikanischen Kinocharts erobert. Der Film über die Jagd des US-Geheimdienstes auf Osama bin Laden spielte Schätzungen zufolge am vergangenen Wochenende rund 24 Millionen Dollar (18,1 Millionen Euro) ein. Auf den Tag genau elf Jahre, nachdem unter US-Präsident George W. Bush die ersten von der CIA verschleppten Gefangenen ins Käfiglager auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay verbracht worden waren, ist der die Folter propagierende Streifen am 11. Januar landesweit in die Kinos gekommen. Er hat bereits fünf Oscar-Nominierungen, darunter in der Topsparte »Bester Film«. Der »Actionthriller« erweckt beim Betrachter fälschlicherweise den Eindruck, das Quälen von Gefangenen habe dabei geholfen, das Versteck von Osama bin Laden in Pakistan zu finden. Zum anderen ignoriert er komplett die Rechtswidrigkeit und die Unsittlichkeit der Folter als Verhörmethode.

»Zero Dark Thirty« beginnt mit den Worten, die Geschichte basiere »auf tatsächlichen Ereignissen und Erzählungen aus erster Hand«. Eingebaut sind Originalaufnahmen von den Anschlägen am 11. September 2001 in New York und Washington. Es folgt eine graphisch detaillierte und lange Darstellung der verschiedenen, im Film an Häftling »Ammar« angewandten Foltermethoden: Waterboarding, sogenannte Stresspositionen, Schlafentzug, usw. Die Folter bricht schließlich dessen Widerstand, »Ammar« verrät den Namen von Osama bin Ladens Kurier. Dies führt die CIA zum Versteck des Gesuchten und ermöglicht seine Ermordung.

Der Film mag Thrillerfans gefallen. Gleichwohl ist er gefährlich ungenau und irreführend, wenn er eine authentische Geschichte suggeriert. Tatsächlich hat die CIA Hollywood für »Zero Dark Thirty« nach eigenem Gutdünken mit Informationen versorgt, von denen die wichtigsten jedoch nachweislich falsch sind. Im US-Senat hatten sich nach der Premiere vor ausgewähltem Publikum im Dezember Kritiker zu Wort gemeldet, selbst aus dem konservativen Lager. Die Senatoren John McCain, Dianne Feinstein und Carl Levin forderten Aufklärung. In seinem Brief an den Geheimdienstausschuß des Senats gab der amtierende CIA-Direktor Michael Morrell lediglich zu, daß die Agency sehr eng mit den Filmemachern zusammengearbeitet habe.

Besonders »besorgt« zeigten sich die Senatoren »über die klaren Implikationen des Films«, wonach die CIA nur dank wiederholter Folterverhöre an entscheidende Details über den Verbleib von Osama bin Laden gekommen sei. Die drei Politiker halten dagegen kategorisch fest: »Diese Informationen sind falsch!« Nach Überprüfung von mehr als sechs Millionen Seiten umfassenden Geheimdienstaufzeichnungen sei festzustellen, so die Senatoren, daß die CIA von ihren gefolterten Gefangenen nichts über die Existenz des fraglichen Kuriers erfahren habe. Folterverhöre hätten dazu absolut gar nichts beigetragen. Tatsächlich habe die CIA die Existenz des Kuriers, seinen wahren Namen und seinen Standort mit Mitteln in Erfahrung gebracht, die überhaupt nichts mit den sogenannten verschärften Verhörtechniken zu tun hatten.

»Es war weder Folter noch grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Gefangenen, die uns auf die Spur zu Osama bin Laden führte«, heißt es in einer Stellungnahme der Senatoren. Tatsächlich hätten die »verschärften Verhörmethoden« das Gegenteil bewirkt. Khalid Scheich Mohammed habe z.B. unter Folter »falsche und irreführende Informationen preisgegeben«, die viel Arbeit verursacht und letztlich nichts gebracht hätten, fügte McCain hinzu. Dies sei auch der Tenor in den Äußerungen vieler hochrangiger US-Verhörspezialisten wie Glenn L. Carle, Ali Soufan und Matthew Alexander, erinnerte Marjorie Cohn, Jura-Professorin an der Thomas Jefferson School of Law in San Diego (Kalifornien) und Autorin des Buches »The United States and Torture« (Die USA und die Folter), zum Kinostart. Unter Folter zustandegekommene Geständnisse seien nicht verläßlich und würden meist sogar die echten Aufklärungsergebnisse stören.

Bereits eine 2006 durchgeführte Studie der Hochschule des militärischen Nachrichtendienstes (National ­Defense Intelligence College) in Washington kam zu dem Schluß, daß die traditionellen, eine Beziehung zu dem Gefangenen aufbauenden Verhörmethoden sehr effektiv sind, selbst bei »widerspenstigen« Häftlingen. Zwangsmaßnahmen würden dagegen nur deren Widerstand stärken. Im Mai 2011 erklärte ein »Verhörspezialist« des Geheimdienstes im US-Magazin Forbes: »Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich persönlich, von Angesicht zu Angesicht, von Gefangenen zu hören bekam, daß sie in erster Linie dadurch zum Kampf motiviert worden waren, weil sie gehört hatten, daß wir foltern.« Daraus folgerte der namentlich nicht genannte »top United States interrogator«: »Weil Amerikaner gestern gefoltert haben, werden sie heute getötet.«

Bisher hat sich die Obama-Administration geweigert, die Folterspezialisten der CIA zur Verantwortung zu ziehen. Auch die politischen und juristischen Schreibtischtäter, von denen die Anwendung von Folter sanktioniert wurde, blieben bisher unbehelligt. »Zero Dark Thirty« wird es nicht nur noch schwieriger machen, die Verbrecher vor Gericht zu stellen, sondern auch eine wirksame öffentliche Opposition aufzubauen gegen zukünftige grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung von Gefangenen im globalen US-Krieg gegen den Terror. Am 31. Januar kommt der Film in Deutschland in die Kinos.

Quelle: www.jungewelt.de vom 19.01.13

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 19. Januar 2013 um 00:12 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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