Unter der Losung »Heraus zum Massenstreik« legen Männer und Frauen aus dem kleinen schwäbischen Dorf Mössingen am 31. Januar 1933 die Arbeit nieder und demonstrieren gegen die Machtübertragung an die Regierung Adolf Hitlers. Während die Arbeiterbewegung mit den Parteien SPD und KPD und die starken Gewerkschaften in der Weimarer Republik nicht gemeinsam zu handeln vermochten und damit fast kampflos die Machtübertragung hingenommen haben, folgt man einzig in Mössingen dem Streikaufruf der KPD, zunächst nicht ahnend, daß es eine isolierte Aktion bleiben wird. Den Ausspruch einer Mössingerin »Do isch neana nonz gwäa als wie do« übernimmt die bis heute als Standardwerk über den Generalstreik geltende Publikation Tübinger Kulturwissenschaftler im Titel: »Da ist nirgends nichts gewesen außer hier.«
Vorgeschichte
Den bäuerlich, handwerklich und gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die lokalen Textilbetriebe zunehmend auch industriell geprägten Ort erreichen um 1900 sozialdemokratische und genossenschaftliche Ansätze der traditionellen Arbeiterbewegung. In dem rund 4000 Einwohner zählenden Dorf werden Vereine und Genossenschaften gegründet: Arbeiterturnverein, Arbeiterradfahrverein, Arbeitergesangsverein und der örtliche Konsum mit Filialen in den umliegenden Ortschaften. Zuvor in der SPD organisiert, radikalisieren sich die Mössinger vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Weltkrieges und der Novemberrevolution. Sie treten mehrheitlich zur USPD und später zur KPD über. Von da an spielt die SPD vor Ort nur noch eine untergeordnete Rolle. Bis 1933 erringt die KPD im »roten Mössingen« bei Reichstagswahlen stets rund 30 Prozent der Stimmen. Im Gemeinderat ist ihre Arbeit mehr von örtlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten als von der Parteilinie geprägt. Mit etwa 20 Mitgliedern bleibt sie als Kaderpartei organisiert, sie übt aber genau die »Hegemonie« aus, von der Antonio Gramsci spricht. Die Genossen wirken als Generalinstanz in allen politischen und kulturellen Fragen – für Mitglieder wie für Nichtmitglieder.
Weltwirtschaftskrise, Inflation und die einhergehenden Veränderungen der politischen Landschaft im Deutschen Reich wirken sich ab 1929 auch auf die Arbeit der Mössinger Kommunisten aus: Sie geben die ortszentrierte, »eigenständige« Politik auf. Die Übernahme der Sozialfaschismusthese, in der die SPD als Wegbereiter des Faschismus galt, sei hierfür exemplarisch genannt. Dennoch schließen sich, angesichts der drohenden faschistischen Gefahr, 1932 in der lokalen »Antifaschistischen Aktion« KPD, SPD und die Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Die Zahl der politischen Veranstaltungen und der Widerstand gegen die aufkommende NSDAP nehmen zu.
Wie bei einem Festzug
Als am 30. Januar 1933 gegen 12 Uhr im Radio gemeldet wird, daß Hitler zum Reichskanzler ernannt worden ist, beruft der Mössinger KPD-Vorsitzende für den Abend eine Versammlung in der Turnhalle der Arbeitervereine ein, an der rund 200 Menschen aus dem Ort und der näheren Umgebung teilnehmen. Der Streikaufruf der KPD Württemberg erreicht Mössingen noch vor dem nächsten Morgen und wird sogleich vor den Betrieben verteilt. Am Mittag trifft man sich wieder in der Turnhalle und beschließt, zur Textilfabrik Pausa zu ziehen, in welcher gerade über die Streikbeteiligung beraten wird: Die Mehrheit stimmt für den Streik. Politisch vorausschauend gibt die jüdische Inhaberfamilie der Belegschaft für den Nachmittag frei. So verstärkt ziehen die Streikenden singend, trommelnd und mit Fahnen wie bei einem Festzug zur Trikotfabrik Merz, in der der Aufruf kaum Resonanz findet. Die Angst um die Existenz ihrer Familien hält vor allem die Frauen von einer Beteiligung ab. Einzelne Demonstranten dringen in die Fabrikräume ein, stellen Motoren ab und helfen nicht nur mit lautem Rufen nach. Anschließend geht es zur Buntweberei Burkhardt, man findet die Eingänge gründlich verschlossen vor und entschließt sich letztlich, weiterzumarschieren. Rund 800 Menschen zählt der Streikzug. Auch wenn es vorher schon Informationen und Anzeichen gibt, daß der Aufruf zum Ausstand andernorts nicht befolgt wird, wird die den Streikenden erst richtig bewußt, als die herbeigerufene Einheit der Schutzpolizei aus Reutlingen eintrifft. Bei einem landesweit befolgten Streikaufruf hätte diese nämlich bei sich zu Hause genug zu tun gehabt. Der Streikzug löst sich innerhalb kürzester Zeit auf, die Verhaftungswelle beginnt noch am selben Abend.
Verhaftungen und Folgen
Der Denunziation war nun Tür und Tor geöffnet, schließlich kannte jeder jeden, und sicher wurden dabei auch alte Rechnungen beglichen. In den folgenden Tagen kommt es zu zahlreichen Festnahmen, den tatsächlich oder auch nur mutmaßlich Streikenden wird von den »Fabrikherren« gekündigt. Insgesamt werden 58 Menschen verhaftet. Angeklagt werden 98 Personen, darunter vier Frauen. Dabei wird gegen die sechs mutmaßlichen »Rädelsführer« ein separater Prozeß wegen der »Vorbereitung zum Hochverrat« eröffnet. Den anderen Angeklagten wird leichter und schwerer Landfriedensbruch angelastet. Verurteilt werden 81 Menschen, 74 davon erhalten Gefängnisstrafen von drei Monaten bis zu drei Jahren.
Trotz dieser Vergeltungsaktionen, zu denen alsbald auch die Schließung der Turnhalle und das Verbot der Arbeitervereine gehört, ist der Widerstand der Mössinger Antifaschisten weiterhin ungebrochen. So erreicht die KPD bei der Reichstagswahl im März 1933 in Mössingen – unter Berücksichtigung der fehlenden Stimmen der Inhaftierten – ein noch annähernd gleiches Ergebnis wie in den Vorjahren und kommt auf 21,1 Prozent.
Die Aburteilungen der Antifaschisten hatten allerdings über die Freiheitsentziehung hinaus für sie und ihre Familien noch weitere, schwerwiegende Folgen. So haben viele ihren Arbeitsplatz verloren, Handwerksbetriebe kommen zum Erliegen, Zwangsvollstreckungen finden statt, weil die Betroffen nicht mehr in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Hausdurchsuchungen, weitere Denunziationen, Verhaftungen und Gefängnisaufenthalte wegen sogenannter staatsfeindlicher Äußerungen folgen in den nächsten Jahren. Viele versuchen, sich dem faschistischen Regime gegenüber weitgehend passiv zu verhalten. Die Nazigegner helfen sich untereinander. Um weiteren Repressionen und Schikanen zu entgehen, werden die Kinder bewußt unpolitisch erzogen. Es wird von einem Fall im März 1933 berichtet, der gerade noch glimpflich ausging. Die Kinder von Else K. seien veranlaßt gewesen, bei geöffnetem Fenster »kommunistische Kampflieder« zu singen, wann immer die Nachbarn zu sehen waren. Wiederholt hätten ihre Kinder im Gäßle gesungen: »Der Hitler goat [geht] a Gäßle na – Der Thälmann hinten-drei – Der Thälmann druckt em de Gurgel zu – Heil-heil-heil.« Vereinzelt werden antifaschistische Flugblätter verteilt, die den Ort von der Schweiz aus erreichen. Paul Ayen wird dabei 1936 erwischt, kann sich seiner Verhaftung durch die Flucht in die Schweiz entziehen und schließt sich wie der Mössinger Wilhelm Steinhilber den Internationalen Brigaden in Spanien an.
Späte Rehabilitierung
1945 ist der Ort nach wie vor gespalten. Von den 800 zur Wehrmacht eingezogenen jungen Menschen sind 380 auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges gefallen, darunter 14 Teilnehmer des Generalstreiks. Zwar konnte die KPD nach ihrer Wiederzulassung noch einmal an ihre Wahlerfolge vor 1933 und zunächst scheinbar an ihre alte Stärke anknüpfen. Das sozio-kulturelle Dorfgefüge, wie es vor 1933 bestanden hatte, war aber gründlich zerstört. Die Partei erreicht nur noch eine kleine Gruppe ideologisch gefestigter Menschen ihres alten Umfeldes.
Nach ersten erfolgreichen Haftentschädigungsklagen gegen das Land Baden-Württemberg stellte das Oberlandesgericht Stuttgart in einem mit starker Unterstützung der VVN geführten Prozeß mit dem Urteil vom 25. November 1955 letztinstanzlich fest: » (…) ein Generalstreik, zu dessen Durchführung ein Kläger straffällig wurde, wäre ein geeignetes und dem Ernst der politischen Lage am 31.01.1933 angepaßtes Mittel gewesen, um die eben erst an die Macht gelangte Hitler-Regierung zum Rücktritt zu zwingen«.
In Mössingen selbst wird diese späte, von der Justiz anerkannte Legitimation des Generalstreiks leider bis heute nicht von allen geteilt (siehe Spalte).
Da ist nirgends nichts gewesen außer hier. Das »rote Mössingen« im Generalstreik gegen Hitler. Geschichte eines schwäbischen Arbeiterdorfes. Neu herausgegeben von Bernd Jürgen Warneken und Hermann Berner. Talheimer Verlag 2012, 360 Seiten, 32 Euro
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.01.13
Am 30. Januar 1933 hatte der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg in Berlin Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt und damit dam faschistischen Terrorregime endgültig zur Herrschaft verholfen. Mit zahlreichen Veranstaltungen wird am heutigen Mittwoch bundesweit an die Machtübertragung vor 80 Jahren erinnert. Der Bundestag kommt zu einer Gedenkfeier für die Millionen Toten zusammen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnet im Dokumentationszentrum »Topographie des Terrors« eine Ausstellung, die den Weg in die Diktatur nachzeichnet. Vor dem Brandenburger Tor in Berlin sollen Litfaßsäulen aufgestellt werden, auf denen die Biographien von Opfern abgebildet werden.
Die schwäbische Stadt Mössingen stellt dagegen den Widerstand ins Zentrum, würdigt mit einer Ausstellung und einer großen Veranstaltungsreihe den Generalstreik, mit dem die örtliche Bevölkerung bereits am 31. Januar 1933 gegen die Nazis protestiert hatte. Die regionalen Gewerkschaftsgliederungen von ver.di, IG Metall, GEW und der DGB rufen zusammen mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) für Samstag zu einer Demonstration unter dem Motto »Politischer Streik hätte Hitler gestürzt und den Krieg verhindert« auf. Ihre Parolen: »Empört euch! Für ein uneingeschränktes Versammlungs- und Streikrecht!«, »Für eine Demokratisierung der Wirtschaft!« und »Nie wieder Faschismus und Krieg!«
Dagegen machen die örtliche CDU und die Freie Wählervereinigung (FWV) Stimmung. Sie ziehen gegen die Würdigung der Nazigegner zu Felde. CDU-Fraktionschef Andreas Gammel stellt den Aufstand ganz in Abrede. Was sich damals abgespielt habe, sei »noch nicht einmal ein Streikle« gewesen, sondern eine »isolierte Aktion« der »Mössinger Kommunisten«, eine Demonstration, die gewalttätig eskaliert sei. In einem jW vorliegenden Schreiben an die Gewerkschaften begründet der Geschichtsrevisionist die Absage des CDU-Stadtverbandes an ein gemeinsames Erinnern, und warum er nicht in den »allgemeinen Heldenjubel« einstimmen mag: »Das eigentliche Ziel der Streikenden war nicht die Verteidigung der Weimarer Verfassung. Im Gegenteil sollte diese zugunsten einer Räterepublik gestürzt werden.« Und wer könne schon sagen, »daß ein Scheitern der Machtergreifung Hitlers am 30.1.33 definitiv das ›Dritte Reich‹ und den Weltkrieg verhindert hätte«. Das sei plakativ, »aber historisch unhaltbar«. Niemand könne sagen, »wieso es keinen eventuell folgenden weiteren Versuch einer Machtergreifung der Nazis hätte geben können, oder ob nicht eine ganz andere (vielleicht linke?) Diktatur mit ähnlich furchtbaren Folgen entstanden wäre«. Außerdem sei »Anfang 1933 noch völlig unvorhersehbar« gewesen, wieviel aus Hitlers »Mein Kampf« tatsächlich umgesetzt werden würde.
Zusammen mit den FWV-Räten Marc Eisold, Max Göhner und Elmar Scherer verbreitet Gammel schließlich via Internet seine eigenen »Fakten zum Mössinger Generalstreik-Versuch von 1933«. Das Quartett kämpft dort gegen die »Mär vom roten Mössingen« und setzt munter den mörderischen Hitler-Faschismus mit der DDR gleich. Die »Blogger gegen den Generalstreik«, wie das lokale Tagblatt die Gruppe süffisant nennt, fürchten, aus der schönen »Blumenstadt Mössingen« drohe in Zukunft eine »neue Marke« zu werden, nämlich »Mössingen, die Stadt des Aufstands«.
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.01.13
Dresden. Das Bündnis »Dresden Nazifrei« wendet sich gegen die Kriminalisierung seiner Blockaden des jährlichen Aufmarsches von Neofaschisten im Februar. Auch der große Aufwand der Justiz habe bisher zu keiner Rechtssicherheit geführt, sagte Bündnissprecher Silvio Lang am Montag in Dresden. Noch immer sei nicht abschließend geklärt, ob Blockaden von Nazi-Demonstrationen verboten seien oder die Blockierer auch ein Recht auf Versammlungsfreiheit hätten, sagte Lang. Von 351 Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz sind nach Angaben des Bündnisses nur fünf zu einem Abschluß gekommen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.01.13
Was geschah: Ein lange vorbereiteter und dann scheinbar plötzlicher Einsatz der französischen Kolonialtruppen in Mali. Begeisterte Zustimmung in Frankreich. Beschwörung einer »natürlichen« Gefolgschaftstreue in europäischen Medien. Es wird klar, der Krieg um Mali soll nach dem Willen der herrschenden Kräfte eine EU-europäische Angelegenheit werden. (…) Angeblich geht es wieder um die Verteidigung humaner Werte, aber darum ging es doch nie, außer in der medialen Propaganda. Wir erinnern uns, daß Frankreich im Massaker der Hutu an den Tutsi nicht die Opfer schützte, sondern deren Mörder. Wir erinnern auch an die Kolonialzeit, in der England, Frankreich, Holland, Belgien, Spanien, Portugal, Italien und auch Deutschland sich wie die Hyänen auf Afrika stürzten. Soll dies nun als gemeinschaftliche Aktion wiederholt werden – wie üblich mit Hilfe einheimischer Truppen? In Deutschland waren sie zu Kolonialzeiten als Askari wohlbekannt.
Wir verweisen ferner auf die großen Rohstoffinteressen: Uran in Niger für die französischen AKW, das vom weltgrößten Atomanlagenbauer Areva dort abgebaut wird, Öl im angrenzenden Tschad und vermutlich Öl- und andere Rohstoffvorkommen in Mali selbst.
Die französische Regierung hat als Kriegsziel die Wiederherstellung Malis als Gesamtstaatswesen genannt. Mali ist doppelt so groß wie Afghanistan und hat die Größe von Spanien, Frankreich und halb Deutschland. Der wirkliche Kampfplatz dürfte jedoch viel größer werden, nämlich die riesige Sahelzone, die sich von West bis Ost quer durch Afrika zieht, und in der Grenzen kein wesentliches Hindernis für Guerillakämpfer darstellen, die aus allen Himmelsrichtungen einströmen können. Diese werden zudem von mit dem Westen befreundeten Ölstaaten mit Geld und Waffen unterstützt. (…)
Statt des sich andeutenden Rückfalls in militärische Beherrschungspolitik muß Europa in dieser Zeit der globalen Machtverschiebungen eine Politik entwickeln, die auf Deeskalation von Konflikten setzt, nach politischen Lösungen in Dialogen sucht, die damit humanitäre Hilfe verbindet und bemüht ist, Vertrauen aufzubauen. EU-Europa könnte Vermittlungshilfe leisten, wenn es darum ginge, Dialoge oder »Shura« zwischen islamischen Gruppen und den vielen Ethnien zu ermöglichen, und es könnte die dafür erforderliche Infrastruktur anbieten.
In dem Vielvölkerstaat Mali gibt es durchaus Ansatzpunkte für solche Prozesse. Zu erinnern ist an die langjährigen Konflikte und Friedensbemühungen mit den Tuareg, deren Anliegen von der politischen Klasse in Bamako vernachlässigt wurden. Eine Demokratisierung des Landes ist überfällig, wobei es auch um Angebote für Dezentralisierung und Autonomie gehen muß. (…) Dominic Johnson berichtet, daß von vier von den USA (Africom) zur Terrorbekämpfung ausgebildeten malischen Eliteeinheiten mittlerweile drei zu den Rebellen übergelaufen seien. Das hat sicher einen Grund. Auch hier gäbe es Raum für Verhandlungen, zumal mittlerweile auch den malischen Soldaten auf der Seite der Franzosen terroristische Verhaltensweisen vorgeworfen werden. (…) In Mali steht EU-Europa am Scheideweg zwischen Kriegs- und Friedenspolitik.
Quelle: www.jungewelt.de vom 27.01.13
Die griechische Regierung läßt den seit mehr als einer Woche anhaltenden Streik im öffentlichen Nahverkehr Athens eskalieren. Am Donnerstag abend hatte die Koalition aus konservativer ND, sozialdemokratischer PASOK und der »Demokratischen Linken« (DIMAR) einen Erlaß verkündet, der die Beschäftigten zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet. Andernfalls drohen ihnen Haftstrafen und die Entlassung. Die Regierung stützt sich Medienberichten zufolge auf ein Gesetz, das noch aus der Spätphase der griechischen Militärdiktatur (1967–1974) stammt. Darin wird die Zwangsrekrutierung von Beschäftigten gestattet, wenn das wirtschaftliche oder soziale Leben wegen natürlicher oder anderer Gründe erschüttert wird. Entsprechend fühlte sich der Gewerkschaftschef der Athener Metro, Antonis Stamatopoulos, an die Repression durch das damalige Obristenregime erinnert. Auch die Linkspartei SYRIZA sprach von einem »Putsch gegen die Demokratie«.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Erlasses besetzten Gewerkschafter am späten Donnerstag abend das Depot der Athener U-Bahnen. Die Aktion wurde am Freitag morgen durch die MAT-Sondereinheiten der griechischen Bereitschaftspolizei beendet. Gegen 3.30 Uhr brachen die Beamten die Tore des Gebäudes auf und nahmen Dutzende Streikende fest. Hundertschaften hatten zuvor die Zufahrtsstraßen gesperrt, um mehreren hundert Unterstützern den Weg zu versperren.
Die Gewerkschaften wollen jedoch weiterkämpfen. Nachdem seit dem 16. Januar lediglich die Metro nahezu komplett bestreikt worden war und die Fahrer der Busse, Trolleybusse und Straßenbahnen nur zeitweilig die Arbeit niedergelegt hatten, kündigten sie am Freitag nun an, den kompletten Nahverkehr bis Anfang der kommenden Woche einzustellen. Am Freitag nachmittag besetzten sie symbolisch die Metrostation Aghios Antonios im Westen Athens und verbrannten die Briefe, in denen sie zur Wiederaufnahme der Arbeit verpflichtet wurden.
Andere Beschäftigte der U-Bahn gaben hingegen dem Druck nach und kehrten an ihre Arbeitsplätze zurück. Gegen 15 Uhr Ortszeit nahm die Metro den Betrieb teilweise wieder auf. Das habe die Regierung nur erreichen können, weil sie den Beschäftigten »das Messer an die Kehle gesetzt« habe, kritisierte PAME-Vorstandsmitglied George Skiadiotis im kommunistischen Rundfunksender 902. Seine der griechischen KP nahestehende Gewerkschaftsorganisation rief für Sonnabend zu einer Großdemonstration im Zentrum der Hauptstadt auf und warf der Regierung vor, sie wolle jeden Widerstand gegen ihre brutale Politik zerschlagen. Der Gewerkschaftsbund GSEE kündigte an, die Vorbereitungen für einen weiteren 24stündigen Generalstreik zu beschleunigen.
Unterdessen hält sich SYRIZA-Chef Alexis Tsipras seit Dienstag in den USA auf. Der IWF sehe ein, daß das griechische Sparprogramm »ohne einen großzügigen Schuldenschnitt undurchführbar« sei, sagte er nach einem Treffen mit dem Vizechef des Währungsfonds, David Lipton, am Donnerstag (Ortszeit). Mit dem stellvertretenden US-Außenminister Eric Rubin sei er sich einig gewesen, daß die Sparprogramme keine Lösung für die Krise seien, Griechenland kein Risiko für Europa darstelle und Deutschland auf einer »gefährlichen Politik« beharre, berichtete der griechische Rundfunk ERT.
Quelle: www.jungewelt.de vom 27./28.01.13
Die Vizevorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Sevim Dagdelen, erklärte zu dem am Donnerstag neu aufgerollten Prozeß gegen die Schrifstellerin Pinar Selek, der die Beteiligung an einem Bombenanschlag 1998 in Istanbul zur Last gelegt wird:
Das für den 24. Januar 2013 in Istanbul angesetzte und nach drei Freisprüchen wieder aufgerollte Strafverfahren gegen die Schriftstellerin Pinar Selek trägt Züge eines politischen Rachefeldzugs der türkischen AKP-Regierung: Es stellt neben der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren auch zugleich einen erneuten Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft durch die AKP-Justiz in der Türkei dar.
Es ist äußerst bedenklich, daß die deutsche Bundesregierung die türkische Regierung trotz der politischen Verfolgung von Gewerkschaftern, Intelektuellen, Schriftstellern, Komponisten, Künstlern und kurdischen Politikern, wie auch von Aleviten, weiterhin bedingungslos unterstützt wie zuletzt mit der Entsendung von »Patriot«-Raketen und Soldaten der Bundeswehr an die syrisch-türkische Grenze. Gerade über die Umstände des erneut aufgelegten strafrechtlichen Verfahrens gegen Pinar Selek bin ich äußerst besorgt.
Das jetzt über 14 Jahre andauernde Verfahren steht in eklatantem Widerspruch zum internationalen Recht. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß die Türkei die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ratifiziert hat, in der in Artikel 6 das Recht auf ein faires Verfahren geschützt ist, scheint gerade die lange Verfahrensdauer menschenrechtlich unhaltbar. Am 9. Februar 2011 war Pinar Selek nach 2002 und 2006 ein drittes Mal vom selben Vorwurf freigesprochen worden. Jetzt droht ihr erneut eine lebenslange Freiheitsstrafe. Offenbar soll an der Soziologin und Schriftstellerin Pinar Selek, die seit Jahren für Frauenrechte streitet und Partei ergreift für Minderheiten sowie für ausgegrenzte und sozial benachteiligte Gruppen, ein Exempel statuiert werden.
Dieses Verfahren trägt alle Züge einer politischen Verfolgung, um Pinar Selek, eine Frau, die sich mutig für Demokratie und Menschenrechte in der Türkei eingesetzt hat, gesellschaftlich ächten zu können.
Die Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth und Cem Özdemir, erklären zum neuen Prozeß gegen Pinar Selek:
(…) Die politisch Verantwortlichen in der türkischen Regierung und der Justiz wissen nach den jahrelangen Auseinandersetzungen, daß die alten und neuen Vorwürfe absurd und fadenscheinig sind. Vor dem Hintergrund vieler fragwürdiger und politisch motivierter Verfahren gegen Journalisten, Anwälte, Intellektuelle und Studierende in der Türkei verdient der Fall Pinar Selek besondere Aufmerksamkeit. Er ist zu einem Symbol für die Defizite bei der Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei geworden. Das zeigten jüngst auch die Razzien und Festnahmen von 15 Anwälten, denen Verbindungen zu einer verbotenen marxistischen Gruppierung vorgeworfen werden.
Wir fordern die Bundesregierung und ihre EU-Partner auf, ein eindeutiges Signal an die türkische Regierung zu senden, daß das schikanöse Vorgehen der türkischen Staatsanwaltschaft international nicht toleriert wird. Nach so vielen Jahren braucht Pinar Selek endgültig Klarheit und vor allem Freiheit.
Quelle: www.jungwelt.de vom 25.01.13
Was am 17. Januar von einer Kölner Ärztin öffentlich gemacht wurde, erhitzt seither die Gemüter. Zwei katholische Kliniken in Köln hatten sich Mitte Dezember geweigert, ein mutmaßliches Vergewaltigungsopfer zwecks Spurensicherung zu untersuchen. Die junge Frau war morgens in einem Park in Köln aufgewacht, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war. Die Notärztin Irmgard Maiworm vermutete, daß sie jemand mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt haben könnte und wollte sie zur gynäkologischen Untersuchung überweisen (siehe jW vom 18.1.). Allein, die Ärzte der beiden von ihr kontaktierten Kliniken, des St.-Vinzenz-Krankenhauses und des Heilig-Geist-Krankenhauses, lehnten die Behandlung der Frau ab. Begründung: Sollte es zur vermuteten Diagnose kommen, stünde die Verschreibung der »Pille danach« oder gar ein Beratungsgespräch über die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruches zur Debatte. Beides könne man nicht anbieten. Im zuständigen Erzbistum streute man sich Asche aufs Haupt – und versicherte, es gebe keine interne Anweisung, mutmaßliche Vergewaltigungsopfer nicht zu untersuchen. Nur die Verhütungspille könne man nicht verschreiben.
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf drei Problemfelder: den wachsenden Einfluß und die zunehmenden Aktivitäten militanter Abtreibungsgegner, die Sonderrechte, die kirchliche Einrichtungen für sich geltend machen, obwohl sie zu 95 Prozent durch staatliche Gelder finanziert werden – und die Rezeptpflicht für die sogenannte Pille danach, deren Abschaffung seit Jahren vom Pro-Familia-Bundesverband – bislang vergeblich – gefordert wird. Die beiden letztgenannten sind typisch deutsch. Sie zeigen, welch verheerende Folgen der Status haben kann, den die Kirchen hierzulande genießen – und daß es den Kölner Fall so nicht hätte geben können, wenn Notfallkontrazeptiva frei verkäuflich wären – wie in 28 anderen europäischen Staaten.
Der Tagesspiegel enthüllte diese Woche, daß der Grund für die Zurückweisung der Patientin durch die Kölner Ärzte offenbar ein Detektiveinsatz im Auftrag radikaler »Lebensschützer« war. Eine von ihnen angeheuerte Ermittlerin hatte demnach im Oktober 2011 in vier katholischen Kliniken um die »Pille danach« gebeten und Einrichtungen, die ihren Wunsch erfüllten, beim Erzbistum Köln angeschwärzt. Die Folge: Die Ärzte der Vinzenz-Klinik waren, weil ihr Haus zu den denunzierten gehörte, verunsichert, fürchteten um ihren Job. Dies bestätigte der Sprecher der Cellitinnen-Stiftung, Trägerin der Klinik, der Zeitung. Die Ärztin Irmgard Maiworm arbeitet in der von der Kassenärztlichen Vereinigung getragenen Notfallpraxis auf dem Klinikgelände und hatte der Betroffenen die »Pille danach« bereits verschrieben.
Unterdessen teilte die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) mit, die Abweisung der Frau habe nicht gegen staatliche Vorschriften verstoßen. Bislang sei nicht erkennbar, »daß der Krankenhausträger sich nach krankenhausaufsichtsrechtlichen Prinzipien pflichtwidrig verhalten hat«, hieß es in einer Pressemitteilung ihres Hauses vom Mittwoch. Die Aufklärung des Vorgangs sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Wenn ein Krankenhaus die Versorgung eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers nicht anbieten könne, müsse eine umfassende Versorgung »auf anderen Wegen« sichergestellt werden.
NRW-Vizeministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) hatte am Dienstag erklärt, die »skandalösen Vorgänge in Köln« widersprächen »eklatant dem christlich-sozialen Auftrag dieser Krankenhäuser« und seien »ein Verstoß gegen die Menschlichkeit«. Löhrmann will den Kölner Fall zum Thema im Zentralkomitee der deutschen Katholiken machen, dem sie angehört. Auch in der CDU sorgte der Fall für Empörung. Der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn etwa sagte der Welt am Sonntag, Krankenhäuser, die so etwas täten, »müßte man eigentlich vom Netz nehmen«.
Was Kardinal Joachim Meisner unterdessen am Dienstag von sich gab, zeigte einmal mehr, in welchem Ausmaß nicht nur Bigotterie, sondern auch Unkenntnis – oder bewußte Desinformation – das Handeln der Katholiken beherrschen. Der 79jährige bat zwar die betroffene junge Kölnerin um Entschuldigung und zeigte sich »beschämt«. Alles medizinisch und seelsorgerisch Nötige hätte unternommen werden müssen, so Meisner – aber: »Ausgenommen sind nach unserem Selbstverständnis allerdings alle Maßnahmen, welche die Tötung eines möglicherweise schon gezeugten Kindes bedeuten«. Der »Lebensschutz« sei »eine unüberschreitbare Grenze und jedem menschlichen Eingriff entzogen«. Die »Pille danach« aber, deren Verschreibung die Katholiken so vehement ablehnen, »tötet« jedoch keineswegs eine befruchtete Eizelle (die hier als »Kind« bezeichnet wird), sondern hemmt die Reifung der Eizelle sowie den Eisprung – unter der Voraussetzung, daß dieser noch nicht stattgefunden hat. Eine bereits in der Gebärmutter eingenistete befruchtete Eizelle wird dadurch nicht beeinträchtigt, mithin bietet dieses Medikament auch keinen vollständigen Schutz gegen eine Schwangerschaft. Es ist also keineswegs eine »Abtreibungspille« wie etwa das Präparat Mifegyne.
Alice Schwarzer wies am Mittwoch in einem Blogeintrag auf die »unerträgliche Kluft zwischen menschlichem Leben und katholischer Doktrin« hin. Gläubige Katholikinnen ließen Schwangerschaften nicht seltener abbrechen als andere, das belegten Studien, so Schwarzer. Weltweit sei »vor allem die katholische Kirche für die jährlich über 80000 toten Frauen verantwortlich, krepiert bei illegalen Abtreibungen. Das nennen Kirchenmänner wie Meisner ›Lebensschutz‹.«
Feministinnen haben unterdessen ein Ende der staatlichen Finanzierung kirchlicher Krankenhäuser gefordert. Rita Tramm, Sprecherin des Bündnisses »Raise your voice – your body your choice«, erklärte am Mittwoch: »Es kann nicht sein, daß der Staat finanziell weiterhin eine antifeministische Politik unterstützt«.
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Quelle: www.jungewelt.de vom 25.01.13
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU will nicht mehr die gesamte Partei Die Linke, sondern nur noch einzelne ihrer »extremistischen Zusammenschlüsse« durch den Verfassungsschutz bespitzeln lassen. Noch 2012 war bekanntgeworden, daß mindestens 27 Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag vom Geheimdienst überwacht wurden. Das soll nun ein Ende haben. Überwacht werden nach Friedrichs Weisung weiterhin die Kommunistische Plattform (KPF), das Marxistische Forum, die Antikapitalistische Linke, die Sozialistische Linke und die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí. Ein wirklicher Fortschritt ist das nicht, eher eine Täuschung der durch die Verwicklung des Verfassungsschutzes in den Nazisumpf beunruhigten Öffentlichkeit. Denn weiterhin werden wohl auch Bundestagsabgeordnete, die einer dieser Strömungen angehören, überwacht. Da letztere aber in der Mitte der Partei agieren, gerät zwangsläufig weiterhin die Gesamtpartei ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes.
Daß von den überwachten Strömungen und Arbeitsgemeinschaften eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht, glaubt wohl auch der Bundesinnenminister nicht. Bei der Bundesregierung sollte sich herumgesprochen haben, daß das Grundgesetz zwar keine besondere Wirtschaftsordnung vorschreibt, wohl aber die insbesondere von den nun als »extremistisch« gebrandmarkten Strömungen der Linken befürwortete Möglichkeit der Vergesellschaftung von Grund und Boden, Produktionsmitteln und Naturschätzen. Es enthält nicht nur den Schutz des Eigentums, sondern auch dessen gerade von der Linken immer wieder angemahnte Sozialpflichtigkeit. Antikapitalistische Forderungen mögen Besitzenden und Profiteuren der Krise unverschämt erscheinen, verfassungsfeindlich sind sie nicht. Marxistische Gesellschaftskritik ist durch die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes gedeckt.
Das scheinbare Zurückrudern zielt auf etwas anderes. Friedrich und der Verfassungsschutz maßen sich an, bei den Auseinandersetzungen innerhalb der Linken Partei zu ergreifen. Wer den antikapitalistischen Gehalt des Erfurter Programms stärker betont, soll als »Extremist« gebrandmarkt und aus dem innerparteilichen wie gesellschaftlichen Diskurs ausgeschlossen werden. Das neoliberale Meinungskartell mit seinen Geheimdienstblockwarten läßt eine Linke nur soweit zu, wie sie sich selbst als abhängiger und wirkungsloser linker Flügel eines angeblich existenten linken Lagers aus SPD und Grünen begreift. Eine Linke mit einem eigenständigen antikapitalistischen und antimilitaristischen Programm, die eine klare Gegenposition zu allen neoliberalen Kriegsparteien einnimmt, soll dagegen außerhalb des vom Geheimdienst definierten Verfassungskonsenses gestellt werden. Friedrichs Spalte- und-Herrsche-Spielchen ist leicht durchschaubar und der Verfassungsschutz ein denkbar schlechter Politikberater für linke Politik.
www.jungewelt.de vom 25.01.13
Unter dem Schutz französischer Truppen geht die malische Armee offenbar brutal gegen die Zivilbevölkerung vor. Wie die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH am Donnerstag in Paris verbreitete, nimmt vor allem die Zahl von Massenhinrichtungen in den zurückeroberten Gebieten Malis zu. Dutzende Menschen seien seit dem 10. Januar in Sévaré und anderen Orten im Zentrum des nordwestafrikanischen Landes von den offiziellen Streitkräften exekutiert worden. Zudem seien die Unterkünfte zahlreicher Tuareg von Soldaten durchsucht und geplündert worden. Den willkürlichen Morden fielen demnach nicht nur Menschen zum Opfer, die im Verdacht stehen, »Komplizen der Dschihadisten« zu sein, sondern auch solche, die sich bei Kontrollen nicht ausweisen konnten, im Besitz von Waffen waren oder bestimmten ethnischen Gruppen angehören.
»Diese Serie schwerer Verbrechen bestätigt die Sorgen, die wir seit mehreren Wochen formuliert haben«, erklärte FIDH-Präsident Souhayr Belhassen. »Diese Racheakte und die extremen Spannungen, die es zwischen den Gemeinden gibt, bilden einen explosiven Cocktail, der uns das Schlimmste befürchten läßt.« Die malische Armee weist alle Vorwürfe zurück – und sperrte Sévaré für Journalisten, um Nachforschungen zu verhindern. Demgegenüber wollte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian die Verbrechen am Mittwoch abend im Fernsehsender France 24 nicht ausschließen. Man habe von dem »Risiko« gewußt, daß es Menschenrechtsverletzungen geben könne. Man vertraue aber darauf, »daß die malischen Armeeführer die Verantwortung übernehmen, Übergriffe zu verhindern«, sagte Drian. »Ihre Ehre steht auf dem Spiel.«
In dem Krieg der französischen und malischen Truppen, die offenbar nur zögerlich von Einheiten aus anderen westafrikanischen Ländern unterstützt werden, zeichnet sich immer deutlicher eine »Arbeitsteilung« ab. Die französische Luftwaffe bombardiert Dörfer, in denen Kämpfer der islamistischen Milizen vermutet werden. Dann rücken die Bodentruppen nach, die zumeist auf keinen nennenswerten Widerstand mehr stoßen. So berichtete der malische General Ibrahima Dahirou Dembélé dem französischen Auslandssender Radio France Internationale, bei der Rückeroberung der Stadt Diabaly am Montag habe es zwar heftige Kämpfe gegeben, »aber nicht mit Elementen am Boden«. Die »französischen Verbündeten« hätten aus der Luft »alle feindlichen Fahrzeuge und alle feindlichen Elemente neutralisiert«.
Während sich die französische Regierung weiter bemüht, den Eindruck von einem »sauberen Krieg« gegen die Islamisten zu verbreiten, sind zuverlässige Informationen aus den Orten des Geschehens kaum zu bekommen. Wie dramatisch die Situation tatsächlich ist, läßt sich an den Flüchtlingszahlen ermessen. Tausende Menschen konnten sich in die Nachbarländer retten. Sie hätten ihre Häuser wegen der Luftangriffe und Kämpfe verlassen, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag.
Statt um die Menschen kümmert sich Frankreich lieber um das Wohlergehen seiner Konzerne. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag meldete, hat Paris Eliteeinheiten in die an Mali angrenzende Republik Niger geschickt, damit diese dort die Uranbergwerke des Konzerns Areva schützen.
Unterdessen ist es auf seiten der Dschihadisten in Mali zu einer Spaltung gekommen. Der bisher als Führer der »Ansar Dine« bekannte Ag Intallah erklärte Reuters zufolge, er habe eine neue Organisation gegründet und wolle über eine Waffenruhe verhandeln.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.01.13
Zu den Elementen, die allen (!) Faschismen zugrunde liegen, gehören u.a. der Antikommunismus/Antisozialismus, die völlig unwissenschaftliche und auch ahistorische Gleichsetzung von „rot = braun“, der Rassismus, die Homophobie, der Konservatismus (insbesondere der Strukturkonservatismus) und das Reaktionäre in allen Schattierungen. Diese „Elemente“ finden sich auch oder besonders ausgeprägt im Struktur konservativen Bürgertum, bei der sogenannten „Mitte“ der Gesellschaft (was ist hier unter einer „gesellschaftlichen Mitte“ zu verstehen? Wer maßt sich an, die Definitionshoheit inne zu haben, um wissenschaftlich nachprüfbar darzulegen, was „die Mitte“ eigentlich als solche kennzeichnet?). Diese gesellschaftliche „Gemengelage“, wie von mir skizziert, bietet einen „idealen“, ideologischen Nährboden, auf dem der Rechtsradikalismus bestens gedeihen kann- und auch bis heute gedeiht!