Griechenland geht ins sechste Jahr der Rezession. Eine ständig steigende Erwerbslosigkeit – die offizielle Statistik spricht von 27 Prozent der Bevölkerung, von über 60 Prozent bei Jugendlichen unter 24 Jahren –, der permanente Rückgang des Bruttoinlandsprodukts sowie der Ruin Tausender kleiner und mittlerer Geschäfte und Betriebe sind die Eckdaten einer Ökonomie am Abgrund. Die Schockprogramme der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank sind dazu geeignet, das Land in rasantem Tempo zu deindustrialisieren und auf Trikont-Niveau zurückzusparen. In vielen Betrieben gibt es Arbeiter und Angestellte, die über Monate hinweg keinen Lohn bekommen, nur um dann gekündigt zu werden, so etwa jene Beschäftigten der Metropolis-Musikgeschäfte, die am 19. Februar in Athen für ihre Rechte demonstrierten.
Ähnlich war es zuvor auch den Arbeitern von Vio.Me – einer Tochterfirma des vor der Krise bedeutenden, dann pleite gegangenen Philkeram-Johnson-Konzerns – in Thessaloniki ergangen. Seit Mai 2012 hatten sie keine Löhne erhalten. Die Fabrik, in der Baustoffe hergestellt wurden, stand wegen des krisenbedingten Einbruchs der Profite, so hieß es von Eigentümerseite, vor der Schließung.
Anstatt sich nun aber individuell auf die ohnehin recht aussichtslose Suche nach neuen Jobs zu machen, beschlossen die 70 Beschäftigen, kollektiv und organisiert einen Ausweg aus ihrer prekären Situation zu suchen. Sie trafen sich weiter zu Vollversammlungen, einige Arbeiter bewachten die Produktionsmittel in der Fabrik, damit sie nicht vom Eigentümer abtransportiert werden. Dann die zündende Idee: »Wegen des Ausfalls der Lohnzahlungen und der Probleme bei der Muttergesellschaft hat ein Mitglied bei einer Versammlung etwas Außergewöhnliches vorgeschlagen. Nachdem wir uns über einen ähnlichen Versuch in Argentinien und auch im allgemeinen informiert hatten, hat die Versammlung beschlossen: Wir Arbeiter wollen die Fabrik in die eigene Hand nehmen«, erinnert sich Dimitris Mokas, einer der Beschäftigten, im Interview mit Unterstützern (www.viome.org).
Vor wenigen Tagen, nach einiger Vorbereitungszeit und einer Reihe von Solidaritätsaktionen, war es dann am 12. Februar soweit: Die Produktion wurde wieder aufgenommen, das höchste Gremium der Fabrik ist nun die Arbeitervollversammlung.
Gleichwohl dürfte der Weg, den die Vio.Me-Beschäftigten eingeschlagen haben, kein einfacher werden. »Im Moment versuchen wir die zwei größten Schwierigkeiten zu überwinden. Zum einen den Zugang zu den Märkten, zum anderen den zu Krediten«, sagt ein Aktivist aus dem Unterstützerkomitee, Theodoros Karyotis, im Videointerview mit der Journalistin Laura Flanders.
Darlehen auf den Finanzmärkten für das Projekt aufzutreiben, wird schwierig bis unmöglich, eine Unterstützung der Regierung des konservativen Premiers Antonis Samaras ist so gut wie ausgeschlossen. Auch auf den Gewerkschaftsdachverband GSEE können die Arbeiter nicht hoffen.
Die Fabrik wird sich, anders als ähnliche Versuche etwa in Venezuela, in einer politisch wie ökonomisch äußerst schwierigen Umgebung zu behaupten haben. Die Zukunft der selbstverwalteten Fabrik ist also eng mit der Entwicklung des Klassenkampfs in ganz Griechenland verbunden. Bleibt das Projekt isoliert, hat es kaum Aussichten auf Erfolg.
Die Einsicht, daß die Arbeiterklasse jene legalistische Politik des Bettelns und Verhandelns, die immer noch von den Bürokraten des Gewerkschaftsdachverbands GSEE favorisiert wird, hinter sich lassen muß, ist das eigentlich Bedeutende an dem Versuch der Vio.Me-Arbeiter, nunmehr ohne Kapitalisten zu wirtschaften. Die kann ihnen schon jetzt keiner mehr nehmen.
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Dieses Modell kann als Paradigma für ähnlich gelagerte „Fälle“ dienen. Selbstverwaltete Betriebe sind allemal die bessere Alternative zur Erwerbslosigkeit!
Comment: Wolfgang Huste – 27. Februar 2013 @ 13:36