Murat Günes (41) ist Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Neupack, die Standorte in Hamburg-Stellingen und Rotenburg hat. Etwa die Hälfte der knapp 200 Beschäftigten streikt seit dem 1. November
Wie sind die Arbeitsbedingungen der Kollegen bei Neupack?
Sie lassen sehr zu wünschen übrig. Es gibt Produktionsbereiche, die nicht klimatisiert sind, so müssen wir im Sommer und im Winter unter extremen Bedingungen arbeiten, manchmal sehr heiß und manchmal bitterkalt. Es ist auch sehr staubig. Die Entlohnung variiert stark. Am wenigsten verdienen die Packer und Packerinnen. Ich zum Beispiel bin Maschinenführer und habe etwas mehr Freiräume. Im Rahmen meiner Betriebsratstätigkeit und als Gewerkschafter habe ich auch mehr Freiräume, werde aber auch gleichzeitig dafür bestraft. Viele Kollegen müssen körperlich hart arbeiten. Außerdem sind in der Lebensmittelbranche viele Vorschriften einzuhalten.
Was verdienen die Beschäftigten bei Neupack – und wie war die Stimmung vor dem Streik?
Was der Bezahlung angeht, es gibt es bei gleicher Tätigkeit große Unterschiede. Manche Packer bekommen 8,50 Euro pro Stunde. Vor dem Konflikt verdiente die unterste Entgeltstufe 7,80 Euro. Dies wurde inzwischen erhöht. Insofern haben wir bereits einen kleinen Sieg errungen. Jedoch wird die Bezahlung vom Unternehmen individuell bestimmt. So verdienen manche Packer 10,70 Euro pro Stunde, Betriebshelfer 8,50 bis 13 Euro. Manche Maschinenführer bekommen 8,50 Euro pro Stunde, andere 17 bis 19 Euro. Deshalb kämpfen wir für einen Haustarifvertrag. Die Unterschiede sind von der Unternehmensführung gewollt, um eine miese Atmosphäre im Betrieb zu erzeugen. Es gibt eine krasse Trennung: Abteilungsleiter, Schichtleiter, Betriebsleiter haben eine andere Stellung. Alle übrigen Kollegen werden nicht als Menschen behandelt. Wir pflegen zu sagen, daß die Demokratie vor den Werktoren aufhört. Deshalb haben sich auch Kollegen mit höheren Löhnen zum Streik entschlossen. Sie haben das Gefühl, sich ihre Würde zurückzuerobern. Viele merken jetzt erst richtig, wie mies sie an ihrem Arbeitsplatz behandelt wurden.
Wovon hängt die Bezahlung ab?
Das hängt davon ab, ob den Chefs deine Nase gefällt. Beliebte Mitarbeiter, die sich fügen, bekommen mehr, egal welche Tätigkeit sie verrichten. So sind manche Kollegen, die in zehn oder 15 Jahren nicht mal einen Tag krank waren, ganz unten in der Entgeltstufe. Andere, die ständig fehlen aber in der Gunst der Leitung sind, bekommen immer wieder Lohnerhöhungen.Allerdings muß auch gesagt werden, daß dies nicht von der Nationalität abhängt. Die Gewerkschaft fordert aber statt »sittenwidriger Löhne« 82 Prozent des Flächentarifvertrags in der chemischen Industrie für alle Beschäftigten. Das ist realistisch. Es würde der Firma nicht schaden und die Kollegen hätten mehr Geld in der Tasche und eine einheitliche Urlaubsregelung. Statt dessen setzt die Firma Streikbrecher ein, viele davon aus Polen. Mit ihnen sind wir 260 Beschäftigte, vor dem Streik waren wir 195 bis 200. Die Streikbrecher wurden zunächst als Leiharbeiter geholt, aber da die Tarifverträge der Entleihfirmen den Einsatz von Leiharbeitern an Firmen im Streik nicht vorsehen, wurden sie nach zwei Tagen gekündigt, um sie direkt im Anschluß normal einzustellen.
Welche Position vertritt zur Zeit der Betriebsrat?
Die Mehrheit steht hinter dem Streik und hinter den Forderungen, ein kleiner Teil ist dagegen. Er handelt im Interesse und auf Anordnung des »Arbeitgebers«. Drei von sieben Mitgliedern werden vom Unternehmen gesteuert. Sie gehören nicht zu unserer Liste.
Nach mehreren Monaten unbefristeten Streiks hat die IG BCE Ende Januar mit einem sogenannten »Flexistreik« begonnen. Inwiefern ist er dem unbefristeten Streik vorzuziehen?
Ein Flexistreik kann eine gute Sache sein, vorausgesetzt, die streikenden Kollegen vor Ort entscheiden über den Ablauf und nicht die entfernte Gewerkschaftszentrale. Der Flexistreik soll für die Geschäftsführung möglichst unberechenbar sein. Statt durchgängig zu streiken, geht ein Teil oder alle Streikenden für eine gewisse Zeit wieder in den Betrieb, so daß auch wieder Löhne gezahlt werden müssen. Allerdings können durch einen zentral von außen gesteuerten Flexistreik die Streikenden nur verlieren. Viele Kollegen halten das eher für eine Flexi-Verarschung. In der Praxis hat die IG BCE mehrfach entschieden, uns für mehrere Tage am Stück in den Betrieb zu schicken. Das war überhaupt nicht »unberechenbar« für und hat außerdem die Lager von Neupack wieder erheblich gefüllt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 13.03.13
In Deutschland sind mehr als doppelt so viele Neonazis untergetaucht wie bislang bekannt. 266 Personen aus dem Bereich »politisch motivierte Kriminalität rechts« werden mit Haftbefehl gesucht. Das teilte die Bundesregierung am Dienstag auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion mit. Ende Juni vorigen Jahres war die Zahl noch mit 118 angegeben worden.
Die Zahl 266 gibt den Stand von November 2012 wieder. Seither haben sich 84 Fahndungen erledigt, die meisten davon vermutlich – genaue Angaben gibt es nicht – weil die Gesuchten zwischenzeitlich ihre Haft angetreten haben. Während die Sicherheitsbehörden jederzeit nachvollziehen können, wenn ein Haftbefehl aufgehoben wird, ist es ihnen nicht möglich zu sagen, wie viele seit November neu hinzugekommen sind. Der Stand zum Zeitpunkt der Antwort war 182 plus x.
Die Bundesregierung weist darauf hin, die neuen Zahlen seien nicht mit jenen des vergangenen Jahres zu vergleichen, weil sich die Erfassungsmethode grundsätzlich geändert habe. Bislang wurden die Haftbefehle nur mit jenen Personen abgeglichen, die in den Polizeidatenbanken als rechtsmotivierte Straftäter »markiert« waren. Es habe sich aber gezeigt, daß die Vergabe dieser Markierung in Bund und Ländern »nicht einheitlich« erfolgt sei. Deshalb wurde jetzt erstmals die vom BKA geführte Datei »Innere Sicherheit« herangezogen, in der – jedenfalls theoretisch – sämtliche Beschuldigte und Verdächtige politisch motivierter Straftaten gespeichert sind. Dadurch habe man, so die Regierung, »eine bessere Gewähr für ein höheres Maß an Vollständigkeit«. Anders ausgedrückt: Bislang wurden schlichtweg nicht alle polizeilichen Datenbanken genutzt, die zur Verfügung standen – ein klarer Hinweis darauf, daß die Anlage von immer mehr Datensammlungen mitnichten einen Gewinn an Sicherheit darstellt.
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist gerade mal ein Drittel der flüchtigen Neonazis bekannt. Von diesen wiederum gelten neun als Mitglieder von Kameradschaften, fünf sind der NPD bzw. deren Umfeld zuzurechnen. An der Schwierigkeit, die zahlreichen Datenbanken sinnvoll auszuwerten, wird auch die inzwischen eingerichtete Datei zu rechtsextremen Gewalttätern nichts ändern. Dort sind derzeit 30 Neonazis erfaßt. Die Datei speist sich aus Informationen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Daß diese mitunter dazu neigen, den politischen Charakter einer Straftat zu ignorieren, ist schon lange bekannt.
Man arbeite nun an einer Vereinheitlichung der Erfassungskriterien, so die Bundesregierung. Ausdrücklich räumt sie ein, daß die jetzt vorgelegten Zahlen »als nicht abschließend zu betrachten« seien – im Klartext: Weit über ein Jahr nach Auffliegen der NSU-Mordserie gibt es immer noch keine verläßliche Übersicht, wie viele Neonazis tatsächlich untergetaucht sind. Es sind aber auf jeden Fall mehr als 266. Bei alldem pflegt die Bundesregierung weiterhin ihre Extremismustheorie: Man wolle künftig offene Haftbefehle »phänomenübergreifend« erheben – also von »Rechts-« genauso wie von »Linksextremisten«.
Schwer einzuschätzen ist die Gefahr, die von den Gesuchten ausgeht. Manche werden nur gesucht, weil sie ihren Unterhalt oder eine Geldstrafe etwa wegen Schwarzfahrens nicht bezahlt haben. Nach 49 wird wegen einer Gewalttat gefahndet. Als prinzipiell gewalttätig sind im polizeilichen Informationssystem 65 der Gesuchten vermerkt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 13.03.13
Bereits am Freitag ist die Polizei in Karlsruhe mit Schlagstöcken und Hunden gegen Flüchtlingsaktivisten der »Refugees Revolution Bustour« vorgegangen. Am Sonntag hat sich in Köln Ähnliches abgespielt – Sie waren dabei, was war los?
Die Polizei hat überreagiert– und zwar unmittelbar, nachdem die etwa 25 Aktivisten der Flüchtlings-Bustour in Köln-Ehrenfeld nachmittags im Lager in der Geißelstraße angekommen waren. Mehr als 80 Polizisten attackierten die Besucher, die nur gekommen waren, um die dort lebenden Flüchtlinge über ihre Proteste gegen die Abschiebepraxis, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der freien Wohnungswahl zu informieren.
Sie waren am 26. Februar von ihrem Camp am Berliner Oranienplatz aufgebrochen. Bis Freitag hatten sie andere Lager in der Republik besucht – ohne daß es irgendwelche Zwischenfälle gegeben hätte. In Köln aber rasten plötzlich etwa 20 Polizeiwagen an und sperrten die Straße vor dem Lager ab. Die Beamten kesselten die Aktivisten ein, prügelten sie mit Schlagstöcken, versprühten Pfefferspray. Bellende Hunde mit Maulkorb sprangen die Flüchtlinge und ihre Unterstützer an und verbreiteten Panik. Sanitäter zur Behandlung der Verletzten wurden nicht durchgelassen, zuerst auch keine Krankenwagen.
Es wurden 19 Personen festgenommen und ins Präsidium Köln-Kalk transportiert. Dort wurden zunächst nicht einmal Anwaltsbesuche zugelassen.Welche Verletzungen gab es?
Wir sind noch dabei, Einzelheiten zu recherchieren. Ein Aktivist berichtet, ein Polizist habe einen der Besucher gewürgt. Andere, die ihm helfen wollten, seien wegen Gefangenenbefreiung angezeigt worden. Ihm selbst habe ein anderer Polizist Tränengas in die Augen gesprüht, als er am Boden lag. Als er daraufhin keine Luft mehr bekommen habe und im Krankenwagen behandelt werden sollte, habe ihn ein Beamter als »asozial« beschimpft und das damit begründet, andere wollten auch in den Krankenwagen, er gehörte ins Polizeiauto. Ich selber habe ein Mädchen gesehen, das weinte und über Kopfschmerzen klagte, weil es einen Knüppel über den Kopf gezogen bekommen habe. Als ich darauf bestand, sie müsse ins Krankenhaus gefahren werden, wurde ich beiseite geschubst: »Das haben Sie nicht zu entscheiden.«Wie kam es zu diesem Überfall?
Das fragen wir uns auch. Es sieht so aus, als sei alles von vornherein geplant gewesen. Als die Aktivisten am Lager ankamen, wartete dort bereits ein Polizeiwagen.Welche Anzeigen liegen gegen die Besucher des Flüchtlingslagers vor?
Ein Sammelsurium: Unter anderem »Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte«, »Landfriedensbruch« usw. Wegen »Hausfriedensbruchs« wurden sogar Leute angezeigt, die das Haus gar nicht betreten, sondern nur davor gewartet hatten. Auf jeden Fall werde all dies negative Konsequenzen auf ihre Asylverfahren haben, wurde den Aktivisten mitgeteilt.Wie haben Anwohner reagiert?
Die SPD will sich im Bundestagswahlkampf als Partei der sozialen Gerechtigkeit profilieren. Der Parteivorstand beschloß am Montag in Berlin das Wahlprogramm für den 22. September mit dem Titel »Deutschland besser und gerechter regieren: Für ein neues soziales Gleichgewicht in unserem Land«, wie SPD-Kanzlerkandiat Peer Steinbrück in Berlin mitteilte. Versprochen werden unter anderem eine neue Vermögenssteuer und ein erhöhter Spitzensteuersatz sowie ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Bildung von der Kita bis zur Hochschule soll künftig generell gebührenfrei sein. Das rund 100seitige Programm muß noch am 14. April von einem Bundesparteitag beschlossen werden.
Steinbrück erklärte, der SPD gehe es darum, »einige Steuern für einige zu erhöhen«. Starke Schultern müßten zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben mehr beitragen, betonte Steinbrück, nachdem unter dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder der Spitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent gesenkt worden war. Außerdem, so Steinbrück, müsse die Schuldenbremse eingehalten und die wirtschaftsnahe Infrastruktur ausgebaut oder saniert werden. »Es geht um die Bändigung von Fliehkräften unserer Gesellschaft.«
Mit den unter Schröder beschlossenen Hartz-IV-Gesetzen und ihren Zumutbarkeitsregeln für die Bezieher von Lohnersatzleistungen waren diese Fliehkräfte zunächst verstärkt worden. »Vieles in Wirtschaft und Gesellschaft ist aus dem Lot geraten«, sagte Steinbrück. Nun verspricht der neue SPD-Kanzlerkandidat für den Fall seiner Wahl eine »demokratiekonforme Marktwirtschaft« sowie eine umfassende Finanzmarktkontrolle und die Begrenzung von Managergehältern.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hatte am Montag im ARD-Morgenmagazin mit einer dezenten Selbstkritik auf die Schröder-Ära zurückgeblickt und »einige Übertreibungen, zum Beispiel bei der Deregulierung der Leiharbeit«, eingeräumt. Sie fügte aber hinzu: »Im Kern hat uns die Agenda 2010 vorangebracht.« Nahles warnte aber davor, die Menschen mit immer neuen Renteneintrittsaltern zu verunsichern. Überlegungen zu einer noch längeren Arbeitszeit sollten »in den Schreibstuben der Universitäten belassen« werden, betonte sie. Das gilt wohl wenigstens bis nach der Wahl.
Quelle: www.jungewelt.de vom 12.03.13
Nach über einem Jahr Arbeit hat der Thüringer Untersuchungsausschuß zum »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) am Montag in Erfurt seinen Zwischenbericht an die Landtagspräsidentin Birgit Diezel (CDU) übergeben. Auf über 550 Seiten bündelt das Papier den derzeitigen Kenntnisstand – den jährlichen Zwischenbericht hat sich das Gremium selbst auferlegt, vorgeschrieben ist eine solche Veröffentlichung nicht. Doch aus Thüringen stammen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, die mutmaßlichen Gründer des NSU. Hier befand sich der Nährboden aus rechten »Kameradschaften«, aus dem eine Terrorzelle erwachsen konnte. Der Bericht lege Zeugnis über eine Zeit ab, in der Thüringen die »ungeteilte Verantwortung« trage, sagte die Ausschußvorsitzende Dorothea Marx (SPD) gestern.Der Bericht faßt die bisherigen Erkenntnisse des Gremiums zusammen: Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) habe mit Tino Brandt unzulässig eine Führungsperson als sogenannten V-Mann angeworben. Rechte Gewährsleute seien vor Strafverfolgung geschützt worden. Schließlich bemängelt das Gremium die Auflösung der Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko REX) der Thüringer Polizei Mitte der 1990er Jahre. Es sei »nicht mehr aufzuklären«, »wann, durch wen und aus welchem Grund« die Soko zerschlagen worden sei. Die Ermittlungen in der neonazistischen Szene seien durch diesen Schritt deutlich erschwert worden. Kritik findet auch die Arbeit des LfV: Bereits in der Anfangsphase der 1991 gegründeten Behörde sei »durch das Innenministerium massiv auf die Personalbesetzung Einfluß genommen« worden. Bei »mindestens zwei dieser veranlaßten Personalentscheidungen« hätten »erhebliche Sicherheitsbedenken« bestanden.
Der Ausschuß hatte den Bericht in der vergangenen Woche mit sechs Ja-Stimmen verabschiedet (jW berichtete). Die Obleute der Linken, Martina Renner und Katharina König, hatten sich enthalten. Sie stellten dem Papier ein Sondervotum zur Seite, in dem sie darauf verwiesen, daß die Versäumnisse beim LfV keine »Pannen« gewesen seien, sondern im System begründete Ursachen gehabt hätten. Renner warf dem Inlandsgeheimdienst kriminelles Agieren, moralloses Handeln und das Vernichten von Beweismitteln vor. »Beim Verfassungsschutz sehen wir keine Pannen, da sehen wir Schuld«, sagte sie.
Der Ansicht des als Sachverständigen gehörten Dokumentarfilmers Konrad Weiß, nach der »stalinistischer Terror« in der DDR »den Antifaschismus nachhaltig diskreditiert« habe, wird im Bericht ausführlich Platz zugebilligt. Nach ihm hätten »Defizite des ›SED-Staates‹ die Auferstehung der nationalsozialistischen Ideologie begünstigt«; die rechte Gefahr sei jedoch ignoriert worden. Zeugen hatten dieser Ansicht deutlich widersprochen: Rechtsradikale Strukturen hätten für die Kriminalpolizei erst nach der »Wende« eine Rolle gespielt, sagte beispielsweise Hauptkommissar Jürgen Dressler.
Einig sind sich die Obleute der Linken und der anderen Parteien darin, daß die Honorare, die über V-Mann Brandt in den »Thüringer Heimatschutz«, eine Vorläuferorganisation des NSU, flossen, einer »mittelbaren Unterstützung des rechten Milieus« gleichgekommen seien. Dem »staatlich verordneten Antifaschismus« der DDR folgte also ein staatlich finanzierter Anti-Antifaschismus in der Bundesrepublik. Nur auf den ersten Blick bizarr nimmt sich daher eine weitere Passage im Bericht aus, nach der seitens des Thüringer Innenministeriums Einfluß auf die Abfassung der Verfassungsschutzberichte genommen worden sei, um »nachwirkenden Strukturen der DDR und des MfS breiten Raum« zu geben. Das zumindest war keine Panne, es war Regierungsauftrag.
Das ist wirklich dummes Zeug. Gerhard Schröder, die SPD-Spitze und diese Professoren haben entweder keine Ahnung von Deutschland oder stehen auf der Gehaltsliste der Wirtschaftslobby. Die Agenda 2010 hat viele Menschen in die Armut gestürzt und die Ausbeutung von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Lohndumping und Leiharbeit ermöglicht. Die Unternehmen liegen den Steuerzahlern über die Aufstockerei mit etwa zehn Milliarden Euro jährlich auf der Tasche, weil sie keine anständigen Löhne zahlen. Die DAX-Konzerne haben ihre Gewinne hingegen allein in den letzten drei Jahren um 150 Prozent gesteigert.
Deutschland war mit der Agenda 2010 viele Jahre Schlußlicht beim Wachstum in Europa. Das Arbeitsvolumen ist seit dem Jahr 2000 nur unwesentlich gestiegen. Das Jobwunder ist ein Hungerlohnwunder. Ökonomen, die nun am Rande einer Rezession schon wieder Rentenkürzungen durch eine Rente erst mit 70, weitere Aufweichungen des Kündigungsschutzes und massive zusätzliche Belastungen für Kranke fordern, sind eine Gefahr für die Allgemeinheit.
Frank-Walter Steinmeier kritisiert die Kanzlerin, daß sie keine Agenda 2010 vollbracht habe, und Altkanzler Schröder fordert eine Agenda 2020. Das ist nur mit der Sehnsucht nach einer großen Koalition zur Zerstörung des Sozialstaats nach der Bundestagswahl zu erklären.
Die Linke wird Nein zu weiteren Lohn- und Rentenkürzungen einer Agenda 2020 sagen. Wir fordern eine Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 500 Euro, die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von zehn Euro, einen Stopp der Leiharbeit sowie der Rente erst mit 67.
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.03.13
Indiens Patentprüfungsausschuß in Chennai hat in der vergangenen Woche ein Urteil aus dem Jahr 2012 bekräftigt: Danach darf der einheimische Arzneimittelhersteller Natco in Hyderabad weiter das von ihm unter Pflichtlizenz produzierte Krebsmedikament Nexavar vertreiben. Dabei handelt es sich um ein generisches Erzeugnis, für das die deutsche Bayer AG ein Patent besitzt. Dieses gilt in Indien bis zum Jahre 2020. Doch auf der Basis von Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO) erteilte Indiens Generaldirektor für Patente, Design und Handelsmarken im Frühjahr 2012 der Firma Natco eine Sondergenehmigung, die sogenannte Pflichtlizenz. Das ist möglich, weil Bayers Originalprodukt für die meisten indischen Patienten unerschwinglich ist und auch nicht ausreichend angeboten werden konnte. Eine Monatsdosis von 120 Tabletten des Medikaments kostet bei Bayer 280000 Rupien, bei Natco hingegen 8800 Rupien. Selbst das ist für sehr viele Inder weit mehr als ein Monatslohn.Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat die Bestätigung aus Chennai vorbehaltlos begrüßt. Oliver Moldenhauer, ihr Medienkoordinator in Deutschland, erklärte: »Die Entscheidung stärkt Zwangslizenzen als wichtiges Instrument zum Schutz der öffentlichen Gesundheit … Patente machen lebenswichtige Medikamente für Patienten in armen Ländern oft unbezahlbar, während die Konkurrenz durch Generikahersteller schnell und nachhaltig für deutlich niedrigere Preise sorgt.« Nun komme es darauf an, daß Indien und andere ärmere Länder das Instrument der Zwangslizenzen stärker einsetzen. Dann könnten bald auch neuere HIV- bzw. AIDS-Medikamente von Generikaproduzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises hergestellt werden. Für bedürftige Patienten in Indien und anderen Entwicklungsländern sei das eine gute Nachricht.
Das Wertvolumen des indischen Arzneimittelmarktes wird auf mindestens 13 Milliarden Dollar geschätzt. 90 Prozent aller Medikamente sind Generika, die nicht nur für den Eigenbedarf hergestellt, sondern auch im Ausland vermarktet werden. Deshalb spricht man auch von der indischen »Apotheke der Armen«. Sie versorgt sowohl etliche Gesundheitsprogramme in Entwicklungsländern als auch zahlreiche Hilfsorganisationen mit kostengünstigen generischen Pharmaka. Mehr als 80 Prozent der AIDS-Medikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 220000 Patienten behandelt, sind relativ billige Nachahmerpräparate aus Indien.
Der Patentprüfungsausschuß in Chennai hatte sich um eine ausgewogene Entscheidung bemüht und die Lizenzgebühren, die Natco an Bayer zahlt, von sechs auf sieben Prozent der Verkaufserlöse erhöht. Doch der deutsche Pharmariese will vor ein Gericht in Mumbai ziehen und das Chennai-Urteil anfechten. Ein Firmensprecher erklärte laut Times of India, man sei entschlossen, das Patent für Nexavar zu schützen und »weiterhin rigoros unsere intellektuellen Eigentumsrechte im Rahmen des indischen Rechtssystems zu verteidigen«.
An anderer Stelle heißt es in dem Statement, die Herausforderungen des indischen Gesundheitssystems hätten wenig oder gar nichts mit Patenten für Pharmazeutika zu tun. Vielmehr sei eine der Haupthürden der Mangel an adäquaten Gesundheitsdiensten und Infrastruktur, um Medikamente an die Patienten zu bringen, die sie am dringendsten brauchen. Eine solche Einstellung dürfte die Fronten eher verhärten. Aus der Firma Natco war zu hören, in Chennai sei eine vernünftige und detaillierte Entscheidung getroffen worden, die vor jedem Gericht Bestand habe.
Die Pharmamultis argumentieren, in ihre Preise seien eben auch die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten eingeflossen. Deshalb sollten Pflichtlizenzen nur in Katastrophenfällen ausgestellt werden. Sie beschweren sich besonders über Indien, das ihrer Einschätzung nach Patentrechte häufig unterläuft. Internationale Hilfsorganisationen halten dagegen, indische Generika seien schlichtweg Lebensretter in vielen Entwicklungsländern.
Die Teilnehmer der »Refugees Revolution Bustour«, die Flüchtlinge in den Sammelunterkünften deutscher Städte über ihre Rechte aufklären und Anwohner informieren will, sind offenbar am Freitag in Karlsruhe und am Sonntag in Köln mit rabiaten Polizeieinsätzen empfangen worden. Bei einer Versammlung vor der Landesaufnahmestelle für Asylsuchende (LASt) sei die Karlsruher Polizei »brutal mit Teleskopschlagstöcken und Hunden ohne Maulkorb« gegen sie vorgegangen, teilten die Organisatoren mit. »Wir haben in Leipzig, Augsburg und Reutlingen demonstriert, nie kam es zu derartigen gewalttätigen Übergriffen wie heute in Karlsruhe«, so einer der teilnehmenden Flüchtlinge. Ein älterer Unterstützer, der sich telefonisch bei jW meldete, berichtete von einer Ellenbogenverletzung: »Ein wohl besonders aufgehetzter Hundeführer versetzte mir in vorderster Reihe einen derartig heftigen Stoß, daß ich der Länge nach stürzte und durch den Aufprall auf dem Asphalt für eine Weile das Bewußtsein verlor.« Gründe für das rabiate Vorgehen wurden laut Bustourbegleiterin Conny Kiehne von der Polizei nicht genannt. Der im Internet veröffentlichte Karlsruher Polizeibericht verzichtet auf eine eigene Version des Geschehens vor der LASt, ein Pressesprecher war am Sonntag nicht zu erreichen. Die Organisatoren der Bustour teilten mit, am Samstag hätten sich trotz der Einschüchterungsversuche mehrere Flüchtlinge an einer Demonstration in der Karlsruher Innenstadt beteiligt. Am Sonntag seien die Aktivisten der Bustour beim Betreten einer Flüchtlingsunterkunft in Köln erneut von der Polizei attackiert worden. Kiehne sagte kurz vor Redaktionsschluß im Telefonat mit jW, sie sitze in einem Polizeiauto und warte auf die Personalienfeststellung, nachdem sie geschlagen und mit Pfefferspray angegriffen worden sei.
(clw)
refugeesrevolution.blogsport.de
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.03.13
Immer wieder wird DIE LINKE. mit der Frage nach einer Koalition oder Zusammenarbeit mit SPD und Grünen bzw. nach der Wahl eines Kanzlers Steinbrück konfrontiert. Dies ist intellektuell fast so gehaltvoll wie die Frage nach einer Koalitionsmöglichkeit mit der CDU. Auch diese versucht mit der „Lohnuntergrenze“ scheinbar Programmpunkte der Linken aufzugreifen.
Eine Zusammenarbeit mit der SPD ist fiktiv, allein schon weil sie jegliche Debatte über diese Perspektive und mögliche Inhalte verweigert. Die Agenda-Politiker in der SPD wissen, dass ein Bündnis mit der Linken ohne einen wirklichen Politikwechsel nicht möglich wäre. Deshalb bunkert sich die SPD unbenommen von Umfragewerten in ihrem Wunschdenken von einem rot-grünen Projekt ein. Und hinter den Kulissen bereitet sie sich auf eine Große Koalition vor, denn arithmetisch ist kaum absehbar, dass das Wahlergebnis Rot/Grün eine Mehrheit beschert. Diese Perspektive ist der SPD attraktiver als die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit der LINKEN.
Die SPD verweigert sich prinzipiell einer Perspektive mit uns, weil sie weiß, dass ihr Gerede von einer Rückwendung zu sozialer Gerechtigkeit auf den Prüfstand kommen würde. Bei einer Kooperationsperspektive mit der LINKEN wäre klar, dass links blinken nicht reicht – sondern dass auch wirklich nach links abgebogen werden müsste.
In der Konsequenz heißt dies, dass der SPD „Beinfreiheit“ beim Abbiegen nach rechts wichtiger ist, als die Politik in diesem Land für mehr soziale Gerechtigkeit zu verschieben – unbenommen aller programmatischen Ankündigungen. Frei nach Müntefering, der 2006 den Wahlbetrug mit der Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent wie folgt kommentierte: „Ich bleibe dabei: Dass wir oft an Wahlkampfaussagen gemessen werden, ist nicht gerecht.“ Denn, so seine Meinung, Regieren ist etwas anderes als Wahlkampf.
Bezeichnenderweise kritisiert Daniel Brössler in der Süddeutschen Zeitung die SPD für ihre „unsouveräne Haltung gegenüber der Linken.“ Er schlägt der SPD vor, der LINKEN ihrerseits konkrete Bedingungen für eine Kooperation zu benennen. Seiner Meinung nach müssten dies die Zustimmung zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr und das Festhalten an der Agenda 2010 sein.
Die SPD wird diesen Vorschlag der Süddeutschen jedoch nicht aufgreifen weil sie Farbe bekennen müsste, was die Menschen von einer Regierungspartei SPD zu erwarten hätten. Dies wäre eine Klarstellung, die gerade in Hinblick auf die Agenda-Politik ihrem momentan inszenierten sozialen Imagewandel zuwiderlaufen würde.
Schließlich versucht die SPD gerade mit vereinten Kräften, durch angebliche „Nachjustierungen“ an der Agenda 2010 den Eindruck einer Linkswende zu erwecken. So soll vernebelt werden, dass sie es selbst war, die gemeinsam mit den Grünen die Agenda 2010 und damit das größte Sozialabbauprogramm der Nachkriegszeit durchgesetzt hat.
Was die SPD aktuell macht, ist nichts anderes als ein Linksblinken. Nach der Wahl droht wieder das Rechtsabbiegen – egal ob mit den Grünen oder aber an der Seite der CDU. Das soll aber möglichst vor dem 22. September niemand merken. Diesen drohenden Wahlbetrug verhindern oder zumindest abmildern kann nur ein starke Linke im nächsten Parlament.
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Ein Artikel von Michael Schlecht,
Mitglied des Bundestages,
Gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.
Spitzenkandidat zur Bundestagswahl in Baden-Würtemberg
Veröffentlicht am 07.03.13. Mehr Informationen erhalten sie auch unter www.michael-schlecht-mdb.de
(…) Für den Justizapparat ist klar, der Feind steht links. Er greift uns mit allen Mitteln an, sei es mit Abhör- und Bespitzelungsmaßnahmen, mit Geldstrafen, Prozessen, Verurteilungen, mit direkter Gewalt – oder eben mit Haftstrafen und Isolationshaft. Seitdem die Krise begonnen hat, verschärft sich die Repression immer weiter. Das zeigt sich auch an neuen Gesetzen, die der Polizei immer mehr Befugnisse geben. Beispiele hierfür sind die Überwachung mit Drohnen, die vereinfachte Überwachung der Kommunikation, die Befugnis der Polizei, V-Leute zu beauftragen und – wie in Sachsen-Anhalt – das Abschalten von einzelnen Sendemasten. Parallel dazu trainiert die Bundeswehr die Aufstandsbekämpfung und wurde gesetzlich legitimiert, im Inneren eingesetzt zu werden. (…)
Die Geschichte zeigt, daß nur eine geeinte Linke den Angriffen des Staates etwas entgegensetzen kann. (…) Wenn linke Politik angegriffen wird, spielt die ideologische Ausrichtung nur eine untergeordnete Rolle – es muß uns darum gehen, diesen Angriffen unsere Solidarität entgegenzustellen und damit den Angriffen den Wind aus den Segeln zu nehmen. (…) Mit Tagen wie dem 18. März – dem Tag der politischen Gefangenen – kann ein Grundstein dafür gelegt werden, auf diese Angriffe aufmerksam zu machen und Solidarität zu organisieren. Mit einer Demonstration am Samstag, den 23. März, in Magdeburg (…) und einem Kongreß zur Vernetzung von verschiedenen Antirepressions- und Soligruppen möchten wir an die gemachten Erfahrungen anknüpfen und den Angriffen gegen uns ein gemeinsames Vorgehen entgegensetzen. (…)
Antirepressionsdemonstration am Samstag, 23. März 2013, 14 Uhr, Magdeburg-Hauptbahnhof
Quelle: www.jungewelt.de vom 06.03.13