Der deutsche »Jahrhundertprozeß« gegen Beate Zschäpe und andere begann ohne ein Zeichen der Reue. Zschäpe, die mutmaßlich einzige Überlebende des »Nationalsozialistischen Untergrundes«, soll den Nebenklägern der Opferfamilien vor dem OLG München am Montag demonstrativ den Rücken zugekehrt haben. Ein beschuldigter Terrorunterstützer zeigte aus einem Polizeiwagen heraus gar einen »Stinkefinger« in Richtung der Fotografen. Renitente, verstockte Neonazis, die keine Silbe der Entschuldigung für ihre Taten aufbringen und obendrein die Presse verhöhnen. Das paßt.
Ebenso passend ist es, daß die etablierte deutsche Medienlandschaft, ob mit oder ohne Platzkarte für die große Zschäpe-Show, solchen Details gern Beachtung schenkt. Als sei Reue zu erwarten gewesen, als würde sie irgend etwas ändern: am Leid der Hinterbliebenen, an der Verunsicherung unter Millionen hier lebenden Migranten, an der Rolle der deutschen Dienste im NSU-Komplex. Das Verfahren gegen die mutmaßlichen Mörder von zehn Menschen, die Bombenleger von Köln und Polizistenmörder von Heilbronn – es ist zusammengeschnurrt auf die Hauptbeschuldigte und ihr Verhältnis zu ihren beiden Katzen. Daran ist die Presse nicht unschuldig.
Vor Gericht werden keine großen Enthüllungen zu erwarten sein. Im Gegensatz zu den Untersuchungsausschüssen in Bund und Ländern, die wenigstens lose Fäden zur Verwicklung der Sicherheitsapparate hinterlassen, werden sich Staatsanwaltschaft und Richter weigern, über irgend etwas zu verhandeln, was nicht Gegenstand der Anklage ist. Auch die Begründung dafür kennen wir schon: Um das »Leid der Opfer« nicht durch Ausweitung der Verfahrensdauer »zu verlängern«. Die Hinterbliebenen, sie leiden seit vielen Jahren, seit die Polizei die Verwandten der Ermordeten zu den ersten Verdächtigen gestempelt und das Ansehen der Toten mit wüsten, aus der Luft gegriffenen Beschuldigungen verhöhnt hat. Doch die Polizei sitzt in München nicht auf der Anklagebank; ebensowenig wie der Verfassungsschutz, der Militärische Abschirmdienst, die Landes- und Bundeskriminalämter, der Bundesnachrichtendienst. Sie alle haben ihre V-Leute ganz tief drin in dem Milieu, das den NSU gebar.
Doch der NSU existiert nicht mehr, befand die Bundesanwaltschaft – durch Selbstmord aufgelöst. Was bleibt, sind Desperados, Einzeltäter, Irre. Dazu passend warnte der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen: »Was uns große Sorge bereitet, sind Kleinstrukturen, die sich im Internet zusammentun«. Er denke jedoch, »daß wir eigentlich einen guten Überblick haben«, so der Behördenchef am Sonntag.
An diesem guten Überblick besteht kein Zweifel – er ist Teil des Problems. Die junge Welt, vom Losglück begünstigt, wird vom Prozeß berichten. Und gleichzeitig die Dienste im Auge behalten, die bereits wieder mit jener Selbstherrlichkeit agieren, die geradewegs in die Katastrophe führte, welche nun in München verhandelt wird.
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.05.13
« Auch die Anklagebank ist zu klein – Juncker und der Terror. Luxemburgs Premier mußte dem Geheimdienstausschuß seines Parlaments Rede und Antwort stehen. Von Daniel Bratanovic und Peter Wolter »
No comments yet.
Sorry, the comment form is closed at this time.