Wolfgang Huste Polit- Blog

Rechtsstaat begraben. Trotz anderslautender Gerichtsurteile: Polizei stoppt gewaltsam Blockupy-Demonstration zur Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Von Gitta Düperthal, Frankfurt am Main

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Alles deutete am Samstag mittag in Frankfurt am Main darauf hin, daß es eine bunte Großdemonstration von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Mitgliedern von Erwerbslosen- und Flüchtlingsinitiativen, Flughafenausbaugegnern, der Linkspartei und europäischen Aktivistinnen und Aktivisten geben würde. ATTAC-, IG-Metall und ver.di-Fahnen wehten, die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten war zahlreich vertreten, die Stimmung fröhlich. Doch dann wurde der Zug der Kapitalismuskritiker, die gegen die Verarmungspolitik der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission protestieren wollten, brutal von der Polizei gestoppt. Die Veranstalter sprachen nach ihrem visuellem Eindruck von rund 20000 Protestierenden, hatten aber die Zählung »wegen des gewaltsamen Polizeieinsatzes« abbrechen müssen; die Polizei gibt die Zahl mit 7000 an. Ohne sichtbaren Anlaß waren Polizisten in den Zug gestürmt. Die Einkesselung eines ganzen Blocks – Anwälte des unabhängigen Ermittlungsausschusses zählten darin 1050 Personen – begründeten Beamte gegenüber junge Welt mit dem Werfen von Feuerwerkskörpern und der »Passivbewaffnung« einiger Teilnehmer. Darunter seien auch Transparente, Sonnenbrillen und Regenschirme zu verstehen. Der Polizist, der diese Auskunft gab, sagte zugleich, er teile in diesem Punkt nicht die Meinung seines Dienstherrn. Andere setzten sie sehr bereitwillig um: Immer wieder kam es zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken, Geschubse und Rangeleien der behelmten Polizisten gegen Teilnehmer. Augenzeugen berichteten, zum Werfen der Bengalischen Lichter und Farbbeutel sei es erst gekommen, nachdem die Polizei in die Demonstration hinein gespurtet sei. Somit wurde die Großdemo, die zur EZB führen sollte und deren Route vom hessischen Verwaltungsgerichtshof genehmigt worden worden war, letztlich durch die Polizei unterbunden. »Alles deutet darauf hin, daß diese Eskalation von der Polizeiführung in Wiesbaden von langer Hand vorbereitet und der Kessel an dieser Stelle von vornherein geplant worden ist«, sagte Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann. Dixie-Toiletten für die Eingekesselten seien zum Beispiel nach wenigen Minuten vor Ort gewesen.

Die ganze Stadt war zu diesem Zeitpunkt mit Polizeiketten abgesperrt, die EZB weiträumig mit Stacheldraht. Ein Demonstrant sei im Kessel kollabiert, habe ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen, so Blockupy-Sprecher Hanno Bruchmann. Ein weiterer, der selbst einen Bluterguß unter dem Auge hatte, sagte am Samstag abend gegenüber junge Welt, er habe gesehen, wie mehrere andere Aktivisten ebenfalls auf den Kopf geschlagen worden seien. Auch die Pressefreiheit wurde zwischenzeitlich außer Kraft gesetzt. All das ging selbst der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu weit: Die berichtete am Samstag über ein hartes Durchgreifen der Polizei »ohne echten Grund, wie viele sagen« – unter den Verletzten sei offenbar auch ein Journalist gewesen. An der Neuen Mainzer Straße verwehrte die Polizei Medienvertretern den Zugang zum Kessel mit der Begründung, dort sei »gar nichts los«. Auf den Einwand von jW, daß man ja dann ruhig nachschauen könne, hieß es: »Die Presse darf nicht mehr durch: Anweisung von oben, der Polizeiführung in Wiesbaden«. Parlamentarische Beobachter wurden ebenfalls nicht respektiert: »Sie sind kein Abgeordneter! Der Ausweis ist gefälscht«, habe er sich anhören müssen, berichtete der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. »Ein schwarzer Tag für die Demokratie! Der Rechtsstaat wurde in Frankfurt begraben«, resümierte er.

Die Demonstranten des von der Polizei als gewaltbereit bezeichneten Blocks hätten sich auch noch kurz vor der Räumung am späten Nachmittag nicht »von den aggressiv vorrückenden Einheiten« provozieren lassen, so Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, das mit 20 Beobachtern vor Ort war. Die Polizei sei »mit äußerster Brutalität und Schmerzgriffen, die die körperliche Unversehrtheit verletzten« vorgegangen. Vor der Absperrung an der Hofstraße, wo Polizisten ohne Kampfmontur im Einsatz waren, gab es um 21.15 Uhr für dieses Vorgehen Claqueure, die den dortigen Polizisten sichtlich peinlich waren. Geschniegelte kurzhaarige Rechtsextreme freuten sich dort: »Gut, daß ihr denen mal so richtig auf die Fresse gebt, macht ruhig weiter«.

Das Blockupy-Presseteam faßte zusammen: Die Demonstranten hätten trotzdem kämpferisch protestiert und sich nicht spalten lassen, mehrere tausend seien aus Solidarität bis in die späte Nacht auf der Straße geblieben. Erst um 22.30 Uhr hatten die Veranstalter die Proteste mit einer Kundgebung gegen Polizeiwillkür und -gewalt beendet. Laut Ermittlungsausschuß waren insgesamt 2000 Personen im Rahmen der Aktionstage von Polizeimaßnahmen betroffen, 200 wurden durch Reizgas, Knüppel und Faustschläge verletzt.

Quelle: www.jungewelt.de vom 03.06.13
Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 02. Juni 2013 um 22:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Siehe auch hier: http://rt.com/news/frankfurt-march-police-scuffles-112/

    Comment: Wolfgang Huste – 03. Juni 2013 @ 09:53

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