Wolfgang Huste Polit- Blog

Monopoly mit der Gesundheit der Bevölkerung – Bereitschaftsdienste in Not. Von Winfried Heinzel

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Ob wir ein staatliches Gesundheitssystem haben oder eines, das über Sozialversicherungen organisiert wird, wir sehen überall eine zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung des Gesundheitswesens bzw. der Medizin. Krankheit ist keine Ware, das ist klar, aber das Gesundheitswesen wird zum Markt, Gesundheit und Krankheit werden zu Waren.
Hier zeigt sich das ganze Ausmaß der desaströsen Lage: Während früher das Maß für das Funktionieren unseres sozialen Rechtsstaates in Bund, Land und Kommune das Wohl seiner schwächsten Glieder war, treten nach etwa 20 Jahren Deregulierungseuphorie zunehmend Konsumentensouveränität und Verbraucherschutz an dessen Stelle. Durch das Patientenrechtegesetz soll nun offenbar nach den Wünschen der lobbyhörigen Parteien und Volldemokraten die Gesundheitswirtschaft einen weiteren Wachstumsschub erhalten. Neue Dienstleistungsfelder für Beratungsstellen, Verbraucherschützer,  Gesundheitsanwälte und Rechtsschutzversicherungen zeichnen sich bereits ab. Bereits heute ist der florierende „Wachstumsmarkt Gesundheit“ auf
Gesundheits-Messen und -Kongressen zu bewundern.
In ganz Europa gibt es Tendenzen der Kommerzialisierung und Privatisierung der öffentlichen Einrichtungen im Allgemeinen und des Gesundheitswesens im Besonderen. In Deutschland teilen sich vier große Konzerne einen erheblichen Anteil des „Krankenhaus-Markts“ auf; der ambulante Sektor wird schon lange quasi privatwirtschaftlich betrieben; das ganze Gesundheitssystem ist strukturell anbieterdominiert. Die gesetzlichen Krankenkassen werden
immer mehr zu Unternehmen umgebaut – nicht zuletzt durch die aktuell geplante (/und inzwischen realisierte/) Unterstellung unter das Kartellrecht.
Die von der SPD geforderte Bürgerversicherung ist so gut wie vom Tisch: Die Union will am bisherigen System grundsätzlich festhalten.
Die Bürgerversicherung wird ja von Hannelore Kraft, Peer Steinbrück, von Sigmar Gabriel, von Frank-Walter Steinmeier, von jedem mittlerweile in der Partei ohne Wenn und Aber vertreten. Das ist eine Konsensposition der gesamten Spitze der Partei, sollte man meinen.
 Merkwürdig nur: Im 10-Punkte-Programm der unverzichtbaren Forderungen der SPD ist von der Bürgerversicherung keine Rede mehr. Scheint so, als sei man vor der Union schon ein geknickt, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben. Jens Spahn (CDU): „Die Bürgerversicherung ist kein Thema, sie hat offensichtlich auch keine Mehrheit bei den Bundestagswahlen gefunden.
Ich meine, wer das Wahlergebnis sieht, sieht recht schnell bei den Mehrheitsverhältnissen, auch in der Koalition, dass eine Bürgerversicherung jetzt nicht auf der Agenda steht.
Nachdem die Kapitalgesellschaften die GKV längst als „vielversprechendsten zu deregulierenden Markt Europas“ (kma) entdeckt und bereits weitgehend umgestaltet haben, wird es höchste Zeit das „öffentliche Gut Gesundheit“ jenen zu entziehen, die letztlich aus der Not und Abhängigkeit vieler chronisch Kranker ihre Gewinnerwartungen ableiten.
 Die GKV-Kassen kämpfen bisher im Kassenwettbewerb wie konkurrierende Unternehmen gegeneinander ums Überleben. Unsere Solidargemeinschaft wurde durch ein cleveres „teile und herrsche“ aufgesplittert und gegenüber den Leistungsanbietern geschwächt.
Klinikkonzerne schaffen regionale Monopole und versuchen auch die ambulanten Strukturen auf vielerlei Weise in ihren Griff zu bekommen. Pharmaunternehmen beschränken ihre direkten Geschäfte mit einzelnen Kassen längst nicht mehr auf den Verkauf von Arzneimitteln. Sie haben nicht mehr viel in der Pipeline und sind für ihre Kapitalgeber auf neue Geschäfte aus. Nicht umsonst haben sie sich mit Andrea Fischer (grüne Politikerin und Lobbyistin; Sie war von 1998 bis 2001 Bundesministerin für Gesundheit) jemand aus dem für Versorgungsstrukturen zuständigen Lager geholt.
Die AOK Niedersachsen hat ihre Schizophrenie-Patienten an den Johnson & Johnson-Konzern verhökert und erhält für jeden Patienten, den dieser Konzern mit Hilfe von Tochterfirmen dazu bringt, Psychopharmaka zu schlucken Tausende von Euro aus dem Morbi-RSA. Weitere Outsourcing-Programme für die im Vertragswettbewerb erpressbaren GKV-Kassen sind schon in der Mache. Die Kassen vergeben nach und nach ihren öffentlichen Versorgungsauftrag an Kapitalgesellschaften und verkümmern zu gesetzlich legitimierten Geldbeschaffern für eine gierige Krankheitsindustrie.
Die FDP hat mit dem AMNOG den Markt der Integrationsverträge auch für BIG-Pharma geöffnet. Der ehemalige und bis jetzt noch aktuelle FDP-Gesundheitsminister Bahr bot damit nicht nur dem Unternehmen seines Bruders neue Möglichkeiten sondern erfreute mit dem  Versorgungsstrukturgesetz auch Rhön-AG, Helios, Aeskläpius und Sana mit weiteren gesetzlichen Möglichkeiten zur rascheren Übernahme von ambulanten Versorgungsstrukturen.
Der Ausbau des „Dienstleistungsbereiches Gesundheitswirtschaft“ folgt zunehmend den Gesetzen der Profitmaximierung und nicht denen einer effizienten, bedarfsgerechten und in öffentlichem Interesse steuerbaren Versorgungsstruktur.
Die immer größer werdende „zentralisierte Ring-Struktur“ von Notdiensten und Bereitschaftsdiensten, die Reduzierung der Hausärzte und das Aus für Facharztpraxen gehören zum Konzept der künftigen Herrscher im Gesundheitssystem. Übers Land muss kostenmässig der Besuch von der sogenannten „Schwester Agnes“reichen, damit die Profite stimmen. Es reicht aber eben nicht; hier werden die Menschen ländlicherseits im Stich gelassen.
Auch viele in den linken Parteien haben bisher auf das Pferd Kassenwettbewerb gesetzt. Ich denke, dass es jetzt höchste Zeit ist, einer wohlgegliederten regionalisierten und öffentlichen Verantwortung für effiziente, bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen den Weg zu bereiten. Durch seine ablehnende
Haltung in Sachen Kartellrecht bei GKV-Kassen hatte der Bundesrat „mehr Beinfreiheit“ für eine linke Politik geschaffen.
Leider wird die SPD durch die kommende große Koalition, diesen Pfad der Stärkung des gemeinsamen Handels der Kassen gegenüber den der Gesundheitsindustrie, aufgegeben.  Gesundheit ist ein Menschenrecht und deshalb Kernbereich öffentlicher Daseinsvorsorge. Die Politik muss den
Schutz vor Not, Krankheit und Ausgrenzung so gut organisieren, dass mit Hilflosigkeit keine Geschäfte zu machen sind.
Dieser Beitrag wurde am Montag, 25. November 2013 um 18:11 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Sehr gut recherchiert , vielen Dank für die Info. Eine Äusserung hätte ich allerdings gerne kommentiert : Dass es für die Bürgerversicherung keine Mehrheit gibt , wie Herr Spahn von der CDU jetzt gerne immer wieder behauptet , stimmt eigentlich nicht :Nicht nur SPD , sondern auch Grüne und Linke (also insgesamt die Mehrheit des Bundestages) haben sich im Wahlkampf für eine Abschaffung der Zwei-Klassen Medizin stark gemacht und Konzepte vorgelegt , einzig die CDU hält in der Minderheit daran fest.

    Comment: jblum – 10. Januar 2014 @ 12:00

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