EU-Weihnachten 2013: Am Montag zeigt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Seite eins von Bild in Sankt Moritz beim zweiwöchigen Urlaub. Am selben Tag berichtet dpa dreimal aus Griechenland von den jüngsten Folgen der aus Berlin diktierten und in der vergangenen Woche von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD im Bundestag unterstützten Auflagen: In 6000 griechischen Betrieben wird das dringend benötigte Weihnachtsgeld nicht mehr bezahlt oder die Beschäftigten werden gezwungen, per Unterschrift wahrheitswidrig zu bestätigen, daß sie die Gratifikation erhalten hätten. Für griechische Rentner wurde die Zusatzzahlung zum Jahresende schon bei Beginn der Krise gestrichen. Lange Schlangen bildeten sich am Montag vor Steuerämtern, weil immer mehr Menschen ihre Autos abmelden müssen. Und: Gesundheitsminister Adonis Georgiades schlug Alarm, weil die Armen im Lande aus Not mit Holz heizen und die Luftverschmutzung am vergangenen Wochenende in fast allen Städten des Landes bedrohliche Ausmaße angenommen hatte. Nicht die Armut, sondern die Luftpartikel treiben den Minister um: Gibt es zu viel Staub, soll der Strom für Arbeitslose und notleidende Familien am betreffenden und dem darauffolgenden Tag kostenlos sein. Anspruch sollen alle Familien mit einem Jahreseinkommen von weniger als 12000 Euro haben. Mit jedem Kind steige diese Grenze um 3000 Euro, hieß es.
Zum Hintergrund berichten die Agenturen: Seit 2009 sind nach Schätzungen der Gewerkschaftsverbände (GSEE-ADEDY) die Einkommen in Griechenland durchschnittlich um fast 40 Prozent gefallen. Unverändert blieb allerdings der Artikel 107 der griechischen Verfassung: Er garantiert den Reedern des Landes Steuerfreiheit. Am 6. Dezember berichtete die Süddeutsche Zeitung: »Anfang November zwang die Koalitionsregierung die Reeder erstmals, im Rahmen eines neuen Sparpakets 140 Millionen Euro in die Staatskasse zu geben. Sie dürften es verschmerzen. Die Summe entspricht einem Tausendstel der Gewinne, welche die etwa 700 Familien in den Jahren 2000 bis 2010 gemacht haben. 3760 Schiffe gehören griechischen Reedern, davon fahren aber nur 862 unter griechischer Flagge – Gewinne aus ›internationaler‹ Schifffahrt sind steuerfrei.« Griechische Schiffe werden nach einem Gesetz aus dem Jahr 1957 nicht nach Gewinnen, sondern nach Tonnage besteuert. Die Steuerbefreiung schrieben die von der NATO geförderten faschistischen Putschisten von 1967 in die Verfassung. Ihr Geld legen die griechischen Clans in der Schweiz oder in deutschen und britischen Immobilien an. Da ist es vor Merkel und Co. sicher.
Ansonsten sprechen die am Montag verbreiteten Daten für sich: Nach Schätzungen des griechischen Autohandels wurden seit 2009 mehr als eine Million Fahrzeuge abgemeldet. Von Januar bis Ende November sanken die Neuzulassungen nach Zahlen des Branchenverbandes ACEA um 40 Prozent auf rund 55000 Fahrzeuge. Dies war der stärkste Rückgang in der EU.
In einem Bild-Interview warnte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der am Montag seinen 95. Geburtstag beging, die Krise der EU und ihrer Institutionen werde im nächsten Jahr die deutsche Politik einholen »und die anderen Themen beiseite schieben«. Es werde einen Schuldenschnitt für Griechenland geben müssen, weil die Wirtschaft des Landes anders nicht gerettet werden könne.
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