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Straße frei für Neonazis. Magdeburg: Stadtweite Proteste störten rechten Aufmarsch erheblich. Die Polizei setzte ihn dennoch mit allen Mitteln durch. Von Susan Bonath

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Sachsen-Anhalts Polizei nimmt das Demonstrationsrecht sehr ernst. Wie, das zeigte sie am Samstag in Magdeburg: Trotz massiver Gegenproteste ließ sie etwa 900 Neonazis über den Norden nach Osten und schließlich in den Süden der Stadt chauffieren. Rund 2500 Beamte aus zehn Bundesländern sowie 800 Bundespolizisten und zwei Reiterstaffeln sorgten dafür, daß ein Großteil der Rechten fast ungestört durch Wohngebiete im Stadtteil Reform laufen konnte. Dennoch gelang es Antifaschisten erstmals, den für 12 Uhr geplanten braunen »Gedenkmarsch«, zu dem die neofaschistische »Initiative gegen das Vergessen« aus Anlaß des Bombenangriffs auf Magdeburg vor 69 Jahren mobilisiert hatte, um fast vier Stunden zu verzögern.

Noch Samstag mittag war in Magdeburg alles unklar. Wo werden die Neonazis ankommen? Welche Route sollen sie laufen? Auch der Presse gab die Polizei dazu höchstens ausweichende Auskünfte. Während auf dem Breiten Weg in der Innenstadt die »Meile der Demokratie« – von Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) als einzig unterstützenswerter Protest gepriesen – errichtet wurde, sammelten sich Hunderte Antifaschisten an etwa zehn Anlaufpunkten in der 200 Quadratkilometer großen Elbestadt. Die Bedrohung von rechts war spürbar: Schon im Vorfeld hatten die Neonazis ihren Aufmarsch stadtweit mit Schmierereien beworben. Scheiben eines Cafés, deren Betreiber sich offen als Antifaschisten bekannt hatten, waren eingeschlagen worden. Auch Journalisten wurden bedroht. So erhielt etwa die jW-Korrespondentin am Samstag morgen einen anonymen Anruf auf dem Handy. Sie würde den gesamten Tag in Magdeburg beobachtet und überwacht, hieß es.

Bereits am Vormittag räumten Polizisten eine Sitzblockade im Südosten der Stadt. Die Polizei riegelte mehrere Bahnhöfe ab. Als sie am Hauptbahnhof bereits Hunderte Neonazis in Züge zum Bahnhof Herrenkrug östlich der Elbe gesetzt und sämtliche Brücken in diese Richtung gesperrt hatte, erklärte die Pressestelle der Behörde noch immer, es gebe keine Pläne. Dutzende Antifaschisten reagierten auf ihre Weise. Zwar gelangte die erste Bahn mit der braunen Fracht ans Ziel. Weitere Züge wurden allerdings durch eine Gleisblockade gestoppt. Die Ordnungshüter räumten nach eigenen Angaben 50 Menschen von den Schienen, laut Aktivisten waren es bis zu 200. Zunächst ließ die Polizei die Neonazis nach Neustadt bringen. Auch dort gab es Sitzblockaden in Bahnhofsnähe. Am späten Nachmittag sickerte durch, daß die Rechten nun rund 15 Kilometer weiter gen Süden transportiert würden. Bei eingestelltem Nahverkehr und massiven Kontrollen schafften es nur wenige Gegner, pünktlich dorthin zu gelangen. Einen Blockadeversuch in der Nähe des Bahnhofes SKET lösten Polizisten gewaltsam auf. Etwa 800 Rechte konnten so im Stadtteil Reform marschieren, eine Kundgebung abhalten und ihre festgesetzten Gegner fotografieren.

Allerdings war es der Polizei nicht gelungen, alle in Magdeburg eingetroffenen Neonazis zum Marschgebiet zu bringen. Einige liefen in kleinen Gruppen verstreut durch die Stadt, etwa 150 waren am Bahnhof Herrenkrug verblieben. Letzteren genehmigten die Beamten einen Spontanmarsch durch die größtenteils unbewohnte Gegend.

Die Bündnisse BlockMD und »Magdeburg nazifrei«, die zu Blockaden aufgerufen hatten, lobten den Einsatz der Demonstranten. »Erstmals ist es in Magdeburg gelungen, die Logistik der Nazis effektiv zu stören, ihren Aufzug zu spalten und zu verzögern«, zog BlockMD am Samstag eine erste Bilanz. Dies sei »ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den jährlichen Aufmarsch ganz zu verhindern«. Die Polizei habe jedoch erneut »mit Desinformation und einem Katz- und Mausspiel« das braune »Gedenken« durchgesetzt, kritisierte das Bündnis. Proteste in Sicht- und Hörweite der Neonazis habe sie hingegen mit allen Mitteln verhindert. Antifaschisten seien zum Teil gewalttätig davon abgehalten worden, an den vom Bündnis gegen rechts unterstützten und angemeldeten »Meilensteinen« teilzunehmen. »Magdeburg nazifrei« berichtete von zahlreichen Verletzten. Fünf Demonstranten hätten durch Schläge der Polizei Kopfverletzungen wie Nasenbeinbrüche und Platzwunden davon getragen. Weitere hätten Armbrüche, Knie- und Gelenkverletzungen oder offene Wunden erlitten. »Viele Personen« mußten zudem nach dem Einsatz von Pfefferspray medizinisch versorgt werden; einer ausgerutschten Polizistin hätten Demosanitäter erste Hilfe geleistet. Ferner habe es mindestens vier Verletzte durch Neonaziangriffe gegeben. Die Polizei teilte am Sonntag mit, wegen der Straßenblockaden, gewalttätiger Ausschreitungen und mehrerer Brandanschläge zu ermitteln.

Die »Meile der Demokratie« besuchten nach Angaben der Veranstalter rund 10000 Menschen. Zu den Zahlen der übrigen Demonstranten haben Polizei und Bündnisse bisher keine Angaben gemacht.

Qiuelle: www.jungewelt.de ovm 20.01.14
Dieser Beitrag wurde am Montag, 20. Januar 2014 um 11:44 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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