Wolfgang Huste Polit- Blog

Putsch in Westukraine. Faschisten stürmen Behörden und zwingen Gouverneure zum Rücktritt. Fernsehsender ruft Demonstranten zur Bewaffnung auf. Von Reinhard Lauterbach

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In der Ukraine haben faschistische Aktivisten mehrere Gebietsverwaltungen unter ihre Kontrolle gebracht. In den westlichen Regionen Lwow, Ternopol, Rovno, Luzk und Iwano-Frankowsk stürmten Gruppen von mehreren hundert Leuten die Behördengebäude und nötigten die von Präsident Wiktor Janukowitsch eingesetzten Gouverneure, Rücktrittsschreiben zu verfassen. Auch in Tschernowcy im Südwesten des Landes wurde die Verwaltung besetzt; in Tscherkassy südlich von Kiew schlug die Polizei einen ähnlichen Angriff zurück und nahm 58 Personen fest. Auch in Zhitomir scheiterte der Sturm auf das Verwaltungsgebäude.

Daß hinter diesen Aktionen ukrainische Faschisten stehen, scheint nach ihren Selbstzeugnissen wenig zweifelhaft. Über den Sturm der Gebietsverwaltung in Tscherkassy kursiert ein Internet-Video. Darauf ist eine Menge von mehreren hundert vermummten Leuten zu sehen, die vor dem Gebäude mit ausgestreckten Armen Parolen rufen. Ein Film von der Besetzungsaktion in Rovno zeigt, wie die Polizei nach erfolgloser Verteidigung des Gebäudes durch ein Spalier der Angreifer abzieht. Diese schreien dazu immer wieder im Wechsel »Ruhm der Ukraine« und »Ruhm den Helden« – die typische Grußformel der Faschisten. Aufnahmen aus Tschernowcy zeigen in der Menge die rot-schwarzen Fahnen der faschistischen Gruppe UNA-UNSO. In Kiew besetzten Anhänger der Bewegung »Rechter Sektor« das Gebäude des Landwirtschaftsministeriums, und in der Nationalisten-Hochburg Lwow rief im dortigen Online-Fernsehsender ZIK TV ein sogenannter Militärexperte die Kiewer Demonstranten auf, sich zu bewaffnen und so die Polizei vom Einsatz abzuschrecken. »Ich war Offizier und weiß, daß nichts einen Soldaten so beeindruckt, wie wenn zurückgeschossen wird«, sagte der Mann unter anderem. Das Interview wurde offensichtlich nach der Besetzung der Gebietsverwaltung am Donnerstag geführt und in den 24 Stunden nach seiner Aufnahme bereits mehrere 10000 Mal angeklickt. Interessant daran ist, daß der Moderator ukrainisch sprach, der Befragte aber russisch antwortete, einer in Lwow ansonsten sehr ungern verwendeten Sprache. Damit ist es vermutlich als Teil einer Einschüchterungskampagne gegenüber der Polizei aus den östlichen Landesteilen zu sehen, die bisher loyal zum Präsidenten steht. Das ukrainische Innenministerium ordnete unterdessen an, alle Geschäfte mit Sportwaffen in Kiew zu schließen.

Am Donnerstag abend hatten die Führer der parlamentarischen Oppositionsparteien auf dem Maidan von ihrer zweiten Verhandlungsrunde mit Präsident Janukowitsch berichtet. Nach ihrer Aussage hat Janukowitsch einen Rücktritt unter dem Druck der Krawalle abgelehnt, aber eine Amnestie für verhaftete Demonstranten und eine Vertrauensabstimmung über die Regierung von Ministerpräsident Asarow angeboten. Auch werde die Polizei nicht mehr angreifen, solange sie selbst nicht attackiert werde. Als Arsenij Jazenjuk, Witali Klitschko und Oleg Tjahnibok die Verhandlungsergebnisse zur Abstimmung stellten, war unklar, ob eine Mehrheit der Versammelten auf dem Maidan der Fortsetzung der Gespräche zustimmte. Die Ankündigung der drei, weiter zu verhandeln, wurde durch lautstarke »Schande«-Sprechchöre unterbrochen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 25.01.14
Dieser Beitrag wurde am Samstag, 25. Januar 2014 um 15:29 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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2 Comments

  1. Tabubruch
    Unterstützung für Faschisten in Kiew
    Von Sevim Dagdelen
    Die Gewalt in der Ukraine nimmt zu. Bundesregierung und EU-Kommission machen dafür einseitig die ukrainische Regierung verantwortlich. Um den Druck noch zu erhöhen, bestellte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Freitag den ukrainischen Botschafter in Berlin ein, auch um gegen die Verschärfung der Demonstrationsgesetze zu protestieren. Nun ist es selbstverständlich zu begrüßen, wenn sich ein Sozialdemokrat gegen ein Vermummungsverbot auf Demonstrationen stark macht. Allerdings sind solche Initiativen offenbar auf die Ukraine beschränkt und finden keinen Niederschlag in der deutschen Innenpolitik. Noch auffälliger allerdings ist das Schweigen zur immer stärker werdenden Oppositionskraft Swoboda, die man mit Fug und Recht als die faschistische Partnerpartei der NPD bezeichnen darf. Im Mai 2013 traf sich der Swoboda-Abgeordnete Michailo Holowko mit der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag.

    Swoboda organisiert zusammen mit »autonomen« Neonazigruppen die gewalttätigen Proteste und setzt auf einen Sturz der Regierung in Kiew. Swoboda sieht die Ukraine als Opfer einer jüdisch-russischen Verschwörung. Auch jüngste antisemitische Gewalttaten sollen aus ihrem Umfeld kommen. Historisch bezieht sie sich auf den Nazikollaborateur Stepan Bandera, der für das Massaker am 30. Juni 1941 in Lwiw, dem Tausende Juden und Kommunisten zum Opfer gefallen sind, mit verantwortlich zeichnet. Bemerkenswert ist, daß der einstige ukrainische Präsident der »orangen Revolution«, Wiktor Juschtschenko, Bandera 2010 den Titel »Held der Ukraine« verliehen hatte. Der jetzige – vom Westen gescholtene – Staatschef Wiktor Janukowitsch erkannte Bandera diese Ehre wieder ab.

    Im Vorfeld der Unruhen war der Chef von Swoboda, Oleg Tjagnibok, ein gerngesehener Gesprächspartner von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle, aber auch von Treffen deutscher Beamter mit dem rechten Parteichef wird berichtet. Tjagniboks Aufruf, die ukrainische Regierung gewaltsam zu stürzen, wird denn auch von der Bundesregierung nicht kritisiert. EU-Kommissionspräsident Manuel José Barroso geht weiter und kündigt Sanktionen gegen die Ukraine an. Die USA reagieren mit Einreiseverboten, nicht etwa gegen ukrainische Faschisten, sondern gegen Regierungsvertreter. Kiew soll dem Einflußbereich Washingtons und Berlins angeschlossen werden, koste es, was es wolle.

    Mit den ukrainischen Faschisten als treibende Kraft eines gewaltsamen Umsturzes ist man dabei, das nächste Frankensteinmonster zu schaffen. Man beschwört die Geister des Faschismus in Europa wieder herauf, um ein ultranationalistisches Regime in Kiew zu etablieren, das die Ukraine als Frontstaat gegen Rußland etabliert. Das Land selbst wird behandelt als sei es jetzt schon ein Protektorat. Die Frage ist, ob man diese Geister auch wieder los wird.

    Die Autorin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion.

    Quelle: http://www.jungewelt.de vom 25.01.14

    Comment: Wolfgang Huste – 25. Januar 2014 @ 16:05

  2. Verantwortungslose Machthaber
    Die Internetplattform Kominform Ukraine veröffentlichte am 22. Januar 2014 eine Erklärung von Pjotr Simonenko, Erster Sekretär des ZK der KPU und Leiter der Fraktion der Kommunisten in der Obersten Rada:

    Die bewaffneten Zusammenstöße zwischen den radikalen Extremisten und den Sicherheitsorganen, die am 19. Januar in Kiew begannen und bis jetzt weitergehen – sie sind ein politischer Urteilsspruch sowohl gegen die Herrschenden, wie gegen die Opposition. Die verantwortungslosen Handlungen der Machthaber, die sich auf ein Abenteuer unter der Bezeichnung Euro-Integration eingelassen hatten, das Ignorieren der grundlegenden sozialen und ökonomischen Probleme, die sich verschärfende soziale Spaltung, die ungerechte Verteilung der öffentlichen Güter, die wachsende Armut und Deklassierung sind zur Ursache massenhafter Empörung des Volkes geworden, die unverzüglich von der sogenannten Opposition im Kampf um den Präsidentensessel genutzt wurde. (…) Mehr als ein Jahr lang wurde die normale Arbeit der Obersten Rada von den »Oppositionellen« praktisch blockiert. Zur gleichen Zeit hat die Kommunistische Partei nicht nur einmal vor der Gefahr eines Exports »demokratischer Revolutionen« in die Ukraine nach dem libyschen, ägyptischen, tunesischen, syrischen Szenario gewarnt, das in eine Spaltung des Landes und in einen Bürgerkrieg umzuschlagen droht. Leider wird dieses Szenario heute vom Westen aktiv verwirklicht über seine »fünfte Kolonne«, deren Grundlage die ehemaligen »Orangen-Revolutionäre«, die Neonazis der »Swoboda« und andere nationalistische Organisationen, radikale Ultras und andere bilden. (…)

    Die Kommunistische Partei wendet sich mit dem Appell an die Bürger der Ukraine, keinen Provokationen zu erliegen. Wir fordern von den Machthabenden und der sogenannten Opposition Kriminelle und Faschisten von den Straßen der Heldenstadt Kiew zu entfernen, die freche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine durch ausländische Politiker und Staaten zu durchkreuzen.

    Das von den Machthabenden und der Opposition blockierte Referendum war und bleibt das einzige legitime Mittel zur Lösung der Widersprüche, die sowohl zwischen den politischen Kräften wie zwischen den Regionen hinsichtlich des geopolitischen Kurses des Landes entstanden sind. (…)

    Die Kommunisten der Ukraine drücken ihr aufrichtiges Beileid im Zusammenhang mit dem tragischen Tod von Menschen während der von den ultraradikalen Extremisten provozierten bewaffneten Zusammenstöße auf der Gruschewskistraße in Kiew aus. Die Verantwortung für diese Toten, für das Blutvergießen und die Gewalt tragen in gleichem Maße die Machthabenden, die das Land und das Volk an den Abgrund geführt haben, sowie die Führer der sogenannten Opposition, die ultrarechten neonazistischen Gruppen und Organisationen und die ausländischen Politiker, die die Menschen zu »radikalen Protesten« und zum »Kampf bis zum siegreichen Ende« aufgerufen haben. (…)

    Alle Versuche, nichtverfassungsgemäße parallele Machtstrukturen zu schaffen, wie eine »Volksrada«, einen »Übergangspräsidenten« oder ähnliches, verstärken nur die Konfrontation und führen zur realen Gefahr eines Hinüberwachsens des Konflikts in einen Bürgerkrieg. (…)

    Übersetzung: Willi Gerns. Vollständiger Wortlaut: kurzlink.de/kp-ukraine

    Comment: Wolfgang Huste – 25. Januar 2014 @ 16:12

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