Sehr geehrte Mitglieder des Föderationsrats, sehr geehrte Mitglieder der Staatsduma! Sehr geehrte Vertreter der Republik Krim und Sewastopols – sie sind hier, unter uns, Bürger Rußlands, Einwohner der Krim und Sewastopols!
Sehr geehrte Freunde, wir befassen uns heute mit einer Frage, die eine lebenswichtige Bedeutung hat, eine historische Bedeutung für uns alle. Am 16. März fand auf der Krim ein Referendum statt, das in voller Übereinstimmung mit demokratischen Verfahren und völkerrechtlichen Normen verlief. (…)
Nach der Revolution fügten die Bolschewiki aus verschiedenen Gründen – möge Gott darüber richten – große Teile des Territoriums im historischen Süden Rußlands zur Unionsrepublik Ukraine. Das wurde ohne Rücksicht auf die nationale Zusammensetzung der Einwohner vollzogen, heute ist das der Südosten der Ukraine. 1954 wurde dann entschieden, ihr den Krim-Bezirk und Sewastopol, obwohl die Stadt direkt der Union unterstand, zuzuschlagen. (…)
Für uns ist etwas anderes wichtig: Der Beschluß kam unter offensichtlicher Verletzung sogar der damals geltenden Verfassungsnormen zustande. (…) Natürlich wurden unter den Bedingungen eines totalitären Staates weder die Einwohner der Krim noch Sewastopols gefragt. Man stellte sie vor vollendete Tatsachen. (…)
Was damals unvorstellbar erschien, geschah leider. Die UdSSR zerfiel. Die Ereignisse entwickelten sich derart stürmisch, daß nur wenige Bürger die ganze Dramatik des Geschehens und seiner Folgen verstanden. Viele Menschen in Rußland, in der Ukraine und in anderen Republiken hofften, daß die entstehende Gemeinschaft Unabhängiger Staaten eine neue Form von Staatlichkeit werden könnte. (…) Aber Millionen Russen legten sich in einem gemeinsamen Land schlafen und wachten hinter Grenzen wieder auf, wurden häufig nationale Minderheiten in früheren Unionsrepubliken, das russische Volk wurde eines der größten Völker, um nicht zu sagen, das größte geteilte Volk der Welt.
Ich verstehe, warum die Menschen in der Ukraine eine Veränderung wollten. In den Jahren nach der Unabhängigkeit (…) wechselten die Präsidenten, die Ministerpräsidenten, die Abgeordneten der Rada, aber ihr Verhältnis zu ihrem Land und ihrem Volk änderte sich nicht. Sie kämpften untereinander um die Macht und die Finanzquellen. Dabei interessierte es die Machthaber wenig, wie die einfachen Leute leben und warum Millionen Ukrainer für sich in der Heimat keine Perspektive sehen, gezwungen sind, ins Ausland zu fahren und dort niedrigste Arbeiten zu verrichten. (…) Aber jene, die hinter den jüngsten Ereignissen in der Ukraine standen, verfolgen andere Ziele: Sie bereiteten einen Staatsstreich vor, wollten die Macht ergreifen und machten vor nichts Halt. Es kam zu Schießereien und Terror, zu Morden und Pogromen. Die Hauptakteure des Umsturzes waren Nationalisten, Neonazis, Russophobe und Antisemiten. Sie bestimmen in vieler Hinsicht bis heute das Leben in der Ukraine. (…) Allen, die sich dem Putsch widersetzten, begannen sie sofort mit Repressionen zu drohen. An erster Stelle stand dabei – natürlich – die Krim, die russischsprachige Krim. Deswegen wandten sich die Einwohner der Krim und Sewastopols an Rußland mit der Aufforderung, ihre Rechte und ihr Leben zu verteidigen, (…) Es versteht sich, daß wir diese Bitte nicht abschlagen konnten, daß wir die Krim und ihre Bewohner nicht in ihrer bedrängten Lage lassen konnten, alles andere wäre Verrat gewesen.
Vor allem mußte Hilfe dabei geleistet werden, Bedingungen für eine friedliche, freie Willensbekundung zu schaffen, dafür, daß die Krim-Bewohner zum ersten Mal in der Geschichte ihr Schicksal bestimmen konnten. Was hören wir jedoch jetzt von unseren Kollegen in Westeuropa und aus Nordamerika? Sie sagen uns, wir brächen die Normen des Völkerrechts. Erstens ist es gut, daß sie sich daran erinnern, daß es das Völkerrecht gibt, und – Dank dafür, lieber spät als niemals.
Und zweitens und am wichtigsten: Was sollen wir verletzt haben? Ja, der Präsident der Russischen Föderation erhielt vom Oberhaus des Parlaments das Recht, bewaffnete Kräfte in der Ukraine einzusetzen. Aber dieses Recht hat er bis jetzt nicht genutzt. Bewaffnete Kräfte Rußlands sind nicht in die Krim einmarschiert, sie waren dort schon und befanden sich dort in Übereinstimmung mit einem völkerrechtlichen Vertrag. Ja, wir haben unsere Gruppierung dort verstärkt, aber überschritten nicht die festgelegte Zahl – ich möchte das unterstreichen, damit es alle hören und wissen – unserer bewaffneten Kräfte auf der Krim, die auf 25000 Menschen festgelegt ist, dafür gab es einfach keine Notwendigkeit.
Weiter. Als der Oberste Rat der Krim die Unabhängigkeit erklärte und das Referendum begann, befand er sich in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, in der vom Recht auf Selbstbestimmung die Rede ist. Ich möchte daran erinnern, daß die Ukraine beinahe wörtlich dasselbe tat, als sie ihren Austritt aus der UdSSR erklärte. In der Ukraine machte man von diesem Recht Gebrauch, das man den Krim-Bewohnern nicht zubilligt. Warum?
Außerdem bewegte sich die Krim-Regierung auf dem Boden des bekannten Präzedenzfalls im Kosovo, den unsere westlichen Partner selbst schufen, mit ihren eigenen Händen und in einer Situation, die absolut analog zu der der Krim war. Sie erkannten die Abtrennung des Kosovo von Serbien als legitim an und wiesen darauf hin, daß keinerlei Genehmigung der Zentralmacht des Landes für die einseitige Unabhängigkeitserklärung erforderlich sei. Der Internationale UN-Gerichtshof stimmte dem auf der Grundlage von Artikel zwei, Absatz eins der Charta der Vereinten Nationen am 22. Juli 2010 zu und bemerkte dazu folgendes. Ich zitiere wörtlich: »Aus der Praxis des Sicherheitsrates ergibt sich kein allgemeines Verbot einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung«. Und weiter: »Das allgemeine Völkerrecht enthält kein irgendwie festgelegtes Verbot einer Unabhängigkeitserklärung.« Das ist, wie man sagt, klar und deutlich.
Ich ziehe mich nicht gern auf Zitate zurück, kann mich aber nicht enthalten, einem offiziellen Dokument noch eine Passage zu entnehmen, diesmal aus einem Memorandum der USA vom 17. April 2009, das eben diesem Internationalen Gerichtshof zur Kosovo-Anhörung übergeben wurde. Ich zitiere erneut: »Unabhängigkeitserklärungen können, so oft es auch geschieht, die innere Gesetzegebung verletzen. Das bedeutet aber nicht, daß damit eine Verletzung des Völkerrechts geschieht.« Ende des Zitats. (…) Warum ist das, was Albanern im Kosovo (und wir verhalten uns ihnen gegenüber mit Respekt) möglich ist, Russen, Ukrainern und Krimtartaren auf der Krim verboten? Erneut stellt sich die Frage: Warum?
Dazu hören wir aus den Vereinigten Staaten und Europa, daß es sich beim Kosovo um einen besonderen Fall handelt. Woraus ergibt sich nach Meinung unserer Kollegen diese Ausschließlichkeit? Angeblich daraus, daß es im Verlauf des Konflikts im Kosovo viele Opfer gab. Ist das ein juristisches Argument? In der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs wird darüber nicht das Geringste gesagt. Hinzu kommt, Sie wissen es: Es gibt keine doppelten Standards. Es handelt sich um offensichtlich primitiven und unverblümten Zynismus. Man darf nicht derart grob seine Interessen betonen, daß man heute einen Gegenstand als weiß bezeichnet und morgen als schwarz. Soll das etwa heißen, daß jeder beliebige Konflikt soweit geführt werden soll, daß es Todesopfer gibt?
Ich sage es direkt: Wenn die Selbstverteidigungskräfte der Krim gegenwärtig die Situation nicht unter Kontrolle hätten, dann könnte es dort Tote geben. Gott sei dank ist das nicht geschehen! Es gab auf der Krim nicht einen bewaffneten Zusammenstoß und es gab keine Toten. Was meinen Sie, warum? Die einfache Antwort: Weil es schwer oder praktisch unmöglich ist, gegen das Volk und seinen Willen zu kämpfen. In diesem Zusammenhang möchte ich den ukrainischen Militärangehörigen danken, es handelt sich um kein kleines Kontingent – 22000 Menschen unter voller Bewaffnung. (…)
In diesem Zusammenhang kommt einem etwas anderes in den Sinn. Uns wird etwas über irgendeine russische Intervention auf der Krim erzählt, über eine Aggression. Aus der Geschichte kann ich mich an keinen Fall erinnern, daß eine Intervention ohne einen einzigen Schuß und ohne Opfer stattfand.
Sehr geehrte Kollegen! Die Situation rund um die Ukraine spiegelt das wider, was gegenwärtig und im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte in der Welt stattfand. Nach der Auflösung des bipolaren Systems auf dem Planeten trat nicht größere Stabilität ein. Die entscheidenden internationalen Einrichtungen wurden nicht gestärkt, sondern leider oft geschwächt. Unsere westlichen Partner mit den Vereinigten Staaten von Amerika an der Spitze lassen in ihrer praktischen Politik nicht das Völkerrecht, sondern das Recht des Stärkeren walten. Sie beanspruchen in ihrer Auserwähltheit und Ausschließlichkeit, daß ihnen gestattet ist, das Schicksal der Welt zu bestimmen, daß nur sie im Recht sein können. (…) Dort, wo sie gegen souveräne Staaten zur Gewalt greifen, bilden sie Koalitionen nach dem Prinzip »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«. Um Aggressionen den Anschein von Rechtsförmigkeit zu geben, erwirken sie Resolutionen internationaler Organisationen, gelingt ihnen das aus irgendeinem Grund aber nicht, ignorieren sie komplett den Sicherheitsrat der UN und die UN als Ganzes.
So war es, woran wir uns gut erinnern, 1999 in Jugoslawien. Es war schwer zu glauben, selbst den eigenen Augen wollte man nicht trauen, aber am Ende des 20. Jahrhunderts gab es wochenlang Bomben- und Raketenschläge auf eine europäische Hauptstadt – Belgrad – und darauf folgte eine wirkliche Intervention. Wo war denn die Resolution des UN-Sicherheitsrats dazu, die solche Handlungen erlaubt hätte? Es gab keine. Und danach kamen Afghanistan, Irak und die offene Verletzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Libyen, anstelle der Einrichtung einer sogenannten Flugverbotszone begannen auch dort Bombardements.
Es gab eine ganze Reihe gelenkter »bunter« Revolutionen. Verständlich war, daß die Menschen jener Länder, wo sich diese Ereignisse zutrugen, von Tyrannei genug hatten, vom Elend, vom Mangel an Perspektiven, aber diese Gefühle wurden zynisch ausgenutzt. Diesen Ländern wurden Standards auferlegt, die in keiner Weise ihrem Leben entsprachen, nicht ihren Traditionen, nicht der Kultur dieser Völker. Das Resultat waren nicht Demokratie und Freiheit, sondern Chaos, Ausbreitung von Gewalt, eine Reihe von Umstürzen. Der »Arabische Frühling« wurde zum »Arabischen Winter«.
Ein ähnliches Szenario wurde in der Ukraine verwirklicht. (…) Dort wurde jetzt eine trainierte, gut ausgestatte Armee von Kämpfern hineingeworfen.
Und das zu einer Zeit, da Rußland sich angestrengt um einen Dialog mit unseren westlichen Partnern bemüht. Wir schlagen beständig eine Zusammenarbeit in entscheidenden Frage vor, wir wollen das Vertrauen stärken, wir möchten, daß unsere Beziehungen vielfältig, offen und ehrlich sind. Aber wir sahen keine Schritte auf uns zu. Im Gegenteil, sie betrogen uns ein ums andere Mal, sie trafen Entscheidungen hinter unserem Rücken, stellten uns vor vollendete Tatsachen. So verhielt es sich mit der Ausdehnung der NATO nach Osten, mit der Installierung einer militärischen Infrastruktur an unseren Grenzen. Sie bekräftigten uns gegenüber gleichzeitig: »Das berührt euch nicht.« Das ist leicht gesagt, nicht berühren.
Ebenso verhielt es sich mit dem Raketenabwehrsystem. Ungeachtet all unserer Warnungen arbeitet die Maschine, bewegt sich. Ebenso war es mit der endlosen Verzögerung der Verhandlungen zu Visafragen, mit der Verwirklichung einer ehrlichen Konkurrenz und dem freien Zugang zu den globalen Märkten.
Heute drohen sie uns mit Sanktionen, aber wir leben bereits jetzt mit zahlreichen Beschränkungen. So verboten z. B. die USA und später auch andere Staaten bereits während des »Kalten Krieges« in großem Umfang der UdSSR bestimmte Technologien und Ausrüstungen zu verkaufen. Sie standen auf der sogenannten Comecon-Liste. Heute haben sie das formal geändert, aber nur formal, in Wirklichkeit sind viele Verbote aus der Vergangenheit in Kraft. (…)
Man versucht ständig, uns in eine Ecke zu drängen, weil wir eine unabhängige Position haben. Aber alles hat seine Grenzen. Und im Fall der Ukraine haben unsere westlichen Partner sich mit dem Teufel eingelassen, führen sich grob, verantwortungslos und unprofessionell auf. (…)
Quelle: www.jungewelt.de vom 19.03.14
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