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Venezuela selektiv. Molotowcocktails gegen Wohnungsbauprogramme: Deutsche Medien arbeiten bei Berichterstattung über »Sozialproteste« mit Auslassungen und werfen Linken Blindheit vor. Von Katrin Küfer

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Wer aktuellen Meldungen über Gewalt in Venezuela auf den Grund gehen will, stößt in den allermeisten westlichen und bundesdeutschen Medien auf ein einfaches Muster. Vielfach wird der Eindruck vermittelt, das »Regime« der »Machthaber« in Caracas ordne Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle an und liege aufgrund der »sozialen Proteste« in seinen letzten Zügen. »Die Sozialisten regieren immer noch autoritär«, meinte Reporter Martin Polanski am Mittwoch morgen im Deutschlandfunk. In sozialen Netzwerken machen Bilder von Polizeigewalt und Massenprotesten die Runde, die in Wirklichkeit aus Brasilien, Katalonien, Honduras, Griechenland, Ägypten und anderswo stammen.

Wie selektiv die Wahrnehmung vieler Medien ist, zeigt ein aktueller Vorfall. So kam es am 1. April 2014 in Caracas zu einem Brandanschlag mit Molotowcocktails gegen das Gebäude des Wohnungsbauministeriums, der hohen Sachschaden anrichtete. 1200 Mitarbeiter sowie 89 Kinder einer Vorschuleinrichtung waren nach Angaben des Portals www.amerika21.de zunächst im brennenden Gebäude gefangen. Drei hätten Erstickungsanfälle bekommen, berichtet die Zeitung La Verdad: »Während Teile des ersten Stocks brannten, sollen die Angreifer Drohungen geschrien und im Gebäude weiterhin randaliert haben.« Der Anschlag blieb in fast allen bundesdeutschen Medien unerwähnt. An diesem Beispiel lassen sich Widersprüche in der Berichterstattung aufzeigen. Hinter den Ausschreitungen rechter Gruppen werden soziale Fragen vermutet. Würde es tatsächlich darum gehen, dann machte es keinen Sinn, ausgerechnet das Wohnungsbauministerium in Brand zu stecken, schreibt etwa Jorge Martin auf dem Portalwww.handsoffvenezuela.org. Schließlich stehe dieses Haus für ein ehrgeiziges Programm, mit dem bisher 750000 neue Wohneinheiten für Familien geschaffen wurden, die zuvor in menschenunwürdigen Unterkünften hausten. Viele Sozialwohnungen seien in Kooperation mit Kommunalräten entstanden, die auch an der Prioritätenliste für Bedürftige mitwirkten. Das Wohnungsbauministerium stehe für mehr Mieterschutz und Kampf gegen Immobilienspekulation, so Jorge Martin: »Der Anschlag enthüllt das wahre Gesicht der Opposition und ihren Haß auf die Politik, die darauf abzielt, die Erlöse aus dem Erdölverkauf auch den ärmsten Menschen in der Gesellschaft zukommen zu lassen.« Ähnliche Brandanschläge auf eine Universität der Streitkräfte in San Cristobal und ein Gesundheitszentrum in Barquisimeto stünden für den Haß der Opposition auf die Errungenschaften der bolivarischen Revolution in der Bildung und bei der Gesundheitsfürsorge. Auch diese Übergriffe fanden medial kaum Erwähnung. Die in Medien dargestellte Warenverknappung und Inflation sei Folge des Versuchs der Oligarchie, durch wirtschaftliche Destabilisierung die Regierung zu schwächen, so Martin.

Im Bestreben, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nahm das Fernsehmagazin »kontrovers« im Bayerischen Rundfunk (BR) am vergangenen Mittwoch neben der Regierung Maduro gleichermaßen die bundesdeutsche Partei Die Linke ins Visier. »Ideologie macht blind«, lautete das Motto, zu dem ein BR-Kamerateam Bilder einer linken Venezuela-Veranstaltung in Wiesbaden liefern sollte. Die in einer sachlichen und kontroversen Diskussion vorgetragenen Argumente wurden im Filmbericht ausgeblendet. Statt dessen wurde der Eindruck vermittelt, drei mit der venezolanischen Opposition sympathisierende Damen seien von den Veranstaltern »rausgeworfen« worden. Wie mehrere Teilnehmer auf jW-Anfrage sagten, hat ein solcher »Rauswurf« nicht stattgefunden. »Sie konnten ausgiebig ihre Meinung äußern. Ihre Behauptungen wurden durch die Wortbeiträge anderer Teilnehmer, darunter auch venezolanische Staatsbürger, mit Zahlen und Fakten eindrucksvoll widerlegt«, erinnert sich eine Augenzeugin. Die Damen erhoben sich mitten in der Diskussion von ihren Plätzen und eilten auf das in einer Ecke wartende BR-Team zu, das ihre Version aufgriff und im Filmbericht den Veranstaltern einen »fragwürdigen Umgang mit Kritikern« und »Rauswurf« unterstellte. »Eine bewußte Falschdarstellung«, bemängelt eine Teilnehmerin: »Solche Methoden entsprechen nicht den Programmgrundsätzen der öffentlich-rechtlichen Sender, Informationen zu liefern und der Wahrheit verpflichtet zu sein.« Anstatt kontroverse Standpunkte gleichberechtigt darzustellen, bleibe der Filmbericht einseitig und liefere Emotionen ohne Zahlen und Fakten.

Als Kronzeuge für angebliche Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung in Caracas kommt im Filmbericht Martin Lessenthin von der »Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte« (IGFM) zu Wort. Die IGFM gilt als stramm rechtes und antikommunistisches Geschöpf des Kalten Krieges. Sie unterstützte über Jahrzehnte das frühere südafrikanische Apartheidregime und sprach sich noch 1990 gegen eine Freilassung Nelson Mandelas aus. Daß selbst Ex-US-Präsident Jimmy Carter als Wahlbeobachter jüngst die Wahlen in Venezuela als die demokratischsten der Welt bezeichnet hatte, ist für die IGFM ein Buch mit sieben Siegeln.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.04.14
Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 10. April 2014 um 10:26 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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