Der Prozeß gegen neun Männer vor dem Landgericht Magdeburg neigt sich dem Ende zu. Sie hatten am 21. September 2013 in Bernburg (Sachsen-Anhalt) einen Imbißbetreiber türkischer Herkunft brutal überfallen und lebensgefährlich verletzt (jW berichtete). Am Montag plädierte die Nebenklage dafür, die Beschuldigten im Alter von 24 bis 33 Jahren wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung, Beleidigung und versuchten Mordes zu Haftstrafen zu verurteilen. Es liege eindeutig ein rassistisches Motiv und damit ein niederer Beweggrund vor, begründete Opferanwältin Franziska Nedelmann. Die Staatsanwaltschaft hatte diesen in der Anklage nicht erkennen wollen und warf den Beschuldigten lediglich versuchten Totschlag vor. Die Beschuldigten nahmen Nedelmanns Plädoyer feixend zur Kenntnis. Ihnen wird vorgeworfen, den 34jährigen Abdurahman E. vor seinem Dönerimbiß am Bernburger Bahnhof angegriffen und zusammengeschlagen zu haben. Die Täter zertrümmerten mit Bierflaschen, Fäusten und Fußtritten den Schädel ihres Opfers. E. lag tagelang im Koma, überlebte nur durch eine Notoperation – und wird bleibende Schäden zurückbehalten. Das Urteil wird am 28. April erwartet.
In den vergangenen Wochen hatte das Gericht zahlreiche Zeugen angehört. Neben E., dessen Freundin und einem Kollegen sagten Polizeibeamte, Sachverständige und zwei Augenzeugen aus. Weil die Angeklagten schweigen, legt Richter Dirk Sternberg deren Aussagen vom Tatabend gegenüber der Polizei zugrunde. Darin hatten sie sich selbst als Opfer dargestellt und beteuert, sie seien von E. zuerst mit einem Messer oder einer Machete bedroht worden. Es sei schlicht »Notwehr gewesen«.
Nach Ansicht der Nebenklage wurde diese These im Verfahren aber widerlegt. »Die Polizei fand weder ein Messer noch andere Waffen in der Nähe des Opfers«, führte die Anwältin aus. Statt dessen stellte sie zunächst ein Handy mit einem Hitlerfoto sicher. Das habe die Polizei jedoch »nicht als ausreichendes Indiz« betrachtet und dem Besitzer, einem der Angeklagten, zurückgegeben, berichtete Nedelmann. Zudem stehe jetzt fest, daß die Täter allein provoziert hätten. Der Imbißbetreiber habe beim Schließen der Ladenfenster auf dem Bahnsteig lediglich freundlich gefragt, wie es gehe, zitierte Nedelmann aus dem Protokoll. Als Antwort habe einer gebrüllt: »Verschwinde, dreckiger Ausländer, Kanakenstück!«. Als seine Freundin dann als »Ausländerschlampe« beschimpft wurde, habe E. versucht, zu deeskalieren. Doch seine Worte, »so spricht man nicht mit einer Frau, macht doch mal Multikulti«, wurden dem Mann zum Verhängnis. Flaschen seien geflogen, die ganze Gruppe habe sich auf E. gestürzt. »Nur dank der schnellen medizinischen Notversorgung überlebte der Geschädigte«, steht für die Anwältin fest.
Die neofaschistische Gesinnung der Angeklagten, die in einer Neonazi-»Kameradschaft« in Schönebeck (Elbe) verortet werden, zeigt sich laut Nedelmann in offenen Bekenntnissen und einschlägigen Vorstrafen, darunter Volksverhetzung und schwere Körperverletzung. Eine besonders perfide Straftat des Angeklagten Francesco L. wurde im Prozeß ausführlich erläutert. Der heute 28jährige hatte 2006 im Ort Pömmelte mit zwei weiteren Tätern einen zwölfjährigen dunkelhäutigen Jungen brutal mißhandelt. Ferner, so Anwältin Nedelmann, habe sie »noch nie so viele nationalsozialistische Symbole auf einen Haufen gesehen«. So wurden in der Wohnung eines Beschuldigten ein Hitlerbild, eine Hakenkreuzfahne NS-Parolen gefunden. Mehre Angeklagte haben Tätowierungen mit Nazisymbolen, darunter Hakenkreuz, Sturmkampfflugzeug, Symbole vom »Nationalen Widerstand« und der Slogan »white power« (Weiße Herrschaft). Außerdem, so Nedelmann, hätten die Täter ihre Opfer nicht gekannt. »Der Mann wurde angegriffen, weil er zufällig dastand und nicht deutsch war.« Das alles belege das fremdenfeindliche Motiv der Tat.
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