»Mega enttäuscht – statt supergeil«, lautet unter Anspielung auf einen weiteren Konzernwerbespruch der Titel des Protestbriefs. Von den 72 Beschäftigten der Filiale in der niedersächsischen Kleinstadt haben 66 die Petition unterschrieben. Sie berichten darin von versuchter illegaler Kameraüberwachung und davon, daß seit der »Privatisierung« viele Angestellte von schlechter bezahlten Kräften ersetzt wurden. »Das macht uns angst«, heißt es in dem jW vorliegenden Schreiben, das eine ver.di-Delegation am Montag am Unternehmenssitz im ostwestfälischen Minden übergab.
»Wir lieben unsere Arbeit und unsere Kunden, aber was hier im Markt passiert, ist auf Dauer nicht mehr auszuhalten«, so die ver.di-Delegierte Martina Rose in einer Mitteilung der Gewerkschaft. Die neue Eigentümerin der 2011 »privatisierten« Filiale lehne es ab, sich weiterhin an Tarifverträge zu halten. Die Gewerkschaft berichtet von neuen Arbeitsverträgen, die statt des tariflich vorgesehenen Stundenlohns von 14,60 Euro nur sieben Euro festschreiben. »Hier liegt Sittenwidrigkeit vor, es wird Zeit, daß die unhaltbaren Zustände in Winsen/Aller von der Edeka Minden zur Chefsache erklärt werden«, sagte Robert Kirschner, ver.di-Sekretär in Lüneburg.
Die Gewerkschaft appelliert bewußt an die Zentrale der Edeka-Regionalgesellschaft, die auch für die Beschäftigungsbedingungen Verantwortung trage. Schließlich gehöre das Gebäude des Winsener Edeka-Marktes dem Unternehmen. Auch Werbung, Personalabrechnung, Revision und Warenbezug würden vom Konzern bestimmt. »Das einzige, wofür die Mindener Zentrale keine Verantwortung übernimmt, ist für uns – dabei sind wir Edeka«, kritisierte Rose.
Die Filiale in dem südlich der Lüneburger Heide gelegenen Städtchen ist kein Einzelfall. Vielmehr setzt Edeka – mit einem Jahresumsatz von 43 Milliarden Euro (2013) Marktführer im Lebensmitteleinzelhandel – seit einem Jahrzehnt darauf, Standorte an selbständige Einzelhändler zu übergeben. Autark sind diese »Unternehmer« allerdings nicht. Vielmehr besteht ein enges Abhängigkeitsverhältnis: Mietsubventionen durch die Edeka-Immobiliengesellschaft, festgelegte Bezugsquoten und anderweitige Verpflichtungen lassen »den kaufmännischen (eigenverantwortlichen) Spielraum des ›selbständigen‹ Einzelhändlers sehr begrenzt erscheinen«, heißt es in einer 2012 erschienenen Studie des Arbeitsmarktforschers Bert Warich.
Während in den sogenannten Regiemärkten, die direkt von den Edeka-Regionalgesellschaften betrieben werden, üblicherweise Tarifverträge gelten und Betriebsräte existieren, sieht es für die rund 150000 Beschäftigten »privat« betriebener Filialen anders aus. Dort liegen die Stundenlöhne ver.di zufolge vielfach bei 7,50 Euro, zum Teil noch deutlich niedriger.
»Wenn sich das Unternehmen damit rühmt, daß es mit 328000 Beschäftigten der größte private Arbeitgeber ist, dann nehmen wir es beim Wort und sagen: Für all diese Mitarbeiter tragt ihr auch die Verantwortung«, erklärte Katharina Wesenick, ver.di-Sekretärin beim Bundesfachbereich Handel, auf jW-Nachfrage. »Wir wollen Betriebsräte und Tarifbindung auf allen Ebenen des Edeka-Konzerns. Ein Unternehmen mit einem Vorsteuergewinn von 1,34 Milliarden Euro kann sich das allemal leisten.«
Probleme mit Tarifflucht gibt es allerdings nicht nur in den ausgegliederten Filialen. Eine der sieben Regionalgesellschaften – die Edeka Hessenring, die fast 8300 Menschen in sechs Bundesländern beschäftigt – ist komplett aus den Tarifverträgen ausgestiegen. Die Beschäftigten werden unter Druck gesetzt, neue Arbeitsverträge mit auf 40 Wochenstunden verlängerten Arbeitszeiten zu unterschreiben. Neu Einzustellende werden teilweise zu deutlich schlechteren Bedingungen angeheuert.
Dagegen setzen sich die Beschäftigten zur Wehr. Bei einer Betriebsrätekonferenz in der vergangenen Woche am Firmensitz im hessischen Melsungen verabschiedeten die rund 70 anwesenden Interessenvertreter eine Resolution, in der Edeka aufgefordert wird, wieder »in die direkte Tarifbindung mit ver.di einzutreten, denn gute Arbeit braucht den Schutz von Tarifverträgen der Branche«. Stefanie Nutzenberger vom ver.di-Bundesvorstand erklärte auf dem Treffen, Edeka Hessenring müsse Verantwortung übernehmen. »Wir brauchen gute, gesundheitserhaltende und existenzsichernde Arbeitsbedingungen. Das geht nur mit Tarifvertrag, und das werden wir schaffen.«
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Enttäuscht von Edeka.Keine Betriebsräte und Tarifverträge in »privatisierten« Filialen. Ver.di nimmt genossenschaftlich organisierten Konzern in die Verantwortung.Von Daniel Behruzi | Wolfgang Huste Polit- Blog
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