Am Mittwoch gingen die Tarifverhandlungen zum Mindestlohn in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Gartenbau in die erste Runde. In Kassel trafen sich die Vertreter der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und des Gesamtverbands der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) sowie der Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen Unternehmerverbände. Insgesamt arbeiten in diesen Branchen deutschlandweit rund 800000 Beschäftigte. Seit längerem hatte die IG BAU die Verhandlungen angemahnt, um die im neuen Mindestlohngesetz geplante zweijährige Übergangsfrist zu nutzen und die Löhne für Ungelernte an den gesetzlichen Mindestlohn heranzuführen. »Wir freuen uns, daß die Arbeitgeber einem Termin noch vor der abschließenden Lesung des Mindestlohngesetzes im Bundestag zugestimmt haben und endlich auch auf langfristige, tarifautonome Lösungen in den Branchen setzen«, sagte der stellvertretende IG-BAU-Bundesvorsitzende und Verhandlungsführer Harald Schaum.
Eine im Gesetzentwurf bereits enthaltene Diskriminierung betrifft sogenannte Langzeitarbeitslose, für die der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten nach Neueinstellung nicht gelten soll. Wenn das so bleibt, könnten die Betroffenen laut einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mit nur 5,67 Euro pro Stunde abgespeist werden. Denn auf diesem Niveau läge gemessen an einem Mindestlohn von 8,50 Euro die Grenze der Sittenwidrigkeit, auf das nicht-tarifgebundene Unternehmen die Entgelte der Betroffenen absenken könnten. Daß dies möglich sei, bedeute auch eine potentielle Schwächung des Tarifsystems – »ein mehr als problematischer Effekt eines Gesetzes, das explizit die ›Stärkung der Tarifautonomie‹ zum Ziel hat«, so die Verfasser der Untersuchung.
Sie rechnen vor, daß von der Benachteiligung Langzeitarbeitsloser potentiell gut eine Million Menschen betroffen wäre. Von dieser Beschäftigtengruppe finden jedes Jahr nur 16 Prozent eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt – und nur die Hälfte von ihnen hat den Job nach einem Jahr noch. »Diese Instabilität in einer Situation ohne Mindestlohn zeigt, daß die Lohnhöhe nicht die entscheidende Beschäftigungshürde für Langzeitarbeitslose sein kann«, argumentiert Thorsten Schulten, einer der Autoren.
Es gebe keine Hinweise darauf, daß diese Sonderregel – die es laut WSI in keinem anderen EU-Land mit Mindestlohn gibt – die Arbeitsmarktchancen von Langzeitarbeitslosen verbessere. Vielmehr erhielten Unternehmen »starke Anreize, nach einem Zeitraum von sechs Monaten den vormaligen Langzeitarbeitslosen wieder zu entlassen und durch einen neuen, ›günstigeren‹ Langzeitarbeitslosen zu ersetzen«. Nach Auffassung der WSI-Forscher »drohen umfassende Drehtüreffekte, die die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf einen dauerhaften Wiedereinstieg weiter verschlechtern und lediglich kurzfristige und instabile Beschäftigungsverhältnisse fördern«.
« Der andere 17. Juni. Tunnelblick beim Volksaufstand: An das Vorgehen von sowjetischer Armee und Volkspolizei 1953 in der DDR wird erinnert, an die Kolonialmassaker westlicher Staaten nicht. Von Matthias Krauß – Militarisierung. Sabine Lösing, sicherheitspolitische Sprecherin der Linken im Europäischen Parlament, erklärte am Dienstag zum EU-Aktionsplan im Verteidigungssektor: »
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