Spiegel online schrieb über die »geheime« Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus: »Gabriel haut auf die Pauke«. In einer vorangegangenen Sitzung des Parteivorstandes soll er sich »schwer genervt« über seine Kritiker geäußert und diese in seiner Tagungsrede frontal angegriffen haben. Seine Klage: Wer die Umstände der internationalen Gespräche kritisiert, kritisiere ihn automatisch mit. Gabriel ist als Bundeswirtschaftsminister in der Regierung federführend beim TTIP. Widerworte hatte es zuletzt von der sogenannten Parteilinken gegeben, weil mit dem Pakt Verschlechterungen bei Arbeitnehmerrechten, im Kulturbereich und für die Verbraucher drohten. Das sehen sie vielleicht immer noch so, werden es jetzt aber für sich behalten müssen.
Enttäuscht zeigen sich die echten Gegner des TTIP. »Faktisch haben die Genossen Gabriel freie Hand gegeben«, meinte Roland Süß vom bundesweiten ATTAC-Koordinierungskreis am Montag gegenüber junge Welt. »Nicht wenige haben wohl ihre Überzeugungen hinter die Parteiräson zurückgestellt.« Gabriels Darstellung, es wäre möglich, die bestehenden Maßstäbe etwa im Sozial- und Umweltbereich in den Verhandlungen sogar zu verbessern, »ist eine Illusion, die einfach nicht stimmt«.
Süß’ Vorwurf der Blauäugigkeit richtet sich auch gegen die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Der hatte sich in der Vorwoche in einem gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium erarbeiteten Papier grundsätzlich zum TTIP bekannt, allerdings die Erfüllung bestimmter Bedingungen verlangt. Beispielsweise werden darin Sondergerichte, vor denen Konzerne Staaten auf Schadenersatz verklagen können, sowie Investitionsschutzklauseln kategorisch abgelehnt. Auch Einschränkungen bei Arbeitnehmerrechten, Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards werden als nicht verhandelbar verworfen. Zudem müsse am Ende der Bundestag zustimmen.
Für Jörg Haas vom Kampagnennetzwerk Campact sind das »alles durchaus anspruchsvolle Kriterien«. Allerdings fänden sich diese weder im Verhandlungsmandat zu TTIP noch im CETA-Abkommen mit Kanada wieder, das als Beta-Version für den EU-USA-Pakt gilt. »Sich einerseits schöne Dinge wünschen und anderseits sagen, die Verhandlungen müßten wie gehabt fortgesetzt werden – das paßt einfach nicht zusammen«, monierte Haas. Immerhin zeichne sich ab, daß CETA nicht wie geplant in dieser Woche auf dem EU-Kanada-Gipfel in Ottawa unterzeichnet wird. »Auf der Tagesordnung des Treffens kommt das Wort CETA nicht vor«, sagte Haas.
Gabriel selbst hatte am Wochenende eine Prüfung von CETA für notwendig erklärt, weshalb mit dessen Ratifizierung in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen sei. Vielleicht, so Haas’ Mutmaßung, sei der SPD-Chef »wegen des wachsenden Widerstands reingekrätscht«. Dann müsse er allerdings auch darauf hinwirken, die Verhandlungen völlig neu aufzurollen. Beispielsweise sei laut CETA-Text eine Rekommunalisierung von öffentlichen Diensten nicht mehr möglich.
Derweil hat die Initiative »Stop TTIP« angekündigt, gegen die Mitte September durch die EU-Kommission ergangene Ablehnung einer europäischen Bürgerinitiative zu TTIP und CETA Rechtsmittel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzulegen. Bis auf weiteres will man das Verbot einfach ignorieren und »selbstorganisiert starten«, heißt es in einer Pressemitteilung. Das aus über 240 Organisationen bestehende Bündnis ruft den 11. Oktober zu einem europaweiten Aktionstag auf.
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