Wolfgang Huste Polit- Blog

Stadt Leipzig verschätzt sich drastisch mit Teilnehmerzahl bei Legida: Statt offiziell 15.000 höchstens 5.000 Rechte auf dem Augustusplatz. Von Michael Merz, Leipzig

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Irgendwann kannte die Hybris des Legida-Organisators Jörg Hoyer keine Grenzen mehr. Die Kundgebung des Leipziger Pegida-Ablegers am Mittwoch abend neigte sich dem Ende zu, und der schwarzbemantelte »Militaria-Sachverständige« schmetterte noch eine Drohung in Richtung der liebsten Hasssubjekte der Legida: Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Polizeipräsident Bernd Merbitz übten »dikatorische Gewalt« aus. Es würde noch einige Wochen dauern, so Hoyer, aber: »Wir stellen ihnen eine Million auf den Platz«. Der Mann mit der markerschütternden Stimme, die besonders beim versammelten Jungvolk gut ankommt, redete natürlich groben Unfug. Eine Million Menschen passen nicht auf den Augustusplatz, nicht einmal die von den Legida-Anmeldern für den Mittwoch abend prophezeiten 60.000.

Abgesehen davon hat die rechte Bewegung eine ihrer eifrigsten Propagandistinnen in der Stadt Leipzig selbst. Denn die offizielle Teilnehmerzahl entscheidet letztendlich darüber, wie weit eine Kundgebung medial wahrgenommen wird. Am Mittwoch abend um 20 Uhr konnte der Polizeisprecher Alexander Bertram noch keine Aussage zur Teilnehmerzahl der Legida-Kundgebung machen, die gegen 18:45 Uhr begonnen hatte. Die Zahl werde noch mit der Versammlungsbehörde abgestimmt, sagte er auf jW-Nachfrage. Gegen 21 Uhr wurde die wohlwollende Zahl von 10.000 Demonstranten kolportiert, die Nachrichtenagentur dpa sprach von 13.000. In der offiziellen »Pressemitteilung zum Versammlungsgeschehen« von 23:59 Uhr hieß es dann: »Insgesamt schlossen sich ca. 15.000 Menschen dem Legida-Aufzug an.« Die allermeisten Medien von MDR Info bis Spiegel online übernahmen diese Summe in ihrer Berichterstattung, offenbar ungeprüft. Leise Zweifel klangen bei der Süddeutschen, lautere in den sogenannten sozialen Netzwerken an. Tatsächlich standen sich höchstens 5.000 Legida-Teilnehmer auf dem locker-luftig gefüllten Augustusplatz die Beine in den Bauch. Wie kann es zu einer solch eklatanten Differenz kommen?

Nachfrage am nächsten Vormittag beim Pressesprecher der Leipziger Polizei, Uwe Voigt: »Mir erschien die Zahl auch ziemlich hoch«. Aber man solle nicht ihn fragen, die Stadt habe 15.000 als erstes bekanntgegeben, »das ist nicht Sache der Polizei alleine«, so Voigt. Also die nächste Nachfrage bei Matthias Hasberg, Referatsleiter Kommunikation der Stadtverwaltung: Mit welcher Zählmethode komme man denn auf 15.000? Zweifel an der veröffentlichten Anzahl der Teilnehmer kann auch Hasberg nachvollziehen, er sei selbst auf dem Augustusplatz gewesen. Aber Hasberg verweist wiederum auf die Polizei. Es scheine so, dass während des Legida-Demonstrationszuges, der zwischen den beiden Kundgebungen auf dem Augustusplatz um den halben Innenstadtring zog, weitere Demonstranten hinzugestoßen seien. Und anschließend – zum Abschluß des Aufmarsches auf demselben Platz – wieder verschwunden wären. Aber das habe er auch nur gehört. Der Demonstrationszug jedenfalls sei aus einem Polizeihubschrauber heraus gescannt und gerastert worden. Daraus habe sich die offizielle Teilnehmerzahl ergeben. Hasberg: »Da scheint es eine Unschärfe zu geben«.

Unbestritten ist jedenfalls, dass die Legida-Organisatoren ihr angepeiltes Ziel, mit 60.000 Demonstranten über den gesamten Ring zu ziehen, grob verfehlt haben. Nicht einmal annähernd gelang es, wie beabsichtigt, an die Wucht der ’89er-Demonstrationen anzuknüpfen. Die Redebeiträge der Legida-Kundgebung pendelten irgendwo zwischen Größenwahn, Opferrolle und persönlichen Angriffen. Rechtspopulist Jürgen Elsässer durfte zum ersten Mal gegen die »Islamisierung des Abendlandes« schwäbeln, der als »halber Ausländer« angekündigte Niedersachse Leif Hansen wünschte sich endlich eine Verfassung, der rechtsnationale Aktivist Götz Kubitschek verriet endlich, warum Legida auf der Straße sei (Antwort: »Wir sind das Volk«), und zum Schluss durfte sich Jörg Hoyer in der Rolle des anachronistischen Einpeitschers gefallen. Auffällig: Kein Wort gab es zum Zerwürfnis mit der Dresdner Original-Pegida, deren weichgespültes Positionspapier die Leipziger Ableger nicht unterzeichnen. Keine Rede davon, dass der Dresdner Pegida-Initiator Lutz Bachmann kurz vor der Kundgebung aufgrund seiner bei Facebook verfassten Hetzparolen zurückgetreten war. Und: Im Vergleich zum Legida-Aufmarsch vor einer Woche fielen die geschichtsrevisionistischen Töne vom »Kriegsschuldkult« diesmal unter den Tisch, die breite Masse soll wohl nicht verschreckt werden. Nichtsdestotrotz ist das Feindbild klar: Islamistischer Terror habe in Dresden am Montag den »Spaziergang« verhindert, beschwor der Moderator: »Bei uns in Leipzig kommt der Terror von links!« Er meinte OB Jung und Linke-Stadträtin Juliane Nagel, die während der Veranstaltung immer wieder als Sündenböcke herhalten mussten. »Pfui«, »Lügenpresse«, »Volksverräter«, so die Reaktionen des Publikums. Losungen wie »Schluss mit der Lügenpolitik der Synagoge Satans« waren auf Plakaten zu lesen. Das Stilmittel, jede Redepassage im unvermeidlichen »Wir sind das Volk« münden zu lassen, hatte jeder der am Mikro Stehenden sowieso verinnerlicht. Zum Schluss gab’s die Hymne, alle ließen ihre Handys leuchten, und der Spuk war vorbei. Vorerst.

Quelle: www.jungewelt.de vom 23.01.15

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 23. Januar 2015 um 10:35 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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