Viele Argumente hatten sie nicht zu bieten, die Befürworter des Gesetzes zur »Tarifeinheit«, das am Freitag vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Eigentlich gar keins. Bis auf die gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung, das Gesetz bedeute keine Einschränkung des Streikrechts, fiel den Abgeordneten von CDU/CSU und SPD in der kurzen Aussprache kaum etwas ein. Selbst führende Unionspolitiker geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass dies ganz offensichtlich der Realität widerspricht.
Das in namentlicher Abstimmung mit 444 Ja- zu 126 Nein-Stimmen verabschiedete Gesetz ist ein Verfassungsbruch mit Ansage. Denn das Grundrecht auf Streik wird unter einen Mehrheitsvorbehalt gestellt. Das ist, als würde die Meinungs- und Pressefreiheit nur noch für diejenigen gelten, die die Auffassungen des Mainstreams vertreten. Es wäre nicht der erste Beschluss dieser Koalition, der vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert wird.
In der Plenardebatte kulminierten die Beiträge aus Union und SPD im immergleichen Punkt – der öffentlichen Unterstützung von DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Vorstände von IG Metall und IG BCE für das Gesetz. Das belegt: Für dessen Zustandekommen war die Haltung dieser gewerkschaftlichen Spitzenfunktionäre entscheidend. Sie tragen einen gehörigen Teil der Verantwortung dafür, dass das Streikrecht nun per Gesetz zur Disposition gestellt wird. Ohne ihre allein mit bornierten Apparatinteressen erklärbare Beihilfe wäre dieser Verfassungsbruch wohl gar nicht erst versucht worden.
»Die Abwehr von Eingriffen in das Streikrecht war und ist für die Zustimmung der IG Metall zwingend«, ließ IG-Metall-Vize Jörg Hofmann am Freitag per Mitteilung wissen und behauptete stur, das Gesetz beschränke dieses Recht nicht. Dabei weiß auch er ganz genau, dass in Deutschland nur für tariflich regelbare Ziele gestreikt werden darf. Wird einer Gewerkschaft das Recht vorenthalten, Tarifverträge zu schließen, können ihre Streikaufrufe für »unverhältnismäßig« und damit illegal erklärt werden.
»Mit aller Entschiedenheit« habe sich die IG Metall aber gegen diejenigen gewandt, »die etwa eine gesetzliche Zwangsschlichtung oder andere gesetzliche Eingriffe in das Streikrecht einfordern«, betonte Hofmann. Dazu lässt sich nur sagen: So was kommt von so was. Wer Konkurrenzgewerkschaften mit Hilfe des bürgerlichen Staates ausbooten will, sollte sich nicht wundern, wenn das Kapital diese Steilvorlage für weitergehende Beschränkungen nutzt.
Eben deshalb ist die Auseinandersetzung um das Streikrecht nach dem Bundestagsbeschluss nicht zu Ende, sie steht vielmehr an ihrem Anfang. Das neue Gesetz juristisch zu Fall zu bringen ist wichtig, und es ist gut, dass auch ver.di Verfassungsklage einreichen will. Für die Verteidigung dieses Grundrechts werden in den kommenden Jahren aber noch ganz andere Mittel nötig sein.
Quelle: www.jungewelt.de vom 23.05.15
« Mit 444 Ja- bei 126 Nein-Stimmen beschränkt der Bundestag das Grundrecht auf Streik im Namen der »Tarifeinheit«. IG-Metall- und DGB-Spitzen ebenso erfreut wie Konzernvertreter. Von Daniel Behruzi – Aufruhr in Athen. Gewerkschafter besetzen Finanzministerium. Rentenkürzungen verfassungswidrig. Rundfunk ERT sendet wieder »
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