Samstag, 20. Juni, 13 Uhr, Oranienplatz, Berlin-Kreuzberg
Am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, soll in Berlin eine Großdemonstration für die Rechte von Asylsuchenden stattfinden. Das erklärten am Mittwoch Vertreter der Linkspartei sowie des »Bündnisses für bedingungsloses Bleiberecht« und der Initiative »Europa. Anders. Machen.« in der Hauptstadt. Sie kritisierten den unmenschlichen Umgang der Bundesrepublik mit den Schutzsuchenden. Zweiter Themenschwerpunkt des Umzuges soll die Solidarität mit Griechenland werden. Welche Rolle man der Europäischen Union dabei zuschreibt, ist unter den drei Organisationen allerdings umstritten.
»Wir haben eine Verpflichtung, eine andere Stimmung gegenüber Flüchtlingen zu organisieren«, sagte Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion. Die Situation in der Bundesrepublik spitze sich zu, meinte das Bundestagsmitglied, es herrsche eine »unerträgliche Haltung«. Die bestehe auch deshalb, weil sich zu viele Menschen von abstrakten Ängsten leiten ließen. Anders sei es nicht zu erklären, dass die Fremdenfeindlichkeit dort am stärksten ist, wo die wenigsten Migranten und Flüchtlinge leben. »Die Politik, und da nehme ich uns nicht aus, hat nicht genügend aufgeklärt«, erklärte Gysi.
Doch es sei nicht nur eine andere Haltung in Flüchtlingsfragen nötig. »Wir brauchen auch eine Änderung des Rechts in diesem Land.« Weit verbreitet sei etwa das Bild der arbeitsscheuen Asylsuchenden. »Es ist aber das Gesetz, das Flüchtlingen verbietet, zu arbeiten«, sagte Gysi.
Gegen eine weitere Verschärfung dieser Rechtslage kämpft das »Bündnis für ein bedingungsloses Bleiberecht« an. Der im Februar entstandene Zusammenschluss verschiedener linker Organisationen wendet sich gegen das sogenannte Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung. Dessen Entwurf sieht eine Ausweitung jener Kriterien vor, nach denen Asylsuchende abgeschoben werden können.
»Dieses Gesetz gehört zu den schäbigsten Bestrebungen der Regierung gegen Flüchtlinge«, sagte Marcus Staiger, Sprecher des Bündnisses. Es entspreche genau den Forderungen von Pegida. Bis zu 18 Monate könnten der neuen Regelung zufolge Schutzsuchende weggesperrt werden, die aus einem anderen EU-Land in die Bundesrepublik kommen, um hier Asyl zu beantragen. »Aber Flucht ist kein Verbrechen«, so Staiger.
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.05.15
Die Aktivisten für ein bedingungsloses Bleiberecht wollen die Flüchtlingsfrage grundsätzlicher stellen. »Es geht um die Abschaffung dieses Gesellschaftssystems, denn das findet keine Antworten für die Menschen«, sagte Staiger. Die Asylsuchenden würden oft in ihren Herkunftsländern als überflüssig betrachtet. In Europa angekommen, behandele man sie abermals als Problem. »Die freie Marktwirtschaft reitet in jedem Land der Welt ein, aber ausreichend Jobs bringt sie nicht mit«, sagte Staiger. Eine Unterscheidung zwischen Kriegs- und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen sei deshalb unsinnig.
Namensgebend für den Protestzug am 20. Juni ist die Initiative »Europa. Anders. Machen.« In deren Aufruf heißt es, man habe »heute allen Grund, entsetzt zu sein«. Europas – gemeint ist die EU – »demokratisches und soziales Versprechen« sei zu einer Farce verkommen. Statt die Rettung von in Seenot geratenen Flüchtlingen zu verstärken, würden Grenzschutzorganisationen wie Frontex aufgebaut. Das Schreiben wurde mittlerweile von zahlreichen Hilfsorganisationen sowie Mitgliedern und Abgeordneten von Linkspartei und Grünen unterzeichnet.
Man sei für ein »Europa der Solidarität und der Menschenwürde«, sagte Theresa Kalmer von der Initiative. Nutzen wolle man den Demonstrationszug zudem, um die Verbundenheit mit der griechischen Bevölkerung zu zeigen. »Wir stellen uns klar gegen einen Grexit, der zur Zeit überall gefordert wird«, sagte Kalmer.
Ähnlich formulierte es auch Gregor Gysi. Es sei kurzsichtig, Griechenland weitere Spardiktate aufzuerlegen. »Viel klüger war der Marshallplan der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg, also die Entscheidung für den Aufbau.« Ein solches Vorgehen sollte die deutsche Regierung anstreben. Dann, sagte Gysi, stünde auch die Bundesrepublik »besser mit den Exporten da«. Ansonsten mache das Kabinett »Europa kaputt«.
Nicht alle halten das für eine Katastrophe. Auf Nachfrage von junge Welt erklärte Marcus Staiger, dass es nicht genüge, »im Bestehenden Kleinigkeiten besser zu machen«. Um eine solidarischere Gesellschaftsform zu erreichen, müssten zunächst die gesamten EU-Strukturen weg. Unterschreiben würde Staiger den Aufruf von »Europa. Anders. Machen.« entsprechend nicht. Auch einem Aufbauprogramm für Südeuropa steht Staiger skeptisch gegenüber. »Was Griechenland braucht, ist die Enteignung der Gläubiger!«
« Aufruhr in Athen. Gewerkschafter besetzen Finanzministerium. Rentenkürzungen verfassungswidrig. Rundfunk ERT sendet wieder – Weltflüchtlingstag: Gedenken braucht Gegenwart! Von Ulla Jelpke, MdB DIE LINKE »
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