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Gottloses Sendungsbedürfnis. Kritik an massenhaftem Einsatz von Sonntagsarbeit im Post-Tarifstreit. Konzern simuliert Betrieb und pfercht Aushilfen in Container. Von Ralf Wurzbacher

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Sonntagsarbeit ist eigentlich verboten. Für die Deutsche Post AG gelten im Tarifkonflikt aber keine Gesetze, nicht einmal die biblischen. Weil sich durch den inzwischen drei Wochen andauernden Ausstand in den Depots Briefe und Pakete türmen, hatte das Unternehmen am vergangenen Sonntag bundesweit 11.000 »freiwillige« Aushilfskräfte losgeschickt, um die liegengebliebenen Sendungen auszutragen. Was der Konzern als »vollen Erfolg« verbuchte, ist für die Gewerkschaft ver.di ein rechtswidriger Einsatz von Streikbrechern. Missmut regt sich auch auf seiten der Politik. Das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen (NRW) sowie das in Thüringen wollen die Angelegenheit prüfen und drohen mit Bußgeldern.

Die Post beruft sich bei der Maßnahme auf eine Regelung des Arbeitszeitgesetzes, nach der in Verkehrsbetrieben und beim Transport von verderblichen Waren vom allgemeinen Sonntagsarbeitsverbot abgewichen werden kann. In Paketen und Großbriefen würden jeden Tag nicht nur Lebensmittel, sondern auch medizinische Güter und Labormaterial befördert, ließ ein Post-Sprecher verlauten. Für NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) hat diese Konstruktion »keine Substanz«, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte: »Das Unternehmen ist zu einem beträchtlichen Teil in öffentlichem Eigentum, und dies beinhaltet den Auftrag, sich an bestehende Gesetze zu halten.« Er habe Arbeitsschützer angewiesen, die Fälle zu untersuchen, gegebenenfalls würden Strafzahlungen verhängt.

Wie in NRW hatte die Post auch in Thüringen für die Sonntagsarbeit keine Ausnahmegenehmigungen bei der Gewerbeaufsicht beantragt, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. So oder so hätte die Thüringer Sozialministerin Heike Werner (Die Linke) kein grünes Licht gegeben. Es gibt »keinen zwingenden Grund, warum gewöhnliche Briefe und Pakete am Sonntag zugestellt werden müssen«, erklärte sie am Donnerstag. Zudem sei die Politik »zur Neutralität in Arbeitskämpfen verpflichtet«. Kritik kam auch von Werners Amtskollegen in Hamburg und Baden-Württemberg.

Streikbruch wird bei der Post gut bezahlt. Nach Angaben von ver.di Hamburg wurden die fraglichen Kräfte mit einer steuerfreien Prämie von 100 Euro in bar, einem Sonntagszuschlag von 30 Prozent und einer Extravergütung für die Wegzeit zur Arbeitsstätte gelockt. Zum Einsatz gekommen seien Stammkräfte aus nicht bestreikten Betriebsteilen, befristet Beschäftigte sowie Betriebsfremde. So wurden zum Beispiel Studierende angeworben (siehe jW vom 25.6.). Nach Einschätzung der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis unterläuft der Konzern damit das grundgesetzlich garantierte Streikrecht. Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) dagegen befand, die Post habe die Notwendigkeit des Einsatzes »vorerst plausibel« dargelegt.

Die Post bedient sich noch anderer zweifelhafter Methoden. Das Arbeitsgericht Bonn muss sich seit Mittwoch erneut mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung wegen des unzulässigen Einsatzes von Beamten befassen. Und wie ver.di mitteilte, werden entgegen einem Urteil des Arbeitsgerichtes vom 26. Mai 2015 Staatsbedienstete weiterhin gegen ihren Willen auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt. Von ver.di Hamburg kommt der Vorwurf, der gelbe Riese lasse leere Postwagen von Beamten durch die Gegend kutschieren, um Betrieb zu simulieren. Und die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtete am Freitag von slowakischen Saisonarbeitern, die in einem Paketzentrum in Greven nahe Münster als Aushilfen beschäftigt werden. Sie müssen in beengten Containern hausen, laut Betroffenen gegen täglich zehn Euro Miete und ohne Mittagessen.

Am Freitag wurde der Arbeitskampf bei der Post abermals ausgeweitet. In NRW hätten mittlerweile insgesamt 7.500 Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt, gab ver.di bekannt, 500 mehr als zu Wochenanfang. Bundesweit liege die Zahl der Streikenden damit bei 32.500. Immerhin will der Konzern künftig vielleicht von Sonntagsarbeit absehen. Für das kommende Wochenende gebe es dafür keine Pläne, erklärte ein Post-Sprecher am Donnerstag in Stuttgart.

Quelle. www.jungewelt.de vom 27.06.12015

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 27. Juni 2015 um 17:55 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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