Wolfgang Huste Polit- Blog

„Wir, die abhängig Beschäftigten, müssen solidarisch klotzen, nicht kleckern!“. Von Wolfgang Huste

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Wenn die Regierung über diverse Medien verlauten lässt, dass sie die Coronakrise durch „finanzielles Klotzen“ zugunsten der Betroffenen abmildern will, dann wissen wir aus Erfahrung, was das im Klarsprech der marktradikalen Eliten, der marktradikalen Politiker, letztendlich bedeutet:
„Banken und Konzerne first, Lohnabhängige, Solo-Selbständige, die Natur/Umwelt und das Soziale second!“. So ist das eben im Kapitalismus. Die Lohnabhängigen, die Solo – Selbständigen, Menschen, die sich nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden, haben mal wieder die Arschkarte gezogen, bekommen gerade mal die Krümel vom großen Finanzkuchen- wenn überhaupt.

Es soll – angeblich! – unbürokratische und schnelle Finanzhilfe angeboten werden. Auch für Solo-Selbständige, für Künstler, für Menschen, die öffentliche Transferleistungen erhalten, für diejenigen, die ihren Kleinkredit abzahlen müssen. Ich frage mich: Auch für Armutsrentner, für die Verkäufer und für Menschen, die im Gesundheitswesen ihren Dienst machen? Sie und andere abhängig Beschäftigte haben es in der Krise besonders schwer finanziell und auch menschlich betrachtet unbeschadet über die Runden zu kommen. Es heißt, dass man für diese Personen, für Kleinverdiener, besonders günstige Kredite anbieten will, über die jeweilige Hausbank als Vermittler. Man spricht von Krediten, die mit durchschnittlich 7% pro Jahr verzinst werden. Wie soll ein Kleinverdiener einen solchen Kredit zurückzahlen, insbesondere diejenigen, die schon jetzt kurz vorm finanziellen Fiasko stehen, insbesondere die Menschen, die als „Solokulturschaffende“ im Kreativbereich, arbeiten, oftmals auf Honorarbasis, im schlimmsten Fall für ein mieses „Vergelt‘s Gott – Honorar“? Nebenbei: Insbesondere für diesen Personenkreis benötigen wir dringend ein staatlicherseits verordnetes Mindesthonorar!

In der Tat muss „geklotzt“ werden, aber ganz anders, viel unbürokratischer, als es die Regierung plant – und auch viel radikaler. Hier sind meine grob formulierten Vorschläge:

Allen Kleinverdienern, allen Menschen, die in Armut oder an der Armutsgrenze leben, alle Menschen, die Hartz IV oder ähnliche, öffentlich finanzierte Transferleistungen erhalten, wird für (vorerst!) drei Monate neben der Lohnfortzahlung die jeweilige Wohnmiete erlassen, angeordnet durch einen staatlichen, bundesweit gültigen Eilerlass. Bei den aktuell verordneten Geschäftszwangsschließungen ging das ja auch sehr schnell und unbürokratisch vonstatten. Immobilienbesitzer, die nur wenige Wohnungen vermieten, erhalten einen staatlichen Finanzausgleich. Wohnkonzerne mit oftmals Tausenden von Wohnungen, also die berüchtigten Miethaie, dagegen nicht. Des weiteren sollen für Geringverdiener und Menschen, die in Armutsverhältnissen leben, auch andere (über)lebenswichtige, laufende Kosten für (vorerst!) drei Monate staatlicherseits übernommen werden, dazu gehören:

Beiträge zur Krankenversicherung, die monatlichen Zahlungen an Energielieferanten und ähnliche Kosten. Stromsperren müssen verboten werden, ebenso Massenentlassungen- es sei denn, sie dienen zum gesundheitlichen Schutz der Allgemeinheit! Viele können ihre Miete kaum oder gar nicht mehr zahlen, werden deshalb gekündigt oder man droht ihnen die Zwangsräumung an. Auch eine solche Zwangsmaßnahme muss verboten werden! Man sollte nicht die Armen bestrafen, sondern diejenigen, die Armut und allgemeines Elend, auch Naturzerstörungen, verursachen. Da denke ich unter anderem an diverse Spekulanten- oder an diejenigen, die für Kriege verantwortlich sind, oder für den allgemeinen Abbau des Sozialstaates. Der Staat regelt keineswegs alles zur allgemeinen Zufriedenheit, erst recht nicht in einem väterlichen, gerechten Sinne. Demnach ist der wohlig klingende Begriff „Vater Staat“ ein entpolitisierender, auch politisch desorientierender Euphemismus!

Jeder denkende Mensch weiß zumindest so ungefähr, wie der real existierende Kapitalismus im Alltag funktioniert, dass meine hier skizzierten Forderungen (noch!) schöne Utopien sind.

Karl Marx hatte und hat bis heute völlig Recht, als er sachlich sinngemäß feststellte: „Der Staat ist kein Neutrum! Er ist nichts weiter als der ideelle (gedachte), abstrakte (allgemeine) Gesamtkapitalist! Er vertritt als gedachter Gesamtkapitalist letztendlich die Interessen der Einzelkapitalisten“. Der Staat ist also höchst parteiisch! Letztendlich steht er auf Seiten der Konzerne und Banken, der herrschenden Eliten, insbesondere dann, wenn es um „Systemrelevanz“ geht, wenn es um mehrfache Millionen- und Milliardenbeträge geht, um die Interessen von Banken und Konzernen, wenn es um nationale und internationale Handelsgesetze geht. Im Kapitalismus sind zum Beispiel Pflegeberufe nicht „systemrelevant“, höchstens in Krisenzeiten.

Dass der Staat parteiisch ist, sieht man oftmals an konkreten Alltagserscheinungen. Werden zum Beispiel die behördlich festgelegten Grenzwerte von Pestiziden in Lebensmitteln überschritten, dann werden die Grenzwerte einfach erhöht, statt dieses oder jenes Pestizid zu verbieten oder das jeweilige Verbot zumindest konsequent durchzusetzen. Ein Verbot setzt der Staat nur durch, wenn der öffentliche Druck „von unten“ zu stark, zu mächtig, geworden ist, wenn er da keine andere Handlungsmöglichkeit hat – zugunsten der Banken und Konzerne. Ähnlich verfährt man bei den Autoabgasen (Stichwort hier: Dieselskandal), bei der allgemeinen Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke, bei der in den Meeren lagernden Kriegsmunition und bei den rostenden Atommüllfässern, die jahrzehntelang auch in den Meeren entsorgt wurden. Sie werden nicht an Land geholt, „aus Kostengründen“, wie es mir der Europakommissar Öttinger vor einigen Jahren auf eine entsprechende Anfrage schriftlich mitteilte. Auch hier werden die Verursacher staatlicherseits weitestgehend geschont, dagegen werden die Verbraucher zur Kasse gezwungen – in ganz Europa! Auch die EU ist letztendlich nichts weiter als der supranational handelnde Gesamtkapitalist, der also die Interessen der kapitalistisch determinierten Nationalstaaten vertritt! Auch der staatlich garantierte Mindestlohn liegt an der Armutsgrenze, produziert spätestens im Alter Armut, verursacht durch eine mickrige Rente. Ihr kennt sicherlich noch vieler andere, ähnliche Beispiele.

Als ich weiter oben schrieb, dass meine radikalen Forderungen an den Staat eine schöne Utopie sind, dann sollte man auch hier an Karl Marx erinnern, der in diesem Zusammenhang, wiederum sinngemäß, sagte: „Wenn eine Idee die Massen ergreift, dann wird sie selber zur materiellen Gewalt/Macht!“. Soll heißen: „Der Fortschritt beruht auf der allgemeinen Verwirklichung von vormaligen Utopien!“. Blicken wir – sagen wir einmal – bis zur Feudalzeit zurück, dann lehrt uns die Geschichte sehr eindrucksvoll, dass bestehende soziale und ökonomische Verhältnisse, auch Machtverhältnisse, keine unveränderlichen Naturgesetze sind, die man schicksalhaft hinnehmen muss! „Wir da unten“ machen die Geschichte, wie es Bernt Engelmann in einem seiner Buchtitel sagte. Wir sind nicht nur zahlenmäßig mehr als „die da oben“, letztendlich(!) auch deutlich mächtiger! Das Problem: Viele Menschen leben wie der vereinzelte Zirkuslöwe, wie der dressierte Tiger, der Angst vor der kleinen Peitsche des Dompteurs hat, obwohl er diese – und nicht nur die Peitsche!- mit nur einem einzigen, gezielten Prankenhieb oder mit einem gezielten Biß zerstören kann. Bei uns ist es die Angst vor Entlassung, die Angst vor dem Vermieter, der Bank, die Angst vor dem Unternehmer, die Angst, Nachteile zu bekommen, wenn man in einer linken Partei organisiert ist, oder in einer Gewerkschaft, die Angst vor dem sozialen Abstieg, die Angst, im Alter in Armut zu leben usw.). Wir können und müssen die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern, zugunsten aller Menschen, zugunsten der Natur, zugunsten des Sozialstaates. Das gelingt auf einer organisierten Ebene deutlich besser als auf einer individualistischen, unpolitischen Ebene.

Meine Quintessenz lautet hier: Organisiert euch, zum Beispiel in Gewerkschaften, in fortschrittlichen NGO‘s, in fortschrittlichen Parteien oder auch in fortschrittlichen Gruppen. Woran liegt es, dass es so ist wie es ist? An uns! An wen liegt es, wenn es besser und auch anders werden soll? An uns! Deshalb: „Vereinigt euch! Engagiert euch!“ Beherzigt den Satz: „Wer das Mögliche fordert, bekommt gar nichts! Wer das Unmögliche fordert, bekommt zumindest das Mögliche!“. Die Zauberworte, um das von mir skizzierte zu erreichen, lauten: „Internationale Solidarität“ und „internationale Organisation“, statt einer „von oben“ forcierten Spaltung der abhängig Beschäftigten, der sogenannten „Deklassierten“ mittels einer „Zuckerbrot und Peitsche – Politik“! Der Kapitalismus ist keineswegs das Ende der Geschichte, darf nicht dass Ende sein, wenn wir und auch nach uns folgende Generationen ein lebenswertes Leben führen wollen!

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 18. März 2020 um 18:10 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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