Wolfgang Huste Polit- Blog

Ist eine Kritik an der israelischen Regierung antisemitisch? Von Wolfgang Huste

Sonntag, 20. Dezember 2020 von Huste
Antisemitismus liegt dann vor, wenn man alle Israelis, also kollektiv, als reaktionäre, fanatische, Geld gierige Juden labelt, die an der Spitze einer Weltverschwörung stehen oder wenn man sie als Rasse mit negativen Eigenschaften labelt, obwohl man wissen sollte, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Es gibt nur den Homo sapiens sapiens. Die israelische Gesellschaft ist keineswegs homogen strukturiert. Da gibt es auch Kommunisten und Sozialisten neben reaktionären und orthodoxen, religiösen Eiferern. Auch in Israel gibt es Mächtige und eher Ohnmächtige, Reiche und Arme. Auch in Israel wird gegen hohe Wohnmieten und steigende Lebensmittelpreise demonstriert. Es gibt Israelis, die sich für eine Zwei – Staaten – Lösung engagieren oder die Trinkwasserpolitik zum Nachteil der Palästinenser zu Recht kritisieren. All diese Kritik an der israelischen Regierung ist berechtigt, legitim, nicht antisemitisch. Und auch das ist richtig: Es gibt und gab orthodoxe, reaktionäre Zionisten, es gab und gibt aber auch Zionisten mit einer progressiven bis hin zu einer sozialistischen Gesinnung.  Zum Beispiel war Martin Buber ein Zionist. Aber er wollte einen Staat für Juden und(!) Araber gemeinsam.

Der Sozialistische Zionismus wurde von Nachman Syrkin, Ber Borochov, Chaim Arlosoroff und Berl Katznelson geleitet.
Ziel war die Schaffung einer landwirtschaftlichen Gesellschaft auf der Basis der Gleichheit aller Menschen, wobei die Gleichstellung der Frau eine bedeutende Rolle spielte. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung und die Klassengesellschaft werden abgelehnt.

Friedhelm Grützner schreibt: „Die Zionisten waren ursprünglich säkular gesinnt und mehrheitlich „links“, während die antizionistischen Juden aus religiösen Motiven einen Staat Israel vor der Ankunft des Messias aus dem Hause David ablehnten.“

Einige Gedanken zum Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinenser: Kadavergehorsam gegenüber einer Regierung, einer Partei, einer politischen Richtung, war in der Geschichte noch nie erstrebenswert. Verbrechen und Schuld wird nicht „vererbt“. Ein Verbrechen muss gesühnt werden, am konkreten Individuum, das Schuld auf sich geladen hat. Nicht jeder ist ein Verbrecher. Schuld ist demnach nie kollektiv, sondern immer konkret und differenziert zu ahnden, also am jeweiligen Individuum, das ein Verbrechen begangen hat. Demnach gibt es auch keine Blaupause, einen Blankoscheck, für Verbrechen oder für die Rechtfertigung einer kollektiv oder individuell begangenen Schuld, eines Verbrechens. Jede Relativierung eines Verbrechens sollte sich da von vornherein verbieten. Wir müssen Unrecht und insbesondere jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden, besser: möglichst im Nacendistadium verhindern. Es gibt keine kollektive Entschuldigung für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu der auch Ausbeutung, die Unterdrückung von Menschen, Kriege, Terror und Rassismus  gehören. Objektiv, also nachweisbar, ist der Gaza- Streifen das größte Freiluftgefängnis der Welt, zum Nachteil der dort lebenden Palästinenser. Araber, Palästinenser, werden in Israel per Gesetzt als Menschen zweiter- und dritter Klasse behandelt, sie haben im Staat Israel faktisch weniger Rechte als andere. Dieser Zustand, der dem Völkerrecht und  den allgemeinen Menschenrechten widerspricht, muss beendet werden. Der Friedensprozess zwischen dem Staat Israel und den besetzten Gebieten muss wieder in Gang kommen. Die Ablehnung der Zwei – Staaten – Lösung werte ich als einen groben Fehler, weil er einen Friedensprozess im Nahen Osten zumindest erschwert, wenn nicht gar verhindert. Demnach müssen auf beiden(!) Seiten die politischen Parteien / Organisationen/ Politiker aktiv und passiv unterstützt werden, die sich hüben wie drüben für die Zwei – Staaten – Lösung und damit zugunsten eines Friedensprozesses engagieren. Alles andere, jenseits einer Zwei – Staaten – Lösung, konterkariert einen Friedensprozess, ist nicht realistisch und schafft auf beiden Seiten viel unnützes Leid.

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