Wolfgang Huste Polit- Blog

Neonazimorde fehlen in den Statistiken des LKA«. Antwort der NRW-Landesregierung auf Anfrage der Linksfraktion: Gefahr von rechts verharmlost. Ein Gespräch mit Anna Conrads. Interview: Markus Bernhardt

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Anna Conrads ist innen- und rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag von NRW.

Sie hatten eine Große Anfrage an die nordrhein-westfälische Landesregierung gestellt, in der Sie um Auskunft über die neofaschistischen Aktivitäten und Strukturen in Nordrhein-Westfalen gebeten haben. Sind Sie mit der Antwort zufrieden?

Nein, überhaupt nicht! Schaut man sich die Antwort genauer an, könnte man fast meinen, Neonazis spielten in NRW keine Rolle. Was mich aber wirklich entsetzt, ist, daß die durch Neofaschisten in NRW ermordeten Personen sich nicht in den Statistiken des Landeskriminalamtes (LKA) wiederfinden. So fehlt in der Statistik etwa der im März 2005 in Dortmund vom Neofaschisten Sven Kahlin erstochene Punk Thomas Schulz.

Es fehlen weitere Mordopfer …
Und zwar die drei Polizeibeamten, die im Jahr 2000 vom Dortmunder Neonazi Michael Berger ermordet wurden. Noch immer gibt es Indizien dafür, daß Berger im Dienst des Verfassungsschutzes stand und als V-Mann tätig war. Hierbei handelt es sich übrigens keineswegs um linke Verschwörungstheorien. Vielmehr hatte selbst der CDU-Bundestagsabgeordnete Erich G. Fritz schon vor Jahren eine Anfrage dazu gestellt, die jedoch nicht beantwortet wurde, da die Aktivitäten des Verfassungsschutzes ja im Verborgenen stattfinden und die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

Die Landesregierung behauptet außerdem, daß es in Dortmund etwa 30 »Autonome Nationalisten« gebe. Halten Sie diese Zahl für realistisch?

Keineswegs! Ich habe mich in der Vergangenheit regelmäßig an antifaschistischen Protesten in Dortmund beteiligt und jeder, der sich auch nur oberflächlich mit der Situation in der Stadt befaßt, weiß, daß die Anzahl der »Autonomen Nationalisten« dort um ein Vielfaches höher ist. Schließlich ist Dortmund ein Schwerpunkt für die militanten Neonazis. Übrigens genauso wie die Region Aachen, wo es ebenfalls regelmäßig zu brutalen Übergriffen auf Antifaschisten, Migranten und andere Menschen kommt, die nicht in das Weltbild der Rechten passen.

Die »Autonomen Nationalisten« in Dortmund veröffentlichen seit geraumer Zeit Steckbriefe politischer Gegner im Internet. Außerdem kam es in der Vergangenheit regelmäßig zu Angriffen auf Privatwohnungen, Parteibüros und linke Buchläden. Wie bewertet die Landesregierung diese Attacken?

Gar nicht. Fälschlicherweise behauptet die Regierung von SPD und Grünen sogar, daß Anschläge auf Privatwohnungen von der Polizei stets als politisch motivierte rechte Straftaten registriert worden seien. Dies stimmt jedoch in Dortmund beispielsweise keineswegs. Dort wurden von der Polizei nicht einmal Anschläge als neofaschistische Straftaten aufgenommen, bei denen explizit rechte Symbole und Parolen an Privatwohnungen gesprüht wurden und es darüber hinaus zu Zerstörungen kam. Auch wurden im Gegensatz zu den Behauptungen der Regierung nur wenige Nazigegner, deren private Daten und Fotos Nazis ins Internet gestellt hatten, von der Polizei informiert und gewarnt.

Was wäre Ihrer Meinung nach zu tun, damit die Neofaschisten in NRW zurückgedrängt werden?

Als erstes – das hat die Antwort der Landesregierung noch einmal verdeutlicht – muß das Problem von den Verantwortlichen in Politik, Polizei und Justiz erst einmal wahr- und ernstgenommen werden. Da die Regierung offenbar kein Problem mit neofaschistischen Gewalttätern in NRW sieht, wundert mich auch nicht, warum sie meiner Forderung, Beratungsstellen für Opfer rassistischer und neofaschistischer Gewalt einzurichten, erst kürzlich eine schroffe Absage erteilt hat. Es kann jedoch kein Zustand sein, daß Nazigegner, die massiven Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt sind, sich an Opferberatungsstellen in Thüringen wenden müssen. Eben das ist jedoch bereits der Fall gewesen.

www.jungewelt.de vom 28.03.11

Dieser Beitrag wurde am Montag, 28. März 2011 um 17:01 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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