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Die Langzeitbombe. Mehr Krebsfälle, weniger gesunde Kinder: Atomkatastrophe von Tschernobyl wirkt sich bis heute europaweit aus. Von Claudia Wangerin

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Die Risikogruppe ist groß: Millionen Menschen müssen europaweit mit gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl vor 25 Jahren rechnen. Dies geht aus einer am Freitag veröffentlichten Studie der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) und der Gesellschaft für Strahlenschutz hervor. Das 1986 freigesetzte radioaktive Material verstrahlte bis zu 150000 Quadratkilometer Fläche in der Ukraine, Belorußland und Rußland. In diesen Gebieten lebten im Jahr 2010 rund 8300000 Menschen. Europaweit lebten rund 600 Millionen Menschen in Gebieten mit einer geringeren aber meßbaren Strahlenbelastung durch den Reaktorunfall von Tschernobyl.

Am 26. April 1986 geriet der Reaktorblock 4 des Atomkraftwerks in der Ukraine außer Kontrolle. Fachleute gehen davon aus, daß eine Kombination von Bedien- und Konstruktionsfehlern während eines Sicherheitstests die Ursache war. Durch Explosionen wurde der obere Teil des Reaktorgebäudes zerstört.

Am schlimmsten betroffen waren die Aufräumarbeiter: Von 830000 sogenannten Liquidatoren erkrankten 90 Prozent seit 1986 wegen der hohen Strahlenbelastung. Sie alterten vorzeitig, leiden überdurchschnittlich häufig an verschiedenen Krebserkrankungen und haben ein zweifach erhöhtes Leukämierisiko. Schon 1992 galten rund 70000 von ihnen als Invaliden. 13000 waren damals laut Vereinigung der Liquidatoren von Tschernobyl bereits verstorben.

Eine 30-Kilometer-Zone rund um den Reaktor wurde nach 1986 wegen der hohen Strahlenbelastung dauerhaft gesperrt. Nach Informationen des Tschernobyl-Ministeriums in der Ukraine waren 1996 nur noch 18 Prozent der evakuierten Bevölkerung gesund.

Der Anteil der gesunden Kinder, die nicht selbst vom Tschernobyl-Fallout betroffen waren, deren Eltern aber erhöhter Radioaktivität ausgesetzt waren, sank in der Ukraine von 81 Prozent im Jahr 1987 auf 30 Prozent im Jahr 1996. Auch die Zahl der Totgeburten und Fehlbildungen stieg deutlich an.

Forscher gehen davon aus, daß es durch die Tschernobyl-Katastrophe bis 2056 in ganz Europa knapp 240000 zusätzliche Krebsfälle geben wird. Die Autoren der Studie geben zu bedenken, daß viele Krebserkrankungen eine Latenzzeit von 25 bis 30 Jahren haben. Schneller entwickelt sich Schilddrüsenkrebs: Die charakteristische Operationsnarbe wird in der Ukraine als »Tschernobyl-Kollier« bezeichnet; eine weitere Folge ist lebenslange Medikamentenabhängigkeit. Gehäuft traten nach der Katastrophe auch Brustkrebs und Hirntumore bei Kindern auf. Die Liquidatoren sind laut Studie darüber hinaus von Prostata-, Magen- und Blutkrebs betroffen.

Die Verteilung der Radioaktivität hing stark von der Windrichtung und dem Niederschlag ab. Sogar in Berlin und Hessen wurde 1986 bei Neugeborenen ein Anstieg von Schilddrüsenunterfunktionen festgestellt. In Griechenland erkrankten Kinder, die zum Zeitpunkt der Katastrophe im Mutterleib heranwuchsen, 2,6mal so häufig an Leukämie wie Kinder, die vor oder längere Zeit nach dem Unglück geboren wurden.

Laut Studie wurden in Europa nach 1986 rund 800000 Kinder weniger geboren, als eigentlich zu erwarten gewesen seien. In Westeuropa sollen 100000 bis 200000 zusätzliche Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt worden sein.

Quelle: www.jungewelt.de vom 09.04.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 09. April 2011 um 12:19 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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