Dramatische Szenen spielen sich derzeit vor den Küsten Süditaliens ab. Mehrere hundert Menschen sind allein in den letzten Wochen bei dem Versuch ertrunken, nach Europa zu gelangen. Die Zustände sind schon seit Jahren untragbar, aber seit Anfang 2011 spitzt sich die Lage zu. Bisher hatten nämlich die nun gestürzten oder bedrängten arabischen Despoten im Auftrag der europäischen Regierungen Flüchtlinge und potentielle Arbeitsmigranten meist schon an den nordafrikanischen Küsten abgefangen, des öfteren auch mißhandelt und unter unmenschlichen Bedingungen interniert.
Natürlich wäre es für die italienische Regierung ein leichtes gewesen, die rund 25000 Neuankömmlinge, mit denen die kleine Insel Lampedusa hoffnungslos überfordert ist, schnell aufs ganze Land zu verteilen. Und natürlich wäre es für die EU überhaupt kein Problem, die Neuankömmlinge einfach zu ihren Wunschzielen reisen zu lassen. Selbst das Hundertfache könnte spielend aufgenommen werden, wenn das Menschenrechtsgedusel der EU ernst und nicht nur als Rechtfertigung für immer neue Kriege gemeint wäre. Alles ließe sich relativ rasch regeln, und die Öffentlichkeit könnte sich wieder ernsthaften Problemen zuwenden.
Aber gerade das scheint nicht gewollt. Dieser Eindruck drängt sich auch bei einem Blick auf die Programmpolitik der ARD auf. Das Flüchtlingselend vor und auf Lampedusa ist dem öffentlich-rechtlichen Sender Anlaß, ausgerechnet dem notorischen Hetzer und Immer-noch-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin ein Podium zu bieten, wie am Sonntag bei »Anne Will«. Offensichtlich geht es nicht um Problemlösungen, sondern um Stimmungsmache.
Über die Motive für letzteres kann zunächst nur spekuliert werden. Auf der Hand liegt das Schielen nach der Quote. Es drängt sich aber auch der Vergleich zur westdeutschen Situation von 1986 auf. Seinerzeit geriet ganz ähnlich wie heute eine schwarz-gelbe Koalition in Sachen Energie- und Atompolitik gewaltig unter Druck, nachdem im sowjetischen Tschernobyl ein Reaktor in die Luft geflogen war. Das Ende der Regierung Kohl und der Anfang vom Ende des Atomprogramms schien für einige Wochen zum Greifen nahe. Da kam ein wachsender Andrang von politischen Flüchtlingen in Westberlin gerade richtig, die aus dem Iran und anderen Ländern über die DDR einreisten. Statt sie rasch auf die Bundesländer zu verteilen, ließ man sie in der Stadt auf Sportplätzen unter freiem Himmel kampieren. Wochenlang. Begleitet wurde diese Politik von einer hysterischen Medienkampagne gegen »Asylanten«. Ob das Ganze orchestriert war, ist letztlich egal, aber für Kohl-Regierung und Energiekonzerne war die Kampagne überaus erfolgreich: Die Öffentlichkeit war von dem unerfreulichen Atomkatastrophenthema abgelenkt, im Herbst 1986 ging das lange umkämpfte AKW Brokdorf ans Netz; und im Januar 1987 gewannen Kohl und Co., auf der Welle der Ausländerfeindlichkeit reitend, erneut die Bundestagswahlen.
Quelle: www.jungwelt.de vom 19.04.11
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